'Voll abgezockt': Filmkritik

4 von 5 Punkten
Sie ist selbstironisch, beweist Mut zur Hässlichkeit, und Size Zero ist für sie ein Fremdwort: Melissa McCarthy ist wahrlich nicht die klassische Hollywood-Beauty, dennoch legt die Schauspielerin derzeit ein Tempo hin, von der so manche Promi-Dame seit Jahren träumt. Seit ihrer Rolle in der Komödie ‚Brautalarm‘, die ihr auch eine Oscar-Nominierung einbrachte, hat die 42-Jährige einen festen Platz im Comedy-Olymp. Auch ihre neue Rolle in dem Streifen ‚Voll abgezockt‘ ist der quirligen Naturgewalt wie auf den Leib geschrieben. Mit Sympathieträger Jason Bateman hat sie den perfekten Filmpartner gefunden.
Der spielt den braven Bürger Sandy Bigelow Patterson: Er ist glücklich verheiratet, hat zwei entzückende Kinder und durch seinen neuen Job, der ihm 250.000 Dollar im Jahr einbringen soll, keine finanziellen Sorgen mehr. Auch Diana (Melissa McCarthy) führt ein Leben in Saus und Braus. Sie ist eine Geldvernichtungsanlange in Person und haut während ihrer hemmungslosen Shopping -Trips schon mal mehrere tausend Dollar auf den Kopf. Alles schön und gut, hätte ihr Luxusleben nicht einen kleinen Haken: Es ist nicht ihr Geld, das die Kreditkarten zum Glühen bringt, sondern das von Menschen, deren Identität sie stiehlt.
Es kommt, wie es kommen muss: Ausgerechnet Sandy – wie praktisch mit seinem geschlechtsneutralen Namen – wird Opfer des knallbunten Hurrikans. Doch Diana ist nicht nur sein finanzieller Ruin, sie begeht unter seinem Namen auch diverse Straftaten, die Sandy sogar bis auf die Polizeiwache bringen. Dort kommen die örtlichen Polizisten dem Betrug zwar auf die Schliche, allerdings sind ihnen die Hände gebunden. Weil sich die Straftaten in einem anderen Bundesstaat ereignet haben, können sie Diana nicht festnehmen. Sandy sieht keinen anderen Ausweg, als sich selbst auf die Suche nach Diana zu machen. Die gerissene Betrügerin ist zwar schnell gefunden, doch die Auslieferung erweist sich schwieriger als gedacht. Über 3.000 Meilen müssen die beiden von Florida nach Denver zurücklegen. Die Irrfahrt spitzt sich zu, als sich zwei Killer und ein Kopfgeldjäger an die Fersen der beiden heften.
Gelungen trotz kleinerer Schwächen

Erfolgs-Regisseur Seth Gordon (‚Kill the Boss‘) hat für die Komödie ‘Voll abgezockt’, die aus der Feder von ‚Hangover 2‘-Autor Craig Mazin stammt, das perfekte Leinwand-Duo gecastet. Melissa McCarthy ist die ideale Besetzung für die Rolle der durchgedrehten, schlagkräftigen Diana, die Scherze auf ihre eigenen Kosten einstecken kann. Sie ist laut, bunt und wie ein Flummi auf der Leinwand – das komplette Gegenteil von Jason Bateman, der den ruhigen, charismatischen und herzlichen Finanz-Buchhalter Sandy ganz zurückhaltend verkörpert.
Auch wenn von Anfang an klar ist, dass sich zwischen den zwei Protagonisten – so unterschiedlich sie auch sind – eine Freundschaft entwickeln wird, macht es dennoch Spaß, die beiden auf ihrem Weg dahin zu begleiten. Allerdings gibt es auch einige Kritikpunkte. Die Erlebnisse während ihres Road Trips sind zugegebenermaßen sehr überdreht, viele Geschehnisse sind unlogisch, und das Drehbuch strotzt nicht gerade vor Genialität. Doch McCarthy und Bateman schaffen es, die Absurditäten des Films mit ihrem Schauspiel vergessen zu lassen. Die schrille Komödie bekommt durch die sentimentalen Filmszenen gegen Ende eine zusätzliche Facette, in denen die Überfliegerin McCarthy mit Bravour den Spagat zwischen der abgebrühten und aufmüpfigen Wahnsinnigen und der sensiblen und verletzlichen Frau meistert. Bei diesem Anblick wünscht man sich, die Schauspielerin auch mal in anderen Rollen auf der Leinwand zu sehen – das Talent dazu hätte sie allemal.
Von Alexandra Mölgen
Bildquelle: Universal