Die Journaille auf der Leinwand
von Mireilla Zirpins
In Woody Allens „Scoop“ (Kinostart: 16. November 2006) spielt Scarlett Johansson eine Möchtegern-Journalistin, die sich in einer der ersten Szenen der Komödie von dem Regisseur flachlegen lässt, den sie eigentlich für ihre Studi-Zeitung in einem Nobel-Hotel befragen wollte. „Und wie war er im Bett?“ fragt ihre britische Freundin die Journalismus-Studentin aus der US-Provinz. Und Scarlett Johansson antwortet frustriert: „Ich hab das Interview nicht gekriegt.“
Da kann es den Zuschauer auch nicht mehr schocken, dass die Pseudo-Investigativreporterin sämtliche heißen Spuren zu ihrem Sensations-Scoop (daher natürlich der Titel) vom Geist eines verstorbenen Kollegen eingeflüstert bekommt und sich in sackförmigen Schlabberklamotten aufmacht, um auch mit dem Hauptverdächtigen (immerhin Hugh Jackman) zu schlafen und sich so Zugang zu seinem Haus zu verschaffen.
Was soll das für ein Licht auf uns Menschen von der schreibenden Zunft werfen? Immer schlecht angezogen, zu blöd, eine Geschichte gescheit zu recherchieren und allzeit bereit, zumindest körperlich vollen Einsatz zu zeigen? Komisch, dass ein Traumberuf vieler junger Menschen im Medium Film so schlecht wegkommt.
Kein Tag ohne Schlagzeilen über Tomkat, wie Tom Cruise und seine blutjunge Freundin Katie Holmes in der Presse genannt werden. Seinen Vertrag mit Paramount hat der Schauspieler mit dem aufgesetzten Blendax-Lächeln schon verloren, weil den Studiobossen die emotionalen Ausbrüche ihres Stars auf Talkshow-Sofas zu peinlich wurden und die Scientology-Allüren des Schauspielers offenbar nicht nur dem Publikum auf den Geist gehen.
Streep mimt Miranda Priestly, einflussreichste Chefredakteurin des US-Modemagazins „Runway“ und das, was man einen echten Drachen nennt. Nicht nur ihre Angestellten kuschen vor ihr, auch die größten Modedesigner der Welt tanzen nach ihrer Pfeife. Kein Wunder, dass die herrische Lady, die in herrischem Imponiergehabe jeden Mann schlägt, eine Assistentin nach der anderen verschleißt.
Wenn die Leinwand-Blattmacher mal was zu Papier bringen, haben sie Ewigkeiten Zeit für Hintergrundrecherchen wie Kate Hudson als Lifestyle-Redakteurin in „Wie werde ich ihn los in zehn Tagen“ (USA 2003). Sie will eine Glosse darüber verfassen, dass Frauen mit geschlechtstypischen Verhaltensmustern jeden Kerl binnen kürzester Zeit in die Flucht schlagen. Engagiert wie sie ist, opfert sie sich gleich für einen Selbstversuch und schleppt Matthew McConaughey ab, um ihn systematisch zu vergraulen, womit wir wieder beim Ausgangspunkt des schreibenden Flittchens wären. Wir stellen fest: Die hübsch gestylten Film-Journalistinnen sind auch keinen Deut besser.
Aber keine Sorge: Auch die Herren der Schöpfung treiben es im Film schon mal wild, wenn sie von der Presse sind. Marcello Mastroianni sorgte 1961 für einen handfesten Skandal, als er in Fellinis „La dolce vita“ als frustrierter Klatschreporter nach dem Selbstmord seiner Partnerin lustlos von Party und Party streift, dem süßen Nichtstun frönt und dazu noch im Trevi-Brunnen mit dem Filmsternchen Silvia (Anita Ekberg) anbandelt.
Heutzutage haben die Reporter jedoch, wenn sie Männer sind, meist alle Hände voll zu tun – wie George Clooney als Edel-Feder in „Tage wie dieser“ (USA 1996). Immer ein Handy am Ohr, stets im Terminstress – und trotzdem bei den Frauen sehr begehrt. Doch hier dient die Partnersuche nicht einer journalistischen Story, die in der Komödie so gut wie keine Rolle spielt. Der geschiedene Vater muss vor allem ausnahmsweise mal auf seinen Nachwuchs aufpassen und dabei immer wieder Michelle Pfeiffer über den Weg laufen, damit die beiden ein Paar werden – vermutlich wird sie dann später die Kinder hüten.
