Sunrise-Avenue-Frontmann Samu Haber im Interview (Teil 1)

Sunrise-Avenue-Frontmann Samu Haber im Interview (Teil 1)
Beim Interview überraschte uns der große Blond mit der tiefen Stimme mit sehr guten Deutschkenntnissen. © FrankRadtke.com

Wenn man an Musik aus Skandinavien denkt, sind diese Jungs seit nunmehr sieben Jahren ganz vorne mit dabei: Sunrise Avenue. Mit „Fairytale Gone Bad“ fing für sie eine internationale Erfolgsgeschichte an, die erstaunlicher kaum hätte beginnen können: Nach mehr als 100 Absagen von Plattenfirmen erklärte sich ein Fan bereit, sein Haus zu verkaufen, um der Band um Frontmann Samu Haber das erste Album zu ermöglichen. Jetzt erscheint mit 'Unholy Ground' das vierte Studioalbum. Wir haben Samu in Berlin zum Interview getroffen.

Von Nicole Feybert

Euer neues Album trägt den Titel „Unholy Ground“, das klingt sehr mysteriös. Warum ausgerechnet dieser Titel?

Samu Haber: Wir wollten dieses Mal, dass die Songs auch auf der Bühne zu 100 Prozent funktionieren. Also haben wir diese ganzen Studiotricks mal vergessen, und immer, wenn es ans Arrangement der Songs ging, dachten wir an die Bühne: Wird es dort funktionieren? Dafür suchte ich nach einem Titel. So etwas wie „The Album For Live Moments“ oder „The Show Album“. Das wäre nicht so klasse gewesen. Dann schrieb ich mit zwei Freunden in Schweden einen Song mit dem Titel „Unholy Ground“, da wusste ich sofort, das ist es. Und alle haben zugestimmt. Es klingt ein wenig mysteriös, hat aber gleichzeitig etwas sehr Dynamisches. Ich mag es. Und es ist wie die Tour, die wir Anfang nächsten Jahres machen: Es wird jedes Mal eine „Unholy Night“ werden …

Die aktuelle Single „Lifesaver“ läuft zur Zeit in allen Radiostationen und klingt sehr nach irisch-schottischen Einflüssen. Können wir uns so ähnlich auch euer Album vorstellen?

Samu: Es gibt verschiedene Stile auf dem Album. Die Basis ist sehr „Sunrise Avenue“-mäßig. Auf „Lifesaver“ kann man schon einige irisch- schottische Anleihen finden. Wir waren in London, als wir es geschrieben haben. Ich weiß nicht, ob es so traditionell klingt, weil wir sehr oft in irischen Pubs waren - in Brick Lane in London, wo eine Menge Studios sind. Jedem fällt das auf! Ich habe da nie groß drüber nachgedacht, für mich ist das Ganze nur eine hymnische Melodie. Könnte die Sunrise Avenue - Hymne werden…(lacht), aber ich mag das, es ist gut, so einen guten Beigeschmack im Song zu haben. So klingt es nicht „nur“ nach einem Popsong.

„Es gibt keinen Weg, es allen recht zu machen“

Sunrise Avenue
Sunrise Avenue das sind: Samu Haber, Raul Ruutu, Sami Osala und Riku Rajamaa.

Für viele Fans klingt es aber auch nicht nach dem „typischen“ Sunrise Avenue Sound. Die Reaktionen auf eurer Facebook- und Webseite sind gemischt. Habt ihr das erwartet?

Samu: Ja, das haben wir. In vielen Dingen musst du nicht nur ehrlich sein, sondern auch Mut beweisen. Wenn wir bloß ein weiteres „Hollywood Hills“ veröffentlicht hätten, wäre das ziemlich langweilig. Wenn jetzt jeder mit einem „Das ist ja toll“ um die Ecke käme, wäre mit der ganzen Sache etwas nicht in Ordnung. Zuerst fühlt es sich schlecht an, nach dem Motto: „Oh Gott, denen gefällt das nicht, was wir machen“. Aber eigentlich heißt es, dass die Fans emotional sehr nah an der Musik dran sind. Und es gibt keinen Weg, es allen recht zu machen. Du kannst nicht stehenbleiben und dich immer wieder selbst musikalisch wiederholen. Es gibt so viele Bands, die quasi das gleiche Album immer wieder machen. Das kann man heutzutage einfach nicht bringen. Wir erfinden das Rad zwar auch nicht neu, es gibt Drums, Bass, Gitarre und Keyboard, und eine Melodie, die ein Kind mitsummen kann. Aber es ist sehr cool, der Musik einen neuen Beigeschmack zu geben. Das verbessert auch die Shows und das Feedback. Selbst bei „Hollywood Hills“ gab es Leute aus der Plattenfirma und der Crew, die uns sagten „Der Song ist viel zu langweilig. Das wird nie funktionieren.“ Also was soll's …

Hattest du also selbst ein Gespür dafür, ob es ein Hit werden könnte, während du ihn geschrieben hast?

Samu: Ja und Nein … (überlegt) Pro Jahr schreibe ich an ca. 100 Songs. Und jedesmal, wenn man einen Song weiter schreibt, glaubt man daran, dass etwas Besonderes darin ist. Aber bei „Hollywood Hills“ muss ich sagen, dass ich, als ich so ganz alleine mit meiner Gitarre da auf meinem Balkon in L.A. saß, dachte: „Das ist eine richtig gute Story, und du kannst daraus einen richtig guten Song machen.“ Für mich fühlte sich das irgendwie magisch an. Das könnte aber auch daran gelegen haben, dass ich verdammt müde, etwas betrunken und melancholisch war….

Stimmt die Story, dass „Lifesaver“ eine Hommage an euren Fan ist, der anfangs quasi euer „Lebensretter“ war: Er hat sein Haus verkauft, um euch das erste Album zu finanzieren…

Samu: Ja, das stimmt – am Anfang. Niemand hatte an uns geglaubt. Jeder hat uns den Mittelfinger gezeigt, selbst bei „Fairytale Gone Bad“ sagten sie: „Ihr werdet niemals Stars, ihr seid 30 Jahre alt und der Song ist Mist.“ Trotzdem verkauft dieser Kerl sein Haus, um uns zu helfen. Und dann waren wir diejenigen, die den Mittelfinger zeigten. Im Ernst, wir haben von überall Postkarten an die Plattenfirma in Finnland geschickt mit „Fuck You – und Grüße aus Spanien“ drauf … oder Griechenland, Deutschland – je nachdem, wo wir gerade waren.

Klingt nach einem erfolgreichen Rachefeldzug. Hat dieser Fan sein Haus denn mittlerweile zurückgekauft?

Samu: Ja, er ist heute Partner in der Sunrise Avenue Company. Es geht ihm sehr gut. Heute hat er eine kleine Platin-CD-Sammlung an der Wand hängen, die er immer den Mädchen zeigt … (grinst). Einer der besten Momente in meinem Leben war, als ich ihm nach einer langen Startphase den ersten Bonus-Scheck schicken konnte mit den Worten „Für dich – danke für deine Hilfe, Kumpel“. Das hatte er mehr als verdient.

Fotos: Frank Radtke // Universal Music

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