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Meinung Warum Cher uns allen ein Vorbild sein sollte

Pop-Ikone Cher
Cher beweist seit fast sechzig Jahren, was es braucht, um im Showbiz durchzuhalten - und zur Ikone zu werden.
© picture alliance, / Photoshot
Cher hat mit 76 Jahren nochmal die große Liebe gefunden – in Alexander Edwards einem 40 Jahre jüngerem Mann. Das große Glück, das sie ausstrahlt, könnte uns alle anstecken. Doch im Netz sind sie wieder: Diese Kommentare, die den Altersunterschied der beiden kritisieren und die Sängerin belächeln. Dabei sollte das Gegenteil der Fall sein, findet unser Autor, und erklärt, warum wir uns von Cher alle eine Scheibe abschneiden sollten.

von Vincent Nellessen

Chers Umgang mit dem Alter

Cher und Alexander Edwards
Cher zeigte sich am Silvesterabend super glücklich an der Seite ihres Freundes Alexander.
© Twitter, /cher

„Alles Gute zum 113. Geburtstag!“, spottet einer unter den Fotos der Pop-Ikone. „Stell dir vor, du bist so einsam, dass du dir von einem halb so alten Typen einen Ring kaufen lässt“, lästert eine andere. „Das ist einfach seltsam.“ Für Viele scheint Cher gerade das zu sein: Eine alte Frau, die mit dem Älterwerden große Schwierigkeiten hat und an der nichts mehr echt ist. Cher steht zu kosmetischen Eingriffen. Warum auch nicht?! Und wer Cher mal live in Action erlebt hat, weiß, dass sie mehr ist als Plastik: In Chers Körper steckt viel Arbeit.

2019 war ich mit einer Freundin auf einem Konzert der Sängerin in Köln und wir waren wirklich beide baff, was für eine Energie die immerhin 73-Jährige damals an den Tag, oder vielmehr den Abend, gelegt hat. „Die hat ja bessere Beine als ich“, fuhr es da aus meiner Freundin heraus. Sie war damals übrigens 28. Von dem Drive des außergewöhnlichen Konzerts gepackt, tanzten wir die Nacht durch. „Ich habe mein ganzes Leben daran gearbeitet, meinen Körper stark zu halten. Es gibt 20-jährige Mädels, die nicht machen können, was ich kann“, sagte Cher noch vor zwei Jahren selbstbewusst im Interview mit dem britischen „Guardian.“ Ist wohl was dran.

Ich erinnere mich noch gut daran, wie Cher 2013 bei Markus Lanz (53) auf der „Wetten dass..?!“-Couch ganz offen ausgesprochen hat, was sie vom Älterwerden hält: nichts. Ein erfrischend offener Umgang mit dem Thema, das mit der Sorge verknüpft ist, die Kontrolle über den eigenen Körper und das eigene Leben zu verlieren.

Lange leben ist ein großes Glück; es nach den eigenen Vorstellungen tun zu können, unbezahlbar. Selbstbestimmung ist das Zauberwort und genau darin sollten wir die Künstlerin als die Ikone ansehen, die sie ist.

Cher hat die Fashion revolutioniert

Cher bei der MET Gala 1974, bei der Oscarverleihung 1988 sowie bei den Billboard Awards 2017.
Nur drei von Chers unzähligen Mode-Momenten, die sie auch im Fashion-Bereich zur Ikone gemacht haben, v.l.n.r.: MET Gala 1974, Oscarverleihung 1988 und Billboard Awards 2017.
© Getty Images, picture alliance (2x)

Die 76-Jährige war ihrer Zeit schon immer voraus, Jahrzehnte bevor eine Lady Gaga (36) mit bizarren Schinken-Outfits oder Rihanna (36) mit nackten Brüsten auf dem Roten Teppich schockieren konnten. Noch vor Madonna (64)! Unvergessen etwa ihr durchsichtiges Kleid vom Roten Teppich der „MET Gala“ 1974 in New York City. Oder der Hauch von Nichts, in dem sie 1988 ihren Oscar als beste Schauspielerin entgegen nahm. Ihr Outfit im Musikvideo zu „If I Could Turn Back Time“ von 1989 sorgte dafür, dass MTV den Clip nach Protesten ins Abendprogramm verbannen musste.

