Will man Natascha Kampuschs Schicksal wirklich auf der Leinwand sehen? Bernd Eichinger (“Der Baader Meinhof Komplex“, “Der Untergang“, “Das Parfum“) glaubt schon und will die Geschichte ihrer Entführung in die Kinos bringen. “Ich weiß es sehr zu schätzen, dass Natascha Kampusch uns das Vertrauen entgegenbringt, ihre Geschichte zu verfilmen,“ zitiert ’Constantin-Film’ Bernd Eichinger in einer Pressemeldung. Und was sagt Kampusch selbst dazu? “Viele einfühlsame Zusendungen der letzten Jahre haben mich dazu bewegt, mein Schicksal verfilmen zu lassen“, erklärte Natascha Kampusch. Die junge Österreicherin wurde als Zehnjährige auf dem Schulweg gekidnappt und acht Jahre lang von ihrem Peiniger in einem Verlies gefangen gehalten.
Ist es nicht noch viel gruseliger, wenn man im Kino weiß, dass die auf der Leinwand gezeigten Verbrechen wirklich passiert sind? So wie im Film “Tannöd“. Der brutale Sechsfachmord an einer Familie mitsamt Kindern und Magd ereignete sich im Jahr 1922 wurde auf dem abgelegenen Hof Hinterkaifeck in Oberbayern. Das Interesse an dem ungelösten Fall ist auch heute noch groß, nicht zuletzt seit dem Bestseller “Tannöd“ von Andrea Maria Schenkel. Einziger Lichtblick für die Zuschauer: Der Mörder dürfte nicht mehr frei herumlaufen, weil’s schon so lange her ist.
Auch Armin Meiwes, besser bekannt als „Kannibale von Rotenburg“ war nicht angetan, dass man seine Geschichte verfilmt, unterlag aber vor Gericht gegen den Filmverleih. Meiwes hatte 2001 den Diplom-Ingenieur Bernd Jürgen Armando Brandes geradezu geschlachtet und nach und nach verspeist - angeblich mit Zustimmung seines Opfers. Bizarrerweise hatte Meiwes vor der Schlachtung den Penis seines Opfers abgetrennt, gekocht und gemeinsam mit Brandes verspeist. Das kann man sich jetzt mit ziemlich ekligen Details auch auf DVD ansehen - “Rohtenburg“ mit Thomas Kretschmann in der Hauptrolle.
Dieses Hochzeitsidyll währt nicht lang. Denn im Film “Ein mutiger Weg“ muss Angelina Jolie bald auf ihren Filmehemann verzichtet. Sie spielt die Journalistin Mariane Pearl, deren Gatte Danny (Dan Futterman) als Auslandskorrespondent in Pakistan von Al-Qaida-Kämpfern entführt wird. Sie harrt hochschwanger der Dinge und nimmt es schließlich selbst in die Hand, Hilfe zu organisieren, weil die US-Behörden lahm sind. Doch dann erfährt sie durch ein Video der Täter, dass ihr Mann vor laufender Kamera enthauptet wurde. Die Story kommt ihnen bekannt vor? Kein Wunder. Sie basiert nämlich auf einer wahren Geschichte, die sich im Jahr 2002 ereignete. Aber Michael Winterbottom ist nicht der einzige, der historisch verbürgte Gewalttaten auf die Leinwand bringt. Verfilmte Verbrechen liegen im Trend.
Ende der Sechziger bis Mitte der Siebziger trieb ein Serienkiller im Raum San Francisco sein Unwesen. „Zodiac“ – wie er sich selbst nannte – lauerte jahrelang jungen Pärchen auf Parkplätzen auf und tötete zahlreiche Menschen. Der Unbekannte sandte jahrelang verschlüsselte Botschaften an die führenden Tageszeitungen und hielt die Ermittler mit seinen geheimnisvollen Nachrichten in Atem. Regisseur David Fincher ließ sich von der Geschichte des Serienmörders inspirieren und verfilmte mit Stars wie Jake Gyllenhaal, Mark Ruffallo und Robert Downey Jr. den ungeklärten Fall „Zodiac“, der nicht der erste wahre Kriminalfall, der es auf die Kinoleinwand geschafft hätte.
