Remakes, die die Welt nicht braucht

Ja, fällt den Drehbuchautoren denn gar nichts Neues mehr ein? Entweder machen sie den x-ten Film über Pinguine (“Könige der Wellen“), ersinnen eine Fortsetzung nach der nächsten (von “Stirb langsam 4.0“ bis “Rocky VI“) - oder aber sie greifen einfach ein altes Skript ab, aus dem ein starbesetztes Remake entsteht. Voll im Trend liegen Neuauflagen asiatischer Horrorfilme. Die nämlich gelten seit längerem als Geheimtipp, weil sie ohne Rücksicht auf die Nerven der Zuschauer Mystery-Elemente mit Höchstspannung mischen, ohne allzu billig und splatterig zu wirken. Diese Qualität haben auch Studiobosse in Hollywood erkannt. Doch anstatt die Schocker international ins Kino zu bringen, lassen die Produzenten eingefleischte Fans des Genres weiter in gut sortierten Videotheken nach den Filmen suchen und bringen statt dessen wenig später US-Neuauflagen mit blonden Mädchen auf die Leinwand. Manchmal sind sie auch brünett - wie Jessica Alba in “The Eye“ (Kinostart: 29.5.2008), der etwas uninspirierten Neuauflage des etwas subtileren und trotzdem spannenderen thailändisch-chinesischen Schockers “Gin Gwai“.
© Falcom - Filmszene aus 'The Eye'

Vorgemacht hat es Gore Verbinski mit „The Ring“ (2002), seiner Neuinterpretation des japanischen Kino-Erfolgs „Ringu“ (1998), bei dem Naomi Watts dem Mysterium der todbringen VHS-Kassetten nachspüren durfte. Die US-Fassung war so erfolgreich, dass gleich ein zweiter Teil in Angriff genommen wurde. Wie praktisch, dass auch der japanische Horrorstreifen in seiner Heimat so sensationell gelaufen war, dass man dort längst ein Sequel gedreht hatte. Da brauchten die Amis wieder nur zu kopieren.
© dpa - Filmszene aus Verbinskis 'The Ring'

„Wunderbar! Das können wir doch öfter so machen“, scheint man sich gedacht zu haben, und so bekommen wir 2006 die Fortsetzung von „The Grudge“ (2004) zu sehen – natürlich ein Remake des Sequels von „Yu On“, eines japanischen Gruselfilms aus dem Jahr 2003. Verwirrung komplett?
© dpa - Filmszene aus 'The Grudge', Teil 1

Mit seinen Halloween-Filmen erfand Regisseur John Carpenter das Horro-Genre neu. Sein erstes Baby “Halloween - Die Nacht des Grauens“ aus dem Jahr 1978, mit dem er den wohl meist gefürchteten Filmkiller aller Zeiten schuf, begeisterte das Publikum. Knapp 30 Jahre später nahm sich Hardcore-Musiker und Regisseur-Anfänger Rob Zombie der Herausforderung an, den Klassiker von „Halloween“ aufzugreifen, um die Geschichte von Michael Myers und der Nacht des Grauens auf seine Art neu zu erzählen. Doch der Streifen überzeugte schon nicht bei den wiederaufgewärmten Momenten. Von der neu hinzugefügten Küchenpsychologie reden wir erst gar nicht...
© Senator - Szene aus 'Rob Zombies Halloween'

Ach, so kompliziert stellt sich das gar nicht dar. Das Prinzip ist eigentlich denkbar einfach: Alles, was sich im Ursprungsland halbwegs gut verkauft, wird auf US-Massenkompatibilität gecheckt. Und so hat sich gerade Universal die Rechte am koreanischen Box-Office-Hit „The Host“ gesichert. Freunde des US-Kinos warten also brav noch zwei Jahre, deutsche Cineasten gruseln sich jetzt schon beim Asia-Filmfest vor dem Original aus Korea. Und wie bei „The Ring“ (Naomi Watts) und „The Grudge“ (Sarah Michelle Gellar) wird sich wieder ein platinblonder Hollywoodstar finden, der hübsch erschrocken die Augen aufreißt, wenn die Monster auf der Leinwand ihr Unwesen treiben. Immerhin sind diese recycelten Schocker ja meist wenigstens spannend.
© MFA - Szene aus 'The Host'

