'Sherlock Holmes': Guy Ritchie meldet sich zurück

Mit Guy Ritchie ist das so eine Sache: 1998 landete der Regisseur mit ’Bube, Dame, König, grAs’ einen Überraschungshit und konnte zwei Jahre später mit ’Snatch’ den nächsten Leinwanderfolg verbuchen. Dann kam die Hochzeit mit Madonna, die auch prompt in Ritchies folgendem Spielfilm ’Stürmische Liebe’ die Hauptrolle spielte. Stürmisch gefeiert wurde die Komödie allerdings nicht, stattdessen gab es 2003 gleich fünf Goldene Himbeeren, darunter sogar eine für Ritchie als Regisseur. Auch seine nächsten Filme ’Revolver’ und ’Rock N Rolla’ konnten kaum überzeugen. Mit ‚Sherlock Holmes’ startet er nun den nächsten Versuch, an alte Erfolge anzuknüpfen.
Wie auch in den Buchvorlagen von Sir Arthur Conan Doyle spielt die Handlung in London gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Die Stadt wird von einer Reihe brutaler Ritualmorde erschüttert. Im letzten Moment gelingt es Holmes (Grandios: Robert Downey Jr.) und seinem treuen Sidekick Dr. Watson (Schöne Vorstellung: Jude Law), eine schwarze Messe zu stürmen und so ein weiteres Opfer zu retten. Verantwortlich für die Verbrechen ist Lord Blackwood (wenig furchteinflößend: Mark Strong aus ’Rock N Rolla’), der umgehend hingerichtet wird. Doch damit geht der Spaß erst richtig los, denn wie vorher angedroht tritt der okkulte Fiesling auch nach seinem Tod wieder in Erscheinung und begeht weitere Morde, die scheinbar mit Hilfe von schwarzer Magie durchgeführt werden.
Blackwoods Auferstehung versetzt die Stadt in Panik und stellt Scotland Yard vor ein Rätsel. Auch bei der Exhumierung wird es äußerst mysteriös, stellt sich doch heraus, dass statt des Mörders mittlerweile jemand anderes im Sarg vor sich hin modert. Doch Sherlock Holmes wäre nicht der wohl berühmteste Detektiv der Welt, wenn er sich von übernatürlichem Hokuspokus einschüchtern lassen würde. Zusammen mit Dr. Watson muss er sich vor allem in Londons Untergrund herumtreiben, das von den Setdesignern hervorragend in Szene gesetzt wurde.
Ritchie verzichtet dankenswerterweise darauf, Holmes wie in früheren Verfilmungen mit Deerstalker-Hut und Inverness-Mantel auszustatten. Auch wenn dies viele langjährige Fans zunächst irritieren mag, wird auf diese Weise das Original nur konsequent umgesetzt. Die für den Detektiv typischen Erscheinungsmerkmale gehen vor allem auf die Zeichnungen von Sidney Paget zurück, der viele Holmes-Geschichten illustrierte. Doyle selbst erwähnt den Deerstalker-Hut nur in einer einzigen Geschichte und beschrieb Holmes’ Kleidung ansonsten wie die eines gewöhnlichen Bürgers der Londoner Mittelschicht. Warum sollte man auch mit Jagdhut in der Stadt herumrennen?
Ebenfalls nur auf den ersten Blick ungewöhnlich ist, dass Holmes in Ritchies Inszenierung neben seinem messerscharfen Verstand auch des Öfteren seine Fäuste einsetzt. Diese Seite von ihm mag relativ unbekannt sein, wurde aber originalgetreu aus den Romanen übernommen, in denen der Detektiv die Kampfsportart Bartitsu beherrscht.
Als absoluter Glücksgriff für die Besetzung erweist sich Robert Downey Jr., der den exzentrischen Holmes facettenreich und mit trockenem Humor darstellt. Ein großer Teil der Komik des Films beruht auf Holmes schrulligem Verhalten. Wird er nicht gefordert, vergräbt er sich in seiner muffigen Bude und verblüfft Watson regelmäßig aufs Neue. Dieser wird von Jude Law sehr dynamisch verkörpert, erst mit ihm bildet Holmes ein unschlagbares Team. Die erfolgreiche Partnerschaft wird allerdings überraschend auf die Probe gestellt, als sich Watson in Mary Morstan (Kelly Reilly) verliebt und sie heiraten will. Dies kann Holmes überhaupt nicht verstehen und wird von Mary des Öfteren in seine Schranken verwiesen. Und als würde dies nicht schon reichen, mischt sich auch noch überraschend Holmes’ alte Flamme, die Meisterdiebin Irene Adler (Rachel McAdams) ein, die für einen unbekannten Auftraggeber arbeitet...
Mit ‚Sherlock Holmes’ liefert Guy Ritchie ein temporeiches Action-Abenteuer mit viel Witz und einer ausgezeichneten Kumpel-Chemie zwischen Holmes und Watson, das nur in der Mitte ein paar kleine Längen aufweist und stellenweise etwas zu brachial inszeniert ist. Auf Sprüche wie „Elementar, mein lieber Watson“ wartet der Holmes-Fan zwar vergeblich, dies würde aber auch nicht in die moderne Umsetzung passen. Die mag zwar auf den ersten Blick ungewöhnlich sein, entspricht aber stets dem Original. Auch die Handlung lädt durchaus zum Mitraten ein und so verlässt man nach 128 Minuten den Kinosaal mit dem Gefühl, dass Guy Ritchie nach der Scheidung von Madonna endlich wieder zu alter Stärke zurückgefunden hat.
Von Timo Steinhaus