Will Smith allein zuhaus: "I Am Legend"

Von Mireilla Zirpins
Die gruseligsten Horrorszenarien sind doch immer noch diejenigen, die am wahrscheinlichsten sind. Denn je größer die Realitätsnähe, desto bedrohlicher empfinden wir eine Situation. So wie die von Will Smith in „I Am Legend“. Da hat man es im Jahre 2009 endlich geschafft, den Krebs zu besiegen, in dem man das Masernvirus so manipuliert hat, dass es das Zellwachstum eindämmt. Aber irgendwas ist dabei schief gegangen, sonst säße Will Smith drei Jahre später nicht allein in Manhattan.
© Warner Bros. Ent.

Ein Szenario also, das in unserer Zeit, in der Wissenschaftler fleißig mit genmanipuliertem Material experimentieren, gar nicht so undenkbar erscheint. Und so streift Smith als Wissenschaftler Robert Neville mit seinem Schäferhund einsam durch die verlassenen und vermoosten Straßen des Big Apple, durch die verrotteten Häuserschluchten, die nur noch erahnen lassen, wie bunt einst die Leuchtreklamen am Times Square blinkten. In dieser skurrilen Umgebung springt nun Wild über den begrünten Asphalt, das Neville und seinem Tier Nahrung bringen könnte. Aber schon herrscht hier das Gesetz der Wildnis, und ein Rudel Löwen macht ihnen die Beute streitig.
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Wahnwitzige Utopie? Vielleicht. Doch hat Francis Lawrence („Constantine“) seine Untergangsphantasie so realistisch inszeniert, dass es geradezu verstörend ist. New York liegt in Schutt und Asche. Wo im Jahr 2008 nur die Twin Towers des World Trade Center in der Skyline von Manhattan fehlen, blecken in seiner Zukunftsvision die Baulücken wie im Gebiss eines Rentners. Die Brücken, die Manhattan einst mit dem Festland verbanden, hängen in Fetzen. Nur in Nevilles Heim am Washington Square scheint die Welt noch in Ordnung.
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Hier hat er sich mit seinem Hund Sam verbarrikadiert, hortet reichlich Nahrung, die er aus den verlassenen Häusern erbeutet hat. In kurz gefassten Rückblenden erfahren wir, dass Neville als Militär-Virologe verzweifelt versuchte, die Seuche einzudämmen, den Kampf jedoch verlor. Und wie er in letzter Sekunde versuchte, seine Frau (Salli Richardson) und sein Töchterchen Marley (gespielt von Smiths siebenjähriger Tochter Willow) noch in Sicherheit zu bringen – ebenfalls vergeblich.
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Außer ihm scheint niemand die weltweite Virusepidemie überlebt zu haben, zumindest nicht heil. Denn nachdem Regisseur Lawrence die Einsamkeit seines Helden in den morbiden Resten der Stadt am Hudson genüsslich ausgekostet hat, konfrontiert er die ohnehin schon verstörten Zuschauer damit, dass der Protagonist dort weniger allein ist, als einem lieb sein kann. Denn das Virus hat keineswegs die gesamte Bevölkerung dahingerafft. Reichlich Infizierte hausen noch an den dunklen und unübersichtlichen Stellen der Stadt und sind zu menschenfressenden Monstern mutiert. Zum Glück scheuen sie das Licht und gehen nur nachts auf die Jagd. Aber Neville muss sich vor ihnen in Acht nehmen, obwohl er immun gegen die Plage ist.
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Doch er macht auch Jagd auf die Aussätzigen. Denn im Kellerlaboratorium seines Domizils forscht der versessene Wissenschaftler fieberhaft nach einem Gegenmittel, um das biologische Gleichgewicht auf der Erde wieder herzustellen und vielleicht doch noch Leben zu ermöglichen. Das kann nicht lange gut gehen...
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Stilsicher und mit ganz reduzierten Mitteln erzeugt Lawrence in der ersten Stunde Spannung, ohne dabei auf billige Schockeffekte zu setzen. Durch den Verzicht auf musikalische Untermalung gerade in Angstmomenten steigert der Regisseur die Stille zu einer äußerst bedrückenden Atmosphäre. Die verrotteten Bauten sind von beängstigender Authentizität, und Will Smith, eigentlich nicht gerade ein Charakterschauspieler, liefert in dieser fabelhaften Kulisse eine überzeugende Ein-Mann-Show mit Hund.
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Da ist es sehr bedauerlich, dass die Infizierten, deren durchscheinende Haut und deren kannibalische Fressgelüste an sich schon gruselig genug wirken, auch noch mit aufgerissen Mündern herumlaufen und blecherne Drohgeräusche wie in einem billigen Vampirfilm ausstoßen müssen. Je mehr von ihnen aus den Löchern gekrochen kommen, desto mehr verliert die Darstellung an Glaubwürdigkeit.
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Dass dazu die letzte halbe Stunde zu einer großen Materialschlacht mit Erlöser-Überbau verkommt, in der dazu mancher Logikbruch stört, bewirkt ebenfalls Abzüge in der B-Note. Trotz dieser Schwächen ist Francis Lawrence mit seiner abgewandelten Neuauflage von „The Last Man On Earth“ (1964) und „Der Omega Mann“ (1971) ein innovativer und apokalyptischer Thriller gelungen, den wir dem „Constantine“-Regisseur gar nicht zugetraut hätten.
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01 09