Außerdem werden ja nicht nur Horrorstreifen aus Fernost neu aufgelegt, sondern einfach alles, was Geld in die Kassen zu spülen verspricht. Jamie-Lee Curtis wurde nach „Halloween“ (1978) im Horrorgenre als Scream-Queen gefeiert und machte mit “Prom Night“ (1980) ihrem Spitznamen alle Ehre. Nachdem es nun aber schon 9 (!) Filme über den maskierten Michael Myers gibt, sehen endlich auch Filmemacher ein, dass sich nun wirklich niemand mehr vor ihm fürchtet. Aber so schnell ist das Kontingent der Horrorfilme aus den Achtzigern nicht erschöft. Schlimm genug, dass es von dem 27 Jahre alten “Prom Night“ (Kinostart: 5.6.2008) noch drei Fortsetzungen gibt, aber nun kommt Curtis’ zweiter großer Streich von damals ebenfalls als Neuauflage in die Kinos. Zwar mit einer etwas verfremdeten Story, aber die ist ja auch eigentlich nebensächlich. Die Hauptsache ist, dass hübsche Mädels in knappen Ballkleidern mitspielen und laut schreien. Hoffentlich kommt niemand auf die Idee, von dieser unterirdisch öden Klamotte auch noch drei Fortsetzungen zu produzieren.
© Sony - Szene aus 'Prom Night'

Noch mehr Horror gefällig? Kein Problem! Da gibt es schließlich noch „The Wicker Man“ – Wiederverwertung des gleichnamigen Gruselklassikers aus dem Jahr 1973. Ein subtiler Horror à la „Rosemaries Baby“ ging damals von den naturverbundenen Leinwand-Hippies aus, die nachts rhythmisch ihre nackten Körper verrenkten und einem seltsamen heidnischen Kult huldigten. Doch wer will so was heute noch sehen? Die Hippie-Verschnitte im Remake muten eher freakig an als furchteinflößend. Und so musste sich Neil LaBute alle Mühe geben, ein paar derbere Schockelemente einzubauen, um das heutige Publikum anzusprechen. Doch selbst wenn der neue Regisseur den Stoff um ein paar hübsche neue Ideen bereicherte, überzeugt das Resultat nicht annähernd so wie der Kultfilm von damals.
© Warner - Szene aus 'The Wicker Man' 2006

Sie sehen: Die zahlreichen Neuaufgüsse haben nichts mit dem Streik der Drehbuchautoren in Hollywood zu tun, sondern man kam schon viel früher auf die Idee, alles zu recyclen, was irgendwie geldbringend schien. Dabei setzen die Studiobosse darauf, dass die Kino-Kernzielgruppe der 12-29-Jährigen das Original gar nicht kennen - wie bei “Invasion“. Schließlich kam der Streifen im Jahr 1956 erstmals unter dem Titel “Die Dämonischen“ auf die Leinwand und wurde dann 1977 erneut verfilmt (“Die Körperfresser kommen“). 2007 ging der Film, mit dem Oliver Hirschbiegel sein Hollywood-Debüt gab, mit Nicole Kidman und Daniel Craig in den Hauptrollen in die dritte Remake-Runde. Anders als beim Original ist in dem überflüssigen Remake eine Frau auf der Spur vom mysteriösen, außerirdischen Space Shuttle, das die Menschheit in emotionslose und gefühlslose Wesen verwandelt. Da
© Warner - Szene aus Hirschbiegels 'Invasion'

Allerdings bestätigen Ausnahmen ja bekanntlich die Regel, und so kommt auch manches Mal ein überraschend überzeugendes Remake in die Kinos. Zum Beispiel Michael Hanekes Neuverfilmung von „Funny Games“. Das Original geht übrigens auch auf das Konto des Österreichers, der sich gewünscht hatte, seine subtile Auseinandersetzung mit Jugendgewalt hätte auch im Ausland Gehör gefunden. Da aber deutschsprachiges Kino auf der anderen Seite des Atlantiks nicht zieht, wurde aus dem Thriller „Funny Games U.S“ (Kinostart: 29.5.2008) mit einer großartigen Naomi Watts in der Hauptrolle. Hier muss sich das Remake wahrlich nicht hinter der Vorlage verstecken.
© X-Verleih - Szene aus 'Funny Games U.S.'

