Singende Hollywoodbeautys: Musicals auf der Leinwand


So wie bei „Mamma Mia“. Ex-ABBA-Mitglieder Benny Andersson und Björn Ulvaeus haben sich nicht nur für eingeschweißte ABBA-Fans was ganz besonderes ausgedacht und um ihre eigenen Songs eine hübsche Geschichte für die Musical-Bühne gesponnen. Sophie lebt allein mit ihrer Mutter auf einer griechischen Insel, ist 20, total verliebt und will mit ihrer Jugendliebe vor den Altar treten. Wie sich das für ein junges Mädchen gehört, muss der liebe Vater sie dorthin geleiten. Da aber die Supermama des jungen Hüpfers in ihrer eigenen Jugend ein Freigeist und heißer Feger war, kommt für den Papa nicht nur einer in Frage. In der Musical-Version als auch beim Film glänzt vor allem die ältere Generation. Pierce Brosnan kann zwar nicht singen, versprüht seinen Charme aber wie kaum ein anderer, während Meryl Streep einfach mal einen Luftspagat hinlegt, bei dem selbst den meisten 20-Jährigen die Kinnlade nach unten klappt. Mamma Mia!

Vorzeigeregisseur skurrilen Entertainmentkinos ist ohne Frage Tim Burton, der ohne seine besseren Hälften Johnny Depp und Helena Bonham Carter kaum noch einen Film produziert. Kein Wunder, denn die beiden sind nicht nur Traumbesetzungen für seine bizarren Geschichten, sondern harmonieren auch im Moll Burton’scher Grusicals perfekt miteinander. Zuletzt sah man das Dreamteam in „Sweeney Todd“. Ursprünglich ein Groschenroman aus dem 19 Jahrhundert, als Musical von Stephen Sondheim 1979 an der Broadway verfrachtet und von Tim Burton 2008 für’s Kino adaptiert. Ein gewohnt gewagtes Meisterwerk, bei dem der fantastisch singende Johnny Depp mal wieder beweisen kann, dass er einer der vielseitigsten Schauspieler Hollywoods ist.

Tim Burton ist aber nicht nur ein Fan gruselig grotesker Filmchen, sondern hat auch eine Vorliebe für Stop-Motion-Animationen. Und da ja eine Burton-Produktion das Markenzeichen Depp und Carter trägt, leihen die beiden den Hauptfiguren des Trickfilms „Corpse Bride“ kurzerhand ihre Stimme. Zwar ist dieser Film keine Musical-Adaption, wird aber getragen durch die Gesangseinlagen in bester Disney-Manier mit Burtons eigenwilliger Handschrift.

Ein typischer Disney-Film wäre keiner ohne seine fantastische musikalische Untermalung, für die schon der ein oder andere Komponist große Preise abstauben durfte. Als sich „König der Löwen“, einer der erfolgreichsten Disney-Hits, dann auch noch als absolut bühnentauglich herausstellte, wurde nicht lange gefackelt und das entsprechende Musical knapp drei Jahre nach der Veröffentlichung des Films (1994) am Broadway uraufgeführt. Es werden also nicht nur Musicals auf der Leinwand recycelt. Auch hübsche Filmchen mit netter Musik erweisen für Musicalproduzenten als Goldgrube.

So wie auch dieser Filmklassiker mit Kultsoundtrack, dessen Geschichte nun ebenfalls auf den Brettern die die Welt bedeuten erzählt wird. „Dirty Dancing“ hat es wie kaum ein anderes Movie der Achtziger geschafft, mit einer derart kitschigen Story Publikum en masse ins Kino zu locken und den Film zu einem Evergreen zu machen. Zu verdanken hat man das selbstverständlich der Musik, zu der man nach dem Filmerfolg in jeder Disko hemmungslos die Hüften kreisen lassen durfte. Auch wenn das hierzulande nicht so hübsch anzusehen ist, wie bei den Latinos, bei denen der Mambo beheimatet ist, feiert die Bühnenshow - bei der der Gesang von einer Band aus dem Hintergund übernimmen wird - seit 2006 in Hamburg Riesenerfolg.

