Scarlett Johansson schreit in 'Hitchcock' um ihr Leben - Filmkritik

4 von 5 Punkten
Es ist kein Geheimnis, dass Kultregisseur Alfred Hitchcock ein äußerst obsessives Verhältnis zu den meist blonden Hauptdarstellerinnen seiner Filme hatte und diese bei den Dreharbeiten zu seinen Horrorschockern angeblich gerne leiden ließ. Und so ist es kein Wunder, dass in dem wunderbaren Biopic 'Hitchcock' auch Jessica Biel und Scarlett Johansson reichlich Grund zum Schreien bekommen. Das Spielfilmdebüt des Dokumentarfilmers Sacha Gervasi nimmt die Dreharbeiten zu Hitchcocks wohl berühmtestem Horror-Thriller 'Psycho' nun zum Anlass, die Schattenseiten seiner Obsessionen näher zu beleuchten.
1959 steht Alfred Hitchcock (grandios verkörpert von Sir Anthony Hopkins) auf der Höhe seines Ruhms, hat aber bei der Planung zu seinem neuen Projekt erhebliche Schwierigkeiten. Nicht nur, dass die Produktionsfirma unter anderem wegen geplanter Nacktszenen die Finanzierung verweigert und Hitchcock nahezu sein gesamtes Vermögen in die Produktion stecken muss. Auch privat hapert's: Ehefrau Alma (wie immer großartig: Helen Mirren) fühlt sich vernachlässigt und scheint sich einen Liebhaber genommen zu haben.
Auch die beiden jungen Schauspielerinnen Janet Leigh (Scarlett Johansson, 'Iron Man 2') und Vera Miles (Jessica Biel, 'Total Recall'), die in 'Psycho' die weiblichen Hauptrollen übernommen haben, bereiten ihm mit ihren unübersehbaren Reizen zusätzlich schlaflose Nächte. Kein Wunder, dass sich der Großmeister des Grauens beinahe selbst an den Rand des Wahnsinns getrieben fühlt. Bei den Dreharbeiten zu dem Schocker vermischen sich Realität und Fiktion immer bedrohlicher, und so mancher Filmschrei der Protagonistinnen Leigh und Miles ist dann auch gar nicht mehr gespielt. Als alle Stricke zu reißen drohen, gibt es aber Hilfe von ganz unerwarteter Seite – von Hitchcocks Ehefrau Alma.
Zieht sich Scarlett Johansson aus oder nicht?

Keine Frage, 'Hitchcock' ist bei weitem nicht nur ein Film für Liebhaber und Kenner des großartigen Regisseurs, der mit 'Psycho' seinen erfolgreichsten Thriller überhaupt geschaffen hat. Gerade das wunderbare Zusammenspiel zwischen den beiden Oscar-Preisträgern Anthony Hopkins und Helen Mirren, die sich ein grandioses Wortgefecht nach dem anderen liefern, macht die Adaption des Sachbuchs 'Hitchcock und die Verfilmung von Psycho' des Autors Stephen Rebello absolut sehenswert.
Auch optisch sieht Hopkins dem Kultregisseur ziemlich ähnlich – der aufwändigen Maske sei Dank. Kopfschütteln bereitet aus heutiger Sicht allerdings die Prüderie der Verleiher nicht nur bezüglich der geplanten freizügigen Szenen mit Janet Leigh – fast noch problematischer war, dass in einem Film zum ersten Mal überhaupt eine Toilette (!) gezeigt werden sollte. Damals noch undenkbar.
Zugegeben, 'Hitchcock' bereitet natürlich viel mehr Vergnügen, wenn man zumindest 'Psycho' schon einmal gesehen hat. Vor allem die Szenen zu der wohl berühmtesten Morddarstellung der Filmgeschichte, die etlichen Zuschauern wahrscheinlich für viele Jahre das Duschen verleidet hat, sind viel amüsanter, wenn man das Original kennt. Aber so oder so es ist einfach zu herrlich, wenn sich die hüllenlose Scarlett Johansson, angestachelt von dem wild mit einem Messer herumfuchtelnden Hopkins, unter der Dusche fast die Seele aus dem Leib schreit.
Von Norbert Dickten