Und wie ein guter Cop recherchieren die männlichen Schreiberlinge selbst weiter, wenn sie schon längst gefeuert sind. So wie Richard Gere in „Die Braut, die sich nicht traut“ (USA 1999). Er verliert seinen Kolumnisten-Posten, weil er Schmäh über Julia Roberts ausgoss, die schon zum dritten Mal vor dem Traualtar die Flucht ergriff, ohne vorher die Fakten zu checken. Empört, weil er nichts anderes tat als zahlreiche Revolverblättchen-Redakteure täglich auch, zieht der arbeitslose Schreiberling aus, um der Menschheit zu zeigen, dass auch er die Vor-Ort-Recherche beherrscht, und wenn er notfalls die Frau selbst in den Hafen der Ehe führen muss.
Doch manchmal geht es auch auch anders, sogar bei den Damen: Cate Blanchett spielt in dem Film „Die Journalistin“ (USA 2003) eine Frau, die mit ihren unerbittlichen Schnüffeleien zahlreiche irische Unterwelt-Größen in den Knast brachte und dafür mit dem Leben bezahlen muss. Tja, das liegt wohl vor allem daran, dass die Story auf wahren Ereignissen basiert. Darüber, dass die echte Veronica Guerin in Irland fast wie ein Märtyrerin verehrt wurde, obwohl ihre journalistischen Methoden recht zweifelhaft waren, reden wir gar nicht. Immerhin darf hier eine Frau mal mehr zeigen, als dass die graue Maus von Redaktionsassistentin ohne Brille wesentlich sexier aussieht.
Sind schreibende Frauen die Hauptfiguren, wurden die Geschichte schon seit langem gern komödiantisch inszeniert wie in „Sein Mädchen für besondere Fälle“ (USA 1940) mit Rosalind Russell, einem Remake der Screwball-Comedy „The Front Page“ (1931) mit vertauschten Geschlechter-Rollen. Im zweiten Weltkrieg wurden aufgrund des Mangels an Arbeitskräften mehr Frauen als Zeitungsredakteurinnen eingestellt – und nach der Heimkehr der Soldaten auch wieder entlassen.
Kein Wunder also, dass Berichterstatterinnen auch in den folgenden Jahrzehnten auf der Leinwand eher rar gesät sein werden. Die alte Geschichte aus „Sein Mädchen für besondere Fälle“ von der Journalistin, die für die Ehe ihren Beruf aufgeben will und von ihrem Ex-Mann und Chefredakteur zu einer letzten weltverändernden Story überredet wird, die ihr die Lust am Metier und am Ex zurückbringt, empfand man offenbar auch im Jahr 1987 noch so aktuell, dass man sie mit Kathleen Turner, Burt Reynolds und Christopher Reeve in den Hauptrollen noch mal neu auflegte. Der deutsche Verleihtitel von „Switching Channels“ spricht Bände: „Eine Frau steht ihren Mann“.
Vor allem der Enthüllungsjournalismus ist im Film ansonsten nämlich noch mehr Männerdomäne als in Wirklichkeit. Eine löbliche Ausnahme bildet Jane Fonda in den frauenbewegten 1970ern als Fernsehreporterin, die in „Das China Syndrom“ (USA 1978) unerschrocken der Atomlobby die Stirn bietet, als die die Ausstrahlung ihres Berichts über einen Reaktorunfall verhindern will.
Auch in George Clooneys „Good Night, And Good Luck“ (USA 2006), in dem er dem engagierten Anchorman Edward R. Murrow ein Denkmal setzte, ist das Fernsehmachen in den 1950er Jahren eine männlich dominierte Welt. Aber hier ist es anders herum. Die Guten werden bestraft, weil sie ihr Handwerk gelernt haben und nicht bereit sind, auf Wahrheitssuche und ausgewogene Berichterstattung zu verzichten, nur weil ein Senator McCarthy das will. Dass Clooney in seinem Plädoyer für die Pressefreiheit seinen Protagonisten nicht heroisiert, ist eine rühmliche Ausnahme.
Denn natürlich gibt es weiterhin die schreibenden Helden auf der Leinwand, die auch im Kugelhagel unerschrocken um objektive Berichterstattung bemüht sind und dabei noch Menschenleben retten – wie beispielsweise Stephen Dillane in Michael Winterbottoms Balkankrieg-Film „Welcome To Sarajevo“ aus dem Jahr 1998. Der Regisseur zeigt, wie aus dem Beobachtenden ein Handelnder wird, der damit die Rolle übernimmt, die eigentlich Soldaten, Politikern oder internationalen Hilfstruppen zukäme.
Auch Philip Noyce zeigt in seinem Drama „Der stille Amerikaner“ (2003) sehr eindrucksvoll, wie Michael Caine als britischer Auslandskorrespondent im Vietnam des Jahres 1952 kurz vor Ausbruch des Krieges bitter erfahren muss, dass er als Journalist seine unparteiische Haltung aufgeben muss.
