3,5 von 5 Punkten
Von Ann-Christin Gebhardt
Eine echte Herausforderung, denn die Geschichte hat es in sich: Elizabeth Kiehl (Lavinia Wilson – ‚Rosa Roth’) muss damit fertig werden, dass ihre drei Geschwister auf dem Weg zu ihrer Hochzeit mit ihrem damaligen Freund Stefan (Robert Gwisdek – ‚13 Semester’) bei einem Autounfall ums Leben gekommen sind. Und das klappt eher schlecht als recht. Halt findet die hochneurotische 33-Jährige nur bei ihrer Therapeutin Frau Drescher (Juliane Köhler – ‚Der Untergang’), der sie als einzige alles anvertrauen kann, und beim Sex mit ihrem heutigen Ehemann Georg (Jürgen Vogel – ‚Die Welle’). Hinzu kommen noch die Erziehung von Tochter Liza (Pauletta Pollmann), lästige Würmer, ständige Testamentsänderungen beim Notar und der Hass auf die Sensationsgeilheit einer Boulevard-Zeitung.
Schwere Kost, vor allem, wenn man bedenkt, dass es sich hier um die Verarbeitung echter Erlebnisse handelt. Wie Protagonistin Elizabeth hat auch Autorin Charlotte Roche ihre drei Geschwister bei einem Autounfall verloren. Wie bei Elizabeth waren auch sie auf dem Weg zu ihrer Hochzeit. Da muss man erst einmal schlucken. Doch so tragisch und tieftraurig die Geschichte auch ist, so angemessen wird sie in ‚Schoßgebete’ erzählt. Denn Regisseur Sönke Wortman (‚Das Wunder von Bern’) und auch Drehbuchautor Oliver Berben (‚Die Päpstin’) schaffen es, der Geschichte die nötige Distanz zu geben, ohne sie dabei herunterzuspielen. So zieht sie den Zuschauer zu keiner Minute runter und dennoch kommt sie nah genug an einen heran, um mitfühlen zu können.
Jürgen Vogel mimt den zärtlichen Ehemann
Dafür bedient sich Wortmann eines stilistischen Instruments, das auch schon in ‚Feuchtgebiete’ genutzt wurde. Jede Menge Rückblenden in die Zeiten des Unfalls sollen die Geschichte dramaturgisch pimpen und deutlich machen, wie lebendig das Vergangene noch immer für Elizabeth ist. Doch so spannend und mitreißend diese Blenden auch sind, so sehr müssen die Szenen, die in der Gegenwart spielen darunter leiden. Ihnen fehlt gelegentlich die Spannung und es wird nicht immer deutlich, wohin genau sie eigentlich zielen.
Dass das nicht zum großen Manko des Films wird, ist einzig und allein der herausragenden Darsteller zu verdanken. Allen voran Lavinia Wilson. Die bildschöne Schauspielerin schafft den schwierigen Spagat und spielt ihre Figur mit solcher Zerrissenheit, ohne dabei allzu sehr auf die Tränendrüse zu drücken. Flotte Dreier im Bordell, Würmer im - na ja, Sie wissen schon – und ausgedehnte Therapiesitzungen sind für Wilson schauspielerisch kein Problem und werden mit viel Selbstironie perfekt in Szene gesetzt. Die größte Überraschung des Films ist aber wohl Jürgen Vogel, der als Elizabeths Ehemann Georg einiges zu ertragen hat. Der Charakter-Darsteller, der eher für seine expressiven und lauten Rollen bekannt ist, zeigt in ‚Schoßgebete’ seine zärtliche und zurückgenommene Seite. Eine Rolle, die eigentlich so gar nicht zu dem Jürgen Vogel passt, den wir kennen und die doch nicht besser hätte besetzt werden können.
Kinostart: 18. September 2014