Wenn sich Popstars plötzlich auf das Terrain von Popcorn und Zelluloid begeben, kann das manchmal ganz schön in die Hose gehen. Kandidatinnen wie Britney Spears oder Mariah Carey haben sich mit ihren Ausflügen auf die große Leinwand nicht gerade einen Gefallen getan und Beyoncé Knowles hat in „Austin Powers in Goldständer“ nicht viel mehr gemacht, als gut ausgesehen. Dass das hübsche Ex-„Destiny’s Child“ aber mehr kann, beweist es in der Musicaladaption „Dreamgirls“, in der Knowles sich von der Background-Maus zum Popsternchen mausert. In der Filmversion des gleichnamigen Musicals von 1981 brilliert aber vor allem die bis dahin kaum beachtete Jennifer Hudson, die sich mit ihrer Performance sogar einen Oscar als beste Nebendarstellerin einheimste.

Andersherum – wenn Leinwandsternchen plötzlich ihre Gesangskünste auspacken – funktioniert das überraschend oft ganz wunderbar. „Sweeney Todd“, „Moulin Rouge“ oder „Mamma Mia“ sind nur einige Zeigestücke für das Konzept „singender Hollywoodstar“, das ganz prächtig aufgeht. In „Chicago“ zeigen Renée Zellweger, Richard Gere und Catherine Zeta-Jones, dass sie durchaus auch für den Broadway geeignet wären (Richard Gere spielte sogar in den am Broadway und trat ’73 in “Grease“ in London auf). Die Geschichte – nach einer wahren Begebenheit – um zwei Mordlustige Diven, die sich ihren Weg vom Knast zur Muscial-Bühne bahnen wurde mit 13 Goldjungen nominiert und staubte davon sechs ab.

Buz Luhrmann mag es bunt, laut und schnell geschnitten. Mit seiner unkonventionell kunstvollen Art, Filme zu machen, verwandelte er schon Shakespeares „Romeo und Julia“ in ein postmodernes Filmspektakel, und mit Moulin Rouge hat er zwar kein Musical adaptiert, aber ein weiteres Mal gezeigt, dass er mit seinen überbunten Bildern in Kombination mit singenden Hollywoodbeautys ein Meisterwerk schaffen kann. So manche fanden seinen verliebt leiernden Ewan McGregor zu kitschig, den Film zu überladen. Nichtsdestoweniger aber haben auch er und Nicole Kidman in dem Leinwandmusical mit all ihrem Können mehr als positiv überrascht. Auf australischen Bühnen ist “Moulin Rouge“ mittlerweile in Bühnenversion zu sehen.

Man kann es natürlich auch so machen, wie Chris Columbus, Regisseur der ersten beiden Harry-Potter-Streifen, und direkt die original Bühnenschauspieler aus ihrem heimischen Gefilde vor die Kamera holen. Genau das nämlich haben er und Produzent Robert de Niro für die Adaption des Musicals „Rent“ gemacht. Das Bühnenstück über New Yorker Bohemiens, die gegen Aids, Armut und Drogenabhängigkeit kämpfen müssen, hat den Regisseur so vom Hocker gehauen, dass er es fast eins zu eins verfilmte. Seit mehr als zehn Jahren läuft das Kassenschlager-Musical am Broadway ununterbrochen erfolgreich. Schöpfer Jonathan Larson allerdings erlebt diesen Erfolg leider nicht mehr. Er verstarb tragischer Weise einen Tag vor der Premiere.

Eigentlich ist “Das Phantom der Oper” ein französischer Roman aus dem frühen 20. Jahrhundert, von niemand Geringerem auf die Bühne geholt als von Sir Andrew Lloyd Webber, dessen berühmten Musicals die Vorlage zahlreicher erfolgreicher Kinofilme sind.
Queen Elizabeth II. hätte den werten Herrn Webber auch sicherlich nicht zum „Sir“ ernannt, wenn „Phantom der Oper“ das einzige Herausragende gewesen wäre, was der Mann unserer Kultur geschenkt hat. Das Musical bricht seit den 1980er Jahren alle Rekorde und ist das am längsten gespielte Broadway-Stück aller Zeiten.

Nicht nur Werke um die mysteriöse Gestalt der Oper, sondern auch solche wie „Cats“ oder „Starlight Express“ gehen auf das Konto des Meisterkomponisten. Ebenso die musikalische Verwirklichung des Lebens der argentinischen Präsidentin Evita Perón, die sowohl als Musical als auch besonders als Verfilmung mit Madonna eine riesige Fangemeinde fand.