Der Kriminalfilm von Brian de Palmas Thriller „Die schwarze Dahlie“, in dem Hollywood-Stars wie Scarlett Johansson, Josh Hartnett und Hilary Swank mitwirken, basiert auf einem wahren Verbrechen. Im Hollywood der 1940er Jahre wurde die Möchtegern-Schauspielerin Elizabeth Short bestialisch zerstückelt aufgefunden. Der Killer hatte die junge Frau an der Hüfte in zwei Teile getrennt, ihre Organe ausgeweidet und ihren Mund bis hinter beide Ohren aufgeschlitzt. Bis heute wurde dieser Fall nicht aufgeklärt. Short wurde unter dem Namen „die schwarze Dahlie“ bekannt, weil sie sich gern von Kopf bis Fuß in Schwarz kleidete und ihr Markenzeichen eine Blume im Haar war.
Auch das US-amerikanische Drama „Hollywoodland“, basiert auf einem unaufgeklärten Mordfall. 1959 wurde Superman-TV-Darsteller George Reeves erschossen in seinem Haus aufgefunden. Mord oder Selbstmord? Das findet im Film auch Adrien Brody als Privatdetektiv Louis Simo nicht heraus, den Reeves’ Mutter anheuert, um den mysteriösen Mord an ihrem Sohn (gespielt von Ben Affleck) aufzuklären.
Auch Buffalo Bill, der Killer in dem Schocker „Das Schweigen der Lämmer“, hat ein reales Vorbild: Ed Gein war ein Serienmörder aus dem US-Bundesstaat Wisconsin, der mindestens zwei Frauen tötete, Gräber schändete und sich aus den Leichenteilen und abgezogener Haut Kleidungsstücke, Sesselbezüge und Masken fertigte. Als Polizisten im Jahr 1957 Geins Farmhaus untersuchten, fanden sie den ausgeweideten Körper einer Frau so wie mehrere andere Leichenteile und Gesichtsmasken. Nun scheint klar zu sein, wer für die bizarre Leichenschau in Buffalo Bills Keller Modell stand.
Auch Alfred Hitchcocks legendärer Filmbösewicht Norman Bates aus „Psycho“ ist vom Serienkiller Ed Gein inspiriert. Was den realen und den fiktiven Psychopathen verbindet: eine krankhafte Fixierung auf die eigene Mutter. Norman Bates konserviert den Körper seiner toten Mama, imitiert ihre Stimme, zieht die Kleider der Verstorbenen an und lässt sie als Frauenmörderin wieder auferstehen. Auch der wahre Gein soll erst nach dem Tod der Mutter, von der der Junggeselle emotional abhängig war, zum Killer geworden sein. Der Film „Psycho“ basiert übrigens auf einer Novelle von Robert Bloch. Dieser wohnte 1957, in dem Jahr als Ed Gein verhaftet wurde, in derselben Stadt wie der Mörder. Der Schriftsteller wollte deshalb die Geschichte eines harmlosen Nachbarn erzählen, der sich als bestialischer Killer entpuppt. Dass der Stoff immer noch fasziniert, zeigt Gus Van Sants „Psycho“- Remake von 1998.
Der 1974 erschienene US-Horrorfilm „The Texas Chainsaw Massacre“ („Blutgericht in Texas“) hat längst Kultstatus. Er erzählt die Geschichte von fünf jungen Menschen, die in die Fänge einer hinterwäldlerischen Kannibalensippe in Texas geraten. Leatherface, der besonders blutrünstig ist, erlegt seine Opfer vorzugsweise mit dem Vorschlaghammer und zerteilt sie anschließend mit einer Kettensäge, damit sie besser in den Kochtopf passen. Auch dieser blutrünstige Streifen basiert auf den Gräueltaten des US-amerikanischen Serienmörders Ed Gein. Als dieser in seinem Farmhaus in Wisconsin verhaftet wurde, fand man auf seinem Herd eine Pfanne, in der ein menschliches Herz briet. Das Menschenfresser-Blutfest hat offenbar nichts von seiner Faszination eingebüßt, wie„Michael Bay’s Texas Chainsaw Massacre“, ein Remake aus dem Jahr 2003, beweist.