Der Journalist, der Partei ergreift, weil er merkt, dass er Teil des sozialen und politischen Systems ist und sich nicht mehr heraushalten kann, war ein bestimmendes Thema im politisch engagierten Kino der 1970er Jahre. Bestes Beispiel ist Alan J. Pakulas Thriller „Die Unbestechlichen“, der im Jahr 1976 die Watergate-Affäre nachzeichnet und die beiden integren Journalisten Robert Woodward und Carl Bernstein in den Vordergrund stellt, die durch unbeirrte Recherchen in höchsten Regierungskreisen den Stein ins Rollen brachten.
Entwickelt sich in 1970er Jahren das Idealbild des investigativ arbeitenden und politische Verstrickungen aufdeckenden Reporters, das bis heute das Berufsvorbild vieler angehender Journalisten beschränkt, hatten die Zeitungsmacher in den Filmen der 1930er und 1940er Jahren noch mehr Gemeinsamkeiten mit den Privatdetektiven der schwarzen Serie. Auch damals schon rauchte der gemeine Medienvertreter wie ein Schlot, fiel negativ auf durch zerknitterte Anzüge, trank gern und zu viel und musste ebenso wie Cop oder Privatschnüffler auf ein intaktes Familienleben verzichten.
Ist also das Kino mit daran Schuld, dass die Profession schon seit langem unter Imageproblemen leidet? Das findet Professor Matthew C. Ehrlich nicht. Er war selbst früher Reporter und ist nun Journalistik-Professor an der Universität von Illinois und Autor des Buches „Journalism In The Movies“. Seines Erachtens enthalten viele filmische Negativdarstellungen “moralische Warnungen, was schiefgehen kann, wenn wir unsere Ideale aus dem Blick verlieren.”
Kritisch beleuchtet werden vor allem die Praktiken der Klatschreporter. In Billy Wilders „Reporter des Satans“ spielt Kirk Douglas einen ebenso versoffenen wie skrupellosen Schmierenschreiber, der für eine gute Story über Leichen geht. Bei einem Bergwerkeinsturz behindert er die Rettungsarbeiten, um die Geschichte größer aufbauschen zu können.
Die Boulevard-Schreiberlinge von der BILD-Zeitung nimmt auch Volker Schlöndorff in seiner Böll-Verfilmung „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ ins Visier. Die sensationsgeile Journaille treibt zusammen mit Polizei und Justiz die Protagonistin in den Tod, die nach einem One-Night-Stand mit einem jungen Mann als Terroristen-Sympathisantin gebrandmarkt wird. Die schäbigen Ermittlungs-Tricks der Yellow Press werden hier schonungslos vorgeführt.
Seit den 1990er Jahren bildet sich als neue Gattung der Medienfilm heraus, in denen der Journalist als Einzelkämpfer für die Wahrheit kaum noch eine Rolle spielt. Wenn doch, basiert die Geschichte oft auf einer wahren Begebenheit wie Michael Manns Tabaklobby-Thriller „Insider“ (USA 1999) oder Clooneys bereits erwähntes Drama „Good Night, And Good Luck“. In Oliver Stones „Nixon“ aus dem Jahr 1996 ist die Titelfigur die zentrale Person in der Watergate-Affäre und nicht wie 20 Jahre zuvor in „Die Unbestechlichen“ die beiden Journalisten, die ihn mit ihrer Berichterstattung zu Fall bringen.
Überhaupt dominieren nun oberflächlich gezeichnete Reporter vom Typ Katie Holmes in „Thank You For Smoking“, Angelina Jolies rasende platinblonde Reporterin aus dem flachen Streifen „Leben oder so ähnlich“ oder Michael Keatons Boulevard-Workaholic aus der Komödie „Schlagzeilen“ (USA 1994). Eins ist ihnen gemeinsam: Immer seltener und immer halbherziger werden heute Professionalität oder Berufsethos thematisiert. Ganz im Gegenteil: So mancher Film lässt die Zuschauer glauben, dass jeder zum Journalisten werden kann, wenn er nur eine hübsche Idee für eine Story hat.
So darf die unbedarfte Publizistik-Studentin Scarlett Johansson in „Scoop“ natürlich am Ende einen Artikel in einem renommierten Blatt veröffentlichen, obwohl wir zwei Stunden lang Zeugen davon wurden, dass sie an der Uni nicht besonders gut aufgepasst haben kann. In „Almost Famous“ (USA 2001) geht ein 15-Jähriger mit einer aufstrebenden Rockband auf Tournee, um eine Reportage für das renommierte Musikmagazin „Rolling Stone“ zu schreiben. Die einzige, die das seltsam findet, ist seine Filmmutter.