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Zwischen Moral und Selbstjustiz „Die Fremde in dir“

Zwischen Moral und Selbstjustiz „Die Fremde in dir“

Von Mihaela Gladovic

Wer könnte die Rolle einer Frau, deren Verlobter von einer Ghetto-Gang zu Tode geprügelt wurde, besser spielen als Jodie Forster? In „Die Fremde in dir“ muss sie als Erica Bain damit zurecht kommen und dabei auf dem schmalen Grat zwischen Wut, Hass und Moral wandern. Kann der Schmerz einen Menschen zu verlieren wirklich die Rechtfertigung für Selbstjustiz sein?

Nicht nur als Radiomoderatorin legt Erica Bain ihre dunkle, aber zarte (Original-)Stimme über New York, sondern auch als Off-Erzählerin über den Film, was dem Zuschauer den Einblick in ihre verletzte Psyche erleichtert. Anfangs hört man Erica in ihrer Sendung von ihrem geliebten New York und dem Leben in der Stadt erzählen. Sie ist glücklich, nicht zuletzt, weil sie mit ihrem Verlobten mitten in der Hochzeitsplanung steckt.

Doch das vollkommene Glück findet ein jähes Ende: Bei einem abendlichen Spaziergang werden die beiden von einer Gang überfallen und zusammengeschlagen. Regisseur Neil Jordan inszeniert das mit einer Brutalität, die dem Zuschauer bis ins Mark geht. So lässt er eines der Gangster-Kids eine Digitalkamera halten und nutzt das, um zwischen normalen Kameraeinstellungen und dem Bild einer verwackelten Handkamera hin und her zu switchen. Die Szene gewinnt merklich an Authentizität.

Zwischen Moral und Selbstjustiz „Die Fremde in dir“

Nachdem Erica aus dem Koma erwacht, erfährt sie, dass ihr Verlobter bereits tot ist. Ihr Leben ändert sich schlagartig, in ihrer gewohnten Umgebung kommt sie kaum noch zurecht. Alles, was sie einmal geliebt hat, wird ihr nicht nur fremd, sondern bereitet ihr wachsende Angst. So schottet sie sich ab, dröhnt sich in ihren vier Wänden mit Beruhigungstabletten zu, raucht eine nach der anderen und traut sich nicht mehr auf die Straße.

Als sie doch den Mut fasst, das Haus zu verlassen, läuft sie angsterfüllt durch die Stadt und sieht misstrauisch in jedem eine potenzielle Gefahr. Sie muss einsehen, dass sich ihr Blick auf die Welt vollkommen verändert hat. Mit dieser Einsicht werden aus Angst und Schmerz rasch Wut und tödliche Aggressionen. Sie kauft sich eine Waffe und beginnt auf nächtlichen Streifzügen jeden zu erschießen, den sie für eine Gefahr hält. Während sie beim ersten Mal noch aus Notwehr auf einen Einbrecher in einem 24-h-Shop schießt, wartet sie beim nächsten Mal regelrecht auf eine Legitimation, um auf zwei Kleinkriminelle in einer U-Bahn zu feuern.

Ironischerweise findet Erica ihren Seelenverwandten in dem NYPD-Detective Sean Mercer (gespielt von Terrence Howard), der auf der Suche nach dem mysteriösen Killer ist. Unwissend, dass sie diejenige ist, die er sucht, freundet sich Mercer langsam mit Erica, die er als Radiomoderatorin kennen lernt an. Ihre Empfindungen von Frustration und Einsamkeit sind sich sehr ähnlich - ihre Moralauffassung jedoch komplett verschieden. Das erhöht für den Zuschauer nicht nur die Spannung, sondern verdeutlicht auch die Kontroverse, die der Regisseur hier aufzeigen will.

Zwischen Moral und Selbstjustiz „Die Fremde in dir“

Jodie Foster zeigt mal wieder eine souveräne Leistung, wie man es von ihr nicht anders erwartet hätte und bringt die zerstreute, wütende und schmerzerfüllte Frau absolut mitfühlend herüber. Außerdem arbeitete sie als Executive Producer an dem Film mit und brachte eigene Ideen ein, womit sie und Regisseur Neil Jordan es schafften, einen emotionalen Thriller zu produzieren und mit ihm moralische Überlegungen aufzugreifen.

Dennoch wirkt der Plot an einigen Stellen langatmig, da es dem Regisseur nicht gelungen ist, den Film auf die nötigsten Szenen zu reduzieren.

Außerdem haben die Drehbuchautoren (Roderick Taylor, und Bruce A. Taylor) ihre Charaktere nicht konsequent durchdacht und verharmlosen damit die Taten der Protagonistin. Trotzdem ist Neil Jordans Werk einen Kinobesuch wert, wenn man genügend Sitzfleisch hat, um 120 Minuten auf dem Kinosessel auszuharren.

Zwischen Moral und Selbstjustiz „Die Fremde in dir“

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