Mit “Jesus Christ Superstar” hat Webber 1971 mit Hilfe von Tim Rice, der für viele musikalische Disney-Erfolge – unter anderem auch König der Löwen – verantwortlich ist, seinen ersten großen Coup gelandet. Mit der Abhandlung der letzten sieben Tage Christi hat der „Sir“ explosiv an Bekanntheit gewonnen.

Zuletzt hat John Travolta als dicke Tanzmama in „Hairspray“ gezeigt, dass er trotz fortschreitenden Alters und einem 15 Kilo-Fatsuit noch immer mit flotter Sohle unterwegs ist. Kein Wunder, schließlich hat das Tanztalent sich nicht nur im Teenageralter von seiner Mutter auf eine Tanz- und Gesangschule schicken lassen, sondern hat auch am Broadway im zarten Alter von 18 Jahren schon mit einer Minirolle im Musical „Grease“ mitgewirkt – nachdem er die Tanzschule geschmissen hatte. Gute Entscheidung, denn die Hauptrolle für die Kinoadaption des Erfolgmusicals von 1971 folgte einige Jahre später und brachte – sowie auch „Saturday Night Fever“ ein Jahr zuvor - John Travolta den erhofften Erfolg.

Wenn die Veteranen unter den Kinobesitzern plötzlich anstelle actionreicher Blockbuster eine alte Rolle Kult-Zelluloid aus den verstaubten Regalen fischen, dann freut sich da nicht jeder drüber. Handelt es sich dabei nämlich um „The Rocky Horror Picture Show“, haben vor allem die Kinoreinigungskräfte ordentlich zu tun, wenn die als Transvestiten verkleideten Film-Fans das Kino verlassen. Bei dieser Musical-Kopie aus dem Jahre 1976 nämlich feierten die Anhänger den Streifen im Kino, wie wir zuletzt unsere Nationalelf im Stadion. Da werden laut Rollennamen gegrölt, bei Hochzeitsszenen Reis geworfen und bei den Musikstücken der skurrilen Gruselkomödie gerockt, wie bei einem Live-Konzert.

“Mary Poppins”- Darstellerin Julie Andrews hatte schon in den 50ern das Broadwaypublikum von ihren Sangeskünsten in dem Musical „My Fair Lady“ begeistern können. Bei der Verfilmung 1964 wollte man aber lieber auf große Namen setzten – was die heute sogar zur „Dame“ geehrte Schauspielerin damals nicht war - und beharrte darauf, Audrey Hepburn für die Rolle des derben Blumenmädchens „Eliza“ zu engagieren. Was für eine Ironie, dass ausgerechnet „Mary Poppins“ den Oscar für die beste Hauptdarstellerin abstaubte. Nichts desto trotz konnte auch Audrey Hepburn überzeugen in der Geschichte um das Mädchen, dass von einem Sprachwissenschaftler wegen einer Wette zum Londoner High-Society-Girl des frühen 20. Jahrhunderts erzogen wurde.

Romeo und Julia im New York der 50er Jahre. Nun sind es nicht die Familien Montague und Capulet die sich bekriegen, sondern zwei knallharte Straßengangs, die Jets und die Sharks, die sich auf der großen Theaterbühne gegenseitig mit Tänzen und Gesängen duellieren. Inmitten dieser Duelle verlieben sich Tony und Maria ineinander. Kommt uns doch ganz schön bekannt vor und geht auch im Großen und Ganzen genau so weiter, wie man es vom guten alten „The Bard“ (Shakespeares Spitzname) kennt. Die Verfilmung von 1961 mit Natalie Wood gewann sage und schreibe zehn Oscars.

Auch keine wirkliche Musicaladaption, aber an den Musicals der 50er und 60er angelehnt: Lars von Triers „Dancer in the Dark“. Die Isländische Sängerin Björk wagte sich – und danach wollte sie es nie wieder tun – vor die Filmkamera. Sie spielt eine junge Einwanderin, die mehr und mehr erblindet. Ihrem Sohn, dem das gleiche Schicksal droht, will sie eine Operation ermöglichen und schuftet halbblind wie eine Verrückte in einer Metallfabrik. Für ihre mitreißende Darstellung wurde sie in Cannes mit einer Palme als beste Darstellerin geehrt, der Song „I’ve Seen It All“ – Björk schrieb selbstverständlich auch den Soundtrack – für den Oscar nominiert. Obwohl sie sich dafür ganz besonders schick machte (Sie erinnern sich an das hübsche Schwanen-Outfit?) ging die Sängerin leer aus.