Wenn sie die Zeit nochmal zurückdrehen könnte, würde Cher es sicher sofort tun. Als sie 2017 – mit immerhin 71 Jahren! – ihren Signature Look aus jenem Musikvideo nachstellte, waren Fans und Presse erneut baff. Cher hat neue Maßstäbe gesetzt und damit letztlich den Weg für nachkommende Generationen geebnet – und das Alter alt aussehen lassen.

Chers Musik hat so viel bewegt

Cher und Sonny Bono 1965
Cher und ihr damaliger Ehemann Sonny Bono legten Mitte der 60er-Jahre den Grundstein für ihre gemeinsame Karriere, die sie zum erfolgreichsten Künstlerehepaar machte.
© picture alliance, Keystone

Seit ihrem ersten Song vor fast sechzig Jahren („I Got You Babe“ mit ihrem damaligen Ehemann Sonny Bono, 1965) hat Cher den Stil ihrer Werke geändert wie ihre Outfits. Von folkloristischem Pop („Bang Bang (My Baby Shot Me Down), 1966) über Disco-Sounds („Take Me Home“, 1979) und Rock („Just Like Jessie James“, 1989) war alles dabei. Mein Tipp: „Hell On Wheels“ von 1979 hören und einen Selbstbewusstseins-Boost bekommen.

Lange vor „#MeToo“ und dem offenen Umgang mit Diskriminierungen war es Cher, die 1973 mit „Half-Breed“ über die Ausgrenzungen gesungen hat, die sie als Tochter eines weißen Vaters und einer Mutter mit Cherokee-Wurzeln erlebt hat. Übersetzt singt sie in dem Nummer 1-Hit: „Halbblut, das war alles was ich je hörte // Halbblut, wie ich lernte das Wort zu hassen // Beide Seiten waren seit dem Tag meiner Geburt gegen mich“.

1998 legte sie mit ihrem Welt-Hit „Believe“ erneut einen Meilenstein für die Musikgeschichte . Nicht nur dass sie mit 52 Jahren zur meistgespielten Künstlerin in Discos und Clubs gekürt wurde. Über ihren Gebrauch des damals noch neuen „Auto-Tune“ wurde viel gelästert. Rückblickend war sie eine Vorreiterin, in den folgenden Jahren nutzten zahlreiche Künstler und Künstlerinnen den Effekt – bis heute.

Ihr Selbstbewusstsein

Cher bei den CFDA Fashion Awards im November 2022 in New York City.
Cher lebt ihr Leben, wie es ihr gefällt.
© picture alliance, NDZ/STAR MAX/IPx

Als „Goddess of Pop“, die „Göttin des Pop“, wird die 76-Jährige gerne beschrieben. Ihrem Tun wird der Beginn weiblicher Eigenständigkeit und Selbstverwirklichung im Showbiz zugeschrieben. Berühmt ist ihre Antwort auf die Aussage ihrer Mutter Georgia Holt (†96), sie sollte einen reichen Mann heiraten: „Mutter, ich bin ein reicher Mann.“

Natürlich ist auch eine Ikone nicht fehlerfrei. Aber ist es wirklich ein Fehler, das Glück einer neuen Liebe zu teilen? „Wirst du auf deine alten Tage noch verzweifelt?“, fragte eine Followerin bei Twitter gehässig zu den Pärchen-Fotos. Von „verwöhnter, selbstsüchtiger und kindlicher Aufmerksamkeitshascherei“ schreibt ein weiterer und wirft der 76-Jährigen vor, „ihrer verlorenen Jugend“ hinterher zu trauern. Cher jucken solche Kommentare nicht. Im November watschte sie solche in der „The Kelly Clarkson Show“ mit einem einfachen Kommentar ab. „Auf dem Papier sieht es irgendwie lächerlich aus“, scherzte sie. „Aber im echten Leben kommen wir großartig miteinander aus.“ Und genau darauf kommt es doch an, oder?

Vorbild für alle

Noch mehr Argumente gefällig, warum wir uns alle eine Scheibe bei Cher abschneiden sollten? Ich gönne ihr jedenfalls ihren Erfolg und ihre neue Liebe sehr. You go girl!

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