Regisseur Spike Lee nahm sich in seinem Film „Summer of Sam“ aus dem Jahr 1999 ebenfalls einen realen Serienkiller zum Vorbild: David Berkowitz, auch bekannt als „Son of Sam“. Dieser trieb in New York City in den Jahren 1976 und 1977 sein Unwesen, tötete sechs Menschen und verletzte sechs weitere. So auch in Lees Adaption. Zunächst verdächtigt die Polizei Ritchie, einen Punk, den in der Leinwandadaption Adrien Brody verkörpert. Warum Berkowitz als „Son of Sam“ bekannt wurde? Der Killer erzählte bei seiner Verhaftung, dass ein Hund namens Sam ihm die Taten befohlen hatte.
Charlize Theron spielt in dem US-amerikanischen Film „Monster“ von 2003 die Prostituierte Aileen Wournos. Als einer ihrer Freier sie angreift, erschießt Wournos ihn in Notwehr. Die lesbische Professionelle, die dieses traumatische Erlebnis nicht verarbeiten kann, tötet danach bis zu ihrer Verhaftung sechs weitere Freier. Auch „Monster“ basiert auf einer wahren Geschichte. Die echte Aileen Wournos ermordete am 30. November 1989 den Ladenbesitzer Richard Mallory aus dem US-Bundesstaat Florida. Fünf weitere Morde konnten ihr nachgewiesen werden. Aileen Wournos wurde zum Tode verurteilt und am 9. Oktober 2002 in Florida hingerichtet. Charlize Theron erhielt für ihre Darstellung der Serienmörderin einen Oscar.
Der Tod des ehemaligen Rolling Stones-Gitarristen Brian Jones gab Anlass zu Spekulationen: Ist der 27-Jährige, der im Jahr 1969 tot in seinem Swimmingpool aufgefunden wurde, im Drogenrausch ertrunken oder wurde er umgebracht? Diese Spekulationen nährte der Bauarbeiter James Thorogood, der auf seinem Totenbett 1993 gestanden haben soll, Jones getötet zu haben. Auch wenn Experten das alles für äußerst dubios halten, inspirierte der mysteriöse Tod des Ex-Rolling-Stones schon Terry Rawling zu seinem Buch „Brian Jones – Who Killed Christopher Robin“ und Stephen Wooley zu dem Film „Stoned“, der 2006 in die deutschen Kinos kam.
Wie ist Ex-Präsident John F. Kennedy wirklich gestorben? Wurde er tatsächlich von dem fanatischen Einzeltäter Lee Harvey Oswald niedergestreckt? Oder steckten die US-Regierung und das FBI dahinter? Noch heute kursieren viele Verschwörungstheorien um den Tod des populären US-amerikanischen Präsidenten im Jahr 1963. Ein Film, der die Zweifel an der offiziellen Version von Kennedys Tod präsentiert, ist Oliver Stones Werk „JFK – Tatort Dallas“ aus dem Jahr 1991. Dort zeichnet Stone die Ermittlungen von Jim Garrison, dem früheren Bezirksstaatsanwalt von New Orleans, nach, die drei Jahre nach der Ermordung Kennedys begannen. Garrison, im Film verkörpert von Kevin Costner, präsentiert eine Theorie, die die Tat mehrerer Schützen zugrunde legt und wirft Fragen auf, die auch heute noch gestellt werden: Wer tötete ihn wirklich? Wer profitierte davon? Und: Wer hat die Macht, ein solches Verbrechen zu verschleiern?
