Richie Sambora im Interview über Glück, Geld und Coolness

Richie Sambora im Interview
Nicole Feybert mit Richie Sambora

Richie Sambora über Glück, Geld und Coolness

Er hat mit Bon Jovi über 150 Millionen Alben verkauft, zahllose Auszeichnungen erhalten, wurde in die 'Songwriters Hall of Fame' aufgenommen und zählt zu den besten Gitarristen der Welt: Richie Sambora. Nach seiner schlagzeilenträchtigen Trennung von der Band war die Rock-Ikone nun auf Solo-Tour durch Europa und zeigte eindrucksvoll, warum er nicht nur ein begnadeter Gitarrist, sondern auch ein Sänger ist, der mit seiner rauen, bluesigen Stimme Jon Bon Jovi in nichts nachsteht. Wir sind mit Richie in einem Kölner Hotel verabredet, und mit etwas Verspätung werden wir mit den Worten "Sorry vielmals, Dolly Parton war noch am Telefon" begrüßt. Nun, da sind wir natürlich nachsichtig...

von Nicole Feybert

Die Begrüßung ist herzlich. Richie, lässig mit dunkler Sonnenbrille und in schwarzem Outfit, ist gut gelaunt, charmant und freut sich sichtlich auf seine Fans in Europa. „Es tut gut, wieder hier zu sein. Deutschland hat uns immer mit offenen Armen empfangen, und für mich fühlt es sich wie ein zweites Zuhause an. Hey, allein dieses Hotel hat mich sicher schon über 50 Mal gesehen.“ grinst er und nimmt die Sonnenbrille ab. „Das europäische Publikum ist während der Shows übrigens sehr viel aufmerksamer und fokussierter als in den USA.“ Ihm gefällt das. Der Mann kann das beurteilen. Mit Bon Jovi tourte er über 30 Jahre um den Globus und ist verantwortlich für die ganz großen Hits wie z.B. „Living On A Prayer“ oder „Wanted Dead Or Alive“, aber seine Rolle als Solokünstler ist ihm nun wichtiger denn je. „Ich versuche, die Perspektive einiger Leute zu ändern. Viele denken immer noch, dass ich als Gitarrist der Band sowas wie Jons Handlanger war und haben keine Ahnung, dass ich die Songs geschrieben habe.“

Es ist sein drittes Soloalbum „Aftermath Of The Lowdown“, das ihn durch Europa führt – zwar als Solokünstler, aber dennoch nicht alleine: neben seiner Band steht ihm Orianthi zur Seite. Die junge australische Gitarristin mit griechischen Wurzeln, die schon für Größen wie Alice Cooper und Michael Jackson auf der Bühne stand, ist nicht nur beruflich seine neue Partnerin. „Ich habe Orianthi auf Hawaii getroffen, als ich mit Alice Cooper, Steven Tyler und Sammy Hagar einen Charity-Auftritt spielte. Später erkrankte kurz vor unserer Australien-Tour die Mutter meines Gitarristen, er konnte also nicht mit auf Tour. Ich rief Ori an und fragte, ob sie einspringt. Die Chemie stimmte auf Anhieb. Wir ergänzen uns perfekt. Sie ist eine unglaubliche Gitarristin.“ Auch die Musiker seiner Solo-Band stehen dem in nichts nach: „Wir haben einen Tag lang geprobt und sind auf Tour gegangen.“

Sein aktuelles Album spiegelt mehr als die Vorgänger sein Seelenleben wider. Sich dem Publikum so zu öffnen betrachtet er als Selbstverständlichkeit: „Wenn ich nicht authentisch und ehrlich wäre, was bliebe dann übrig? Natürlich zeige ich meine eigene Verletzlichkeit. Jeder hat doch mehr oder weniger die gleichen Probleme, ich bin da nur ein Mikrokosmos für alle: Jedem von uns wurde bereits das Herz gebrochen, wir alle verlieren irgendwann die Eltern, die Leute machen Scheidungen durch. Da spielt es keine Rolle, wie viel du auf dem Konto hast, es verletzt die Seele, es tut jedem gleich weh.

Richie Sambora weiß, wovon er spricht. Die letzten Jahre waren für ihn eine emotionale Achterbahnfahrt. Scheidung, Tod des Vaters und Alkoholprobleme haben ihm zugesetzt. Material genug, um eine eigene Biografie schreiben zu können. Hat er je daran gedacht? Er lacht und winkt ab. „Du glaubst nicht, wie oft man deshalb auf mich zukommt. Aber weißt du, was sie wollen? Sie wollen bloß das Klischee: mit wem ich geschlafen und welche illegalen Substanzen ich genommen habe. Darüber schreibe ich nicht. Ich habe viele Fehler gemacht, aber ich habe sie mir verziehen. Dazu brauche ich keine Autobiografie, ich kommuniziere mein Leben durch meine Musik und die Songtexte.“

„Egal was passiert, du musst cool bleiben“

Inzwischen summieren sich seine Songtexte auf mehr als 500 Songs. Lässt einen Künstler auf der Bühne das Gedächtnis mal im Stich? Richie lacht und nickt „Bei der Menge an Songs, ja, das passiert. Ich bin auch nur ein Mensch.“ Er überlegt kurz und erinnert sich „Ich stand mal auf der Bühne, und der nächste Song sollte „Rosie“ sein. Ich fing an zu spielen und mir fielen plötzlich die verdammten Akkorde des Songs nicht mehr ein!“ Er lächelt und zuckt mit mit den Schultern. „Ich habe einfach a capella gesungen und das Publikum mitsingen lassen. Weißt du, das ist das Ding mit der Professionalität: Lass dich auf der Bühne nie aus der Fassung bringen. Niemals. Egal was passiert, du musst cool bleiben.“

Bei aller Coolness ist ein Thema ist auch heute noch präsent: Die Trennung von Bon Jovi. Auf die Frage ob es die richtige Entscheidung war, reagiert Richie gelassen, stellt aber sofort klar „Ich bin nicht komplett ausgestiegen. Ich habe damals nur gesagt, dass ich in diesem Tempo nicht weitermache. Meine Tochter ist jetzt 16, und ich war niemals zuhause. Ava brauchte mich und ich brauchte sie. Solo bestimme ich das Tempo selbst; ich toure ich drei, vier Wochen und bin wieder zurück. Aber man muss sich mal vorstellen: Die letzte Bon Jovi Tour ging über 18 Monate durch 52 Länder. Die Tour davor 14 Monate durch 47 Länder. Dazu kommt, dass ich der Typ bin, der die Songs schreibt und das Album co-produziert. Und das kostete dann die 9 Monate, die dazwischen lagen. (…) Diese zwei Touren waren neben den Stones und Grateful Dead die größten der Rockgeschichte. Da fragt man sich doch irgendwann: was zählt mehr – das persönliche Glück und Familie oder noch mehr Geld? Auch wenn es ganz offensichtlich eine sehr unpopuläre Entscheidung für die Fans und die Band war – ich habe mich für ersteres entschieden.“ Er macht eine Pause und fügt hinzu „Die Leute werden das irgendwann verstehen. Sollten Bon Jovi und ich wieder zusammenkommen, wird es großartig - aber anders.“

Im späteren Konzert spielte Richie Sambora vor vollem Haus und bewies sein außerordentliches Talent als Songwriter und Gitarrist. Nach aktuellen Songs, Klassikern und einem Fan-Request endete die Show nach mehr als zwei Stunden und zwei Zugaben vor einem begeisterten Publikum.

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