Tim Bendzko im exklusiven Interview (Teil 2)

"Warte so lange bis die Songs reif für die Öffentlichkeit sind"
Als 16-Jähriger hast du die ersten Lieder geschrieben, aber erst mit 26 die erste CD veröffentlicht. Warum erst zehn Jahre später?
Tim: Wenn ich mit 16 ein Album gemacht hätte, hätte ich wahrscheinlich über Schule, Fußball spielen und Gitarren-Unterricht gesungen und wer will das schon hören? Deshalb dachte ich mir, ich warte so lange, bis ich ein bisschen was erlebt habe und die Songs gut genug für die Öffentlichkeit sind.
Du hast Evangelische Theologie und Nichtchristliche Religionen studiert: Was konntest du davon für deine Musik mitnehmen?
Tim: Ich habe das nur aus purem Interesse studiert und nicht, weil ich irgendeine christliche Botschaft erlernen oder verfolgen wollte. Indirekt spielt es vielleicht eine Rolle, weil ich bei dem Thema ‚Antworten auf Fragen‘ entspannter geworden bin. Ich bin mir ziemlich sicher, dass es auf die meisten Fragen mehrere richtige Antworten gibt. Dieses ganze Hinterfragen-Dings rührt wahrscheinlich auch daher, dass ich ein großer Fan davon bin, alles zu hinterleuchten und nicht alles glaube, was ich sehe.
Deine Songs schreibst du alle selber: Wie viel gibst du dabei von dir preis?
Tim: In dem Augenblick, in dem ich schreibe, müssen es persönliche Erfahrungen sein. Ich schreibe aber nicht wirklich themenbezogen, sondern versuche Gefühle in Songs zu packen. Deswegen bin das schon komplett Ich. Aber es ist keine Therapie. Wenn ich jetzt keine Lieder mehr schreiben würde, würde ich mich wahrscheinlich einfach mit jemandem unterhalten und das muss nicht zwangsläufig ein Therapeut sein.
"Jeder wird sofort mit Xavier Naidoo verglichen"

Ist zuerst der Text oder die Melodie da?
Tim: Das kommt gleichzeitig. Ich setzte mich meistens an irgendein Instrument und spiele etwas vor mich hin. Dann singe ich in einer Fantasie-Sprache und wenn das nach was klingt, habe ich meistens auch schon die erste Zeile. Der Rest ist dann puzzeln. Einen richtigen Sinn kriegt es meistens erst Monate später, wenn ich es dann nochmal höre. Im Schnitt brauche ich für einen Song eineinhalb Tage – einen Tag schreiben und nochmal einen halben Tag korrigieren. Das wirkt jetzt vielleicht sehr schnell, aber effektiv schreibt man davon vielleicht zehn Minuten. Den Rest der Zeit sitzt man rum und überlegt. Das ist am Ende des Tages schon ewig!
Du wurdest am Anfang deiner Karriere von den Medien oft in Schubladen gesteckt und mit Künstlern wie Xavier Naidoo, Philipp Poisel oder Clueso verglichen: Konntest du dich da irgendwie wiederfinden?
Tim: Das ist einem tatsächlich vollkommen egal. Wenn ich was höre, wird das von mir auch sofort in irgendeine Schublade gesteckt. Man kann Sachen ja nur beschreiben, wenn man sie mit Dingen vergleicht, die man kennt. Und wenn man irgendetwas nicht kennt, muss man eben etwas suchen, das dem nahe kommt. Außerdem wird doch jeder der deutsch singt, sofort mit Xavier Naidoo verglichen. Und nur weil andere Leute einen in irgendeine Schublade stecken, heißt das nicht, dass man sich selbst auch in diese stecken muss. Ich mache das, was sich für mich gut und richtig anfühlt und über alles andere können Leute schreiben, singen, was sie möchten - das hat mit mir ja nix zu tun und sagt auch nichts über mich aus.