Den Marktwert, der in spektakulären Verbrechen steckt, erkannte der US-amerikanische Schriftsteller Truman Capote bereits Ende der 1950er Jahre. Fasziniert von einem brutalen Raubüberfall, bei dem eine vierköpfige Farmersfamilie getötet wurde, begab sich der Literat an den Tatort Kansas, um eine Zeitungsreportage über den Mordfall zu schreiben. Doch aus der News-Story soll Jahre später der Roman „Kaltblütig“ werden, Capotes erfolgreichstes Werk. Für seine Recherche nimmt der Schriftsteller Kontakt zu den beiden Mördern, Perry Smith und Dick Hickock, auf. Bennett Miller verfilmte die Entstehungsgeschichte des Romans „Kaltblütig“ und somit auch die Geschichte des Mords an der Familie Clutter in dem Streifen „Capote“. Der Film, der Anfang 2006 in die deutschen Kinos kam, zeigt, wie berechnend der Schriftsteller die Mörder Smith und Hickock letztlich für seinen eigenen Ruhm missbraucht.
Auch Attentate mit terroristischem Hintergrund haben es in letzter Zeit auf die Leinwand geschafft. Ein Beispiel ist Steven Spielbergs Polit-Thriller „München“ aus dem Jahr 2005. Der Streifen setzt sich mit der Entführung und Ermordung von elf israelischen Sportlern bei den Olympischen Spielen 1972 in München durch die palästinensische Terrorgruppe „Schwarzer September“ auseinander. Spielberg erzählt die Geschichte eines fünfköpfigen Spezialkommandos des Geheimdienstes Mossad, das von der israelischen Regierung dafür eingesetzt wird, die Attentäter von München ausfindig zu machen und zu töten. Die Abgrenzung von Fakten und Fiktion ist in „München“ nicht immer klar zu ziehen: So werden fiktive und reale Szenen, zum Beispiel echte Nachrichtenbilder aus der Zeit, aneinander montiert.
Weniger als fünf Jahre nach den Attentaten vom 11. September 2001 kam mit „Flug 93“ der erste Film in die Kinos, der sich mit den Ereignissen dieses Tages auseinandersetzt. Regisseur Paul Greengrass erzählt die wahre Geschichte des United Airlines Flugs mit der Nummer 93, der am 11. September von Al-Qaida-Terroristen entführt wird. Im Zentrum der Handlung stehen die Passagiere des Flugs, die die Todespiloten überwältigten und das Flugzeug so über einem Feld in Pennsylvania zum Absturz brachten bevor es in sein eigentliches Ziel rasen konnte. Paul Greengrass inszenierte den Film nicht mit „echten“ Schauspielern, sondern mit Zeitzeugen und Fluglotsen. Ein weiteres Mittel, mit dem der Regisseur den Film besonders authentisch machen wollte, ist die weitgehend auf Improvisation basierende Handlung: So sollte der Zuschauer das Gefühl bekommen, mitten im Geschehen zu sein. Viele US-amerikanische Kinos nahmen den Trailer zu „Flug 93“ aus dem Programm, weil Zuschauer weinend aus den Kinosälen liefen und auch Rufe laut wurden, dass es für solch einen Film „zu früh“ sei.
Auch Oliver Stone thematisiert in „World Trade Center“, der bei der 63. Biennale in Venedig gezeigt wurde, die Ereignisse vom 11. September 2001. Stone baut seinen Film auf der wahren Geschichte der New Yorker Polizisten John McLoughlin und William Jimeno auf, die bei einem Rettungseinsatz am World Trade Center unter den Trümmern des ersten Turmes verschüttet wurden. Nach stundenlangen Qualen waren Jimeno und McLoughlin unter den letzten von insgesamt 20 Überlebenden, die aus den Trümmern der Zwillingstürme gerettet worden sind. Stone wählt einen sehr persönlichen Blickwinkel auf die Ereignisse aus der Sicht der beiden Polizisten und ihrer Familien. Bestürzende Bilder von Menschen, die aus dem brennenden Hochhausturm springen, während Schutt und Asche vom Himmel auf die Flüchtenden regnen, lassen Erinnerungen an die Nachrichtenbilder dieses schicksalsreichen Tages wach werden. Und das wird sicher nicht der letzte Film sein, der diesen Fall behandelt, der auch nach wie vor weltweit Kriminologen und Geheimdienste beschäftigt.