Stirb in Zeitlupe: "Stirb Langsam 4.0"

Von Mireilla Zirpins
Was soll man sagen zu einem Actionfilm, der einem bei der Pressevorführung am späten Vormittag die Augenlider schwer werden lässt? Es kommen zwei Ursachen in Frage: entweder zu wenig Action, oder aber die Actionszenen sind einfach langweilig inszeniert. Und letzteres ist der Fall bei Bruce Willis' viertem Einsatz als Supercop John McLane.
© 20th Century Fox

Schon die Story kommt einfach nicht richtig in Fahrt. Am Anfang lässt McLane den Superpapa raushängen, der seinem mittlerweile fast erwachsenen Töchterchen Lucy (Mary Elizabeth Winstead) auf dem Parkplatz auflauert und erhitzt den Jungspund aus der Karre zerrt, der seinem Kind gerade an die Wäsche will. Obwohl die junge Dame gar nicht so genau weiß, ob der Grünschnabel überhaupt ihr Boyfriend ist oder noch werden soll, schmollt sie mit dem autoritären Papa und will nie wieder mit ihm reden. Alles deutet also darauf hin, dass Lucy das noch Leid tun wird und McLane sie aus irgendeiner brenzligen Situation retten muss, um den Frieden wieder herzustellen.
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Und so kommt es auch. Vorher aber ist McLane mal wieder zur falschen Zeit am falschen Ort. Cyber-Terroristen (daher der dämliche Titel „Stirb langsam 4.0“) nämlich haben das gemacht, wovor George W. Bush und seine Regierung seit geraumer Zeit erfolgreich versuchen, ihren Landsleuten Angst zu machen: Sie beginnen, auf Knopfdruck die gesamte Infrastruktur der ohnehin paranoiden Vereinigten Staaten lahmzulegen. Kein Wunder also, dass die Polizei erst mal jeden noch so kleinen Hacker hochnimmt, um die Bösewichter unschädlich zu machen.
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Und McLane soll schnell mal einspringen, um den Computer-Nerd Matt Farrell (Justin Long aus „S.H.I.T. – die Highschool GmbH“) ins Präsidium zu bringen. Natürlich ist der Job längst nicht so harmlos, wie er scheint. Es bedarf keiner großen Überredungskünste, um den Youngster zum Mitkommen zu bewegen, doch lauern draußen schon Scharfschützen des Terror-Oberhaupts (Timothy Olyphant), die verhindern wollen, dass Farrell überhaupt noch mal irgendwo hingeht. Kein Problem für McLane, der es gewohnt ist, selbst in unübersichtlichen Industriegebäuden sein Terrrain zu sichern und die Hütte erst zu verlassen, wenn alles außer ihm selbst komplett von Kugeln durchsiebt ist.
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So bringt er seinen Schützling in einer halsbrecherischen Aktion aus seinem Domizil heraus. Doch draußen hat McLane schnell die ganze Terrorbande auf den Fersen und muss diesmal beweisen, dass er auch der richtige Mann für knallharte Verfolgungsjagden ist und sich in ständig wechselnden Locations bestens zurechtfindet. Bezog der erste Teil seinen Charme noch aus der Beschränkung auf einen Ort, werden nun so viele verschiedene Kulissen wie möglich effektheischend abgefackelt. Doch leider sehen die digitalen Effekte bisweilen lausig aus und weichen traurig ab vom ansonsten sehr handgemachten Charme der Serie.
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Auch die Story ist unglaubwürdig bis an den Haaren herbeigezogen. Autos rasen mit unglaubwürdiger Geschwindigkeit in einen zuvor gesperrten Tunnel, nur damit's noch gefährlicher wird für McLane. Der wiederum wird unter einer Autobahnbrücke von einem Düsenjet belästigt, auf den er bei voller Fahrt mal eben aufspringt – alles klar. Völlig klischeehaft klappern die Hacker-Genies auf irgendwelchen Keyboards herum, brauchen keine zehn Sekunden, um in einem komplexen System mal eben die Tastenkombination zu finden, die den Strom in der ganzen Stadt aus- oder wieder anstellt und murmeln dabei pseudoschlau vor sich hin. Wie oft bitte hat man das schon im Kino gesehen? Inzwischen gingen ja schon Leinwand-Frührentner wie Harrison Ford in „Firewall“ als Computercracks durch.
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Apropos Action-Opis: Bruce Willis ist mittlerweile auch schon über 50 und springt immer noch wie ein junger Hirsch von einstürzenden Brücken, ohne sich einen Bandscheibenvorfall zu holen. Wer soll ihm das abkaufen? In „16 Blocks“ zeigte er vor kurzem, wie man es nett verkaufen kann. Da mimte er augenzwinkernd einen versoffenen Schnauzbartträger, der kurz vor der Frühpensionierung steht und bei seinem letzten Einsatz mit Hinkebein noch mal alles gibt. Eine richtig nette Parodie auf seine Parade-Rolle im „Stirb langsam“-Franchise, wie wir sie bei seinem vierten und hoffentlich letzten Abenteuer als John McLane gerne auch gesehen hätten.
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Doch von Ironie keine Spur. Der ganze Film nimmt sich so ernst, dass es schon fast wieder unfreiwillig komisch ist. Dabei war die Idee ja im Ansatz nett, den digitalen Ganoven einen analogen Cop entgegenzusetzen, der zeigt, dass man auch im Zeitalter digitaler Globalisierung noch als einzelner mit seinen Fäusten etwas ausrichten kann. Nur wurde dieses Konzept vom Drehbuchautor auf halber Strecke einfach zu den Akten gelegt.
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Dazu hat man Bruce Willis offensichtlich einen Maulkorb verpasst, sodass er sich seine wenigen guten Sprüche fast peinlich berührt in den Bart nuschelt, als kernig fluchend auch verbal auszuteilen. „Try Hard“ und nicht „Die Hard“ wäre der passendere Titel gewesen, denn Regisseur Len Wiseman (der Mann, der „Underworld“ verbrochen hat) versucht so verzweifelt, an den Erfolg der Vorgänger anzuknüpfen ohne jedoch überhaupt deren Charme verstanden zu haben, dass er einfach scheitern musste. Herausgekommen ist ein höchstens brauchbarer Actionstreifen, den man sich durchaus anschauen kann, aber beim Abspann schon wieder vergessen hat.
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01 09