Aber nicht nur Haneke wünschte seinen Filmen mehr Aufmerksamkeit aus dem Ausland. Auch Skandalregisseur Theo Van Gogh träumte davon, dass seine Filme in den USA anerkannt werden. Dass sich sein Traum jetzt verwirklicht hat, darf der Niederländer nicht mehr erleben, denn nach einem skandalträchtigen Kurzfilm wurde er von einem muslimischen Gläubigen erschossen. Seine ehemaligen Produzenten Bruce Weiss und Gijs van de Westelaken haben es sich zur Aufgabe gemacht, dem Regisseur mit dem Projekt „Drei mal Theo“ zu gedenken und drei seiner Filme mit englischsprachigen Darstellern neu zu verfilmen. Für den Ersten – „Interview“ (Kinostart: 29.5.2008) - stand Steve Buscemi nicht nur hinter der Kamera, sondern auch mit Sienna Miller davor. Da können wir nur hoffen, dass das Projekt genau so gelungen weitergeht, wie es angefangen hat.
© Kinowelt - Szene aus Steve Buscemis 'Interview'

Auch Kenneth Branagh hat nun mit “1 Mord für 2“ eine Neuadaption von “Mord mit kleinen Fehlern“ produziert, den Joseph L. Mankiewicz 1972 drehte. Damals spielte Michael Caine den eitlen Jungspund, der Sir Lawrence Olivier die Frau ausgespannt hat und dafür in ein fieses Katz-und-Mausspiel verwickelt wird. Größter Unterschied: Heute sieht’s ein bisschen stylischer aus, und Caine spielt den Alten, während Jude Law den Aufreißer geben darf. Auch nicht besonders innovativ, schließlich hat Law schon mal Caines Rolle in einem Remake übernommen: in “Alfie“.
© Concorde - Szene aus '1 Mord für 2'

Manchmal sind die alten Filme auch tatsächlich in ihrer Zeitgeist-Bezogenheit so angestaubt, dass man damit wirklich keine jungen Menschen hinter dem Ofen hervorlocken kann. Die Gender-Komödie „Alfie“ ist so ein Fall. Chauvis gibt es zwar auch heute noch mehr als genug, doch benehmen sie sich in der Mehrzahl nicht mehr wie Michael Caine als Titelfigur des Films von 1965, der im übrigen in Deutschland unter dem etwas piefigen Titel „Der Verführer lässt schön grüßen“ lief. Vor allem aber kann man sich als Frau heute kaum noch vorstellen, was die Damenwelt damals bitte an Michael Caine sexy fand. Deswegen machte eine Neuinterpretation der Rolle durch Jude Law im Jahr 2004 durchaus Sinn– wenn das Ganze nur ein wenig inspirierter umgesetzt worden wäre.
© UIP - 'Alfie' 1965 (l.) und 2004 (r.)

Auch die romantische Komödie “Rezept zum Verlieben“ ist kein eigenständiges Filmwerk. Die Story um eine in Liebesdingen eher unbeleckte Köchin dürfte manch einem bekannt vorkommen. Denn sie ist beinahe eine 1:1-Adaption des deutschen Publikumslieblings “Bella Martha“, in dem 2001 Martina Gedeck den Kochlöffel schwang. Das Original war nett, aber mehr nicht. Gleiches kann man von der hübsch ausgestatteten Kopie behaupten.
© Warner - Szene aus 'Rezept zum Verlieben'

Remakes hat es in der Filmgeschichte schon lange gegeben, denn auch Regisseure wissen: Selbst Gutes kann man noch verbessern. So hat schon Alfred Hitchcock seinen Thriller „Der Mann, der zuviel wusste“ aus dem Jahr 1934, den er später selbst als dilettantisch empfand, im Jahr 1956 mit James Stewart und Doris Day meisterlich noch einmal verfilmt. Wenn es doch immer so wäre! Dann hätten wir gegen Neuverfilmungen überhaupt nichts einzuwenden. Doch in letzter Zeit ereilen uns immer mehr Remakes von Filmen, die einfach nicht mehr zeitgemäß sind oder – und das ist der neueste Schrei – von Produktionen, die in den letzten fünf Jahren erst die Leinwand erblickten. Fällt den Filmemachern in Hollywood denn gar nichts mehr ein, oder gehen sie einfach auf Nummer sicher?
© dpa, Alfed Hitchcock

Genauso wenig wie im Jahr 2004 die biedere Neuauflage von „Der Flug des Phoenix“, die ebenfalls unter identischem Titel ins Kino kam. Der Film war kein Stück moderner als sein Vorgänger von 1965, der mit James Stewart und Richard Attenborough immerhin namhaftere Stars als Dennis Quaid und Giovanni Ribisi aufzubieten hatte.
© dpa - 'Der Flug des Phoenix' 2004

Gleiches könnte man über Wolfgang Petersens uninspirierte Nachstellung der „Höllenfahrt der Poseidon“ sagen, die er unter dem etwas knapperen Titel „Poseidon“ Mitte 2006 an den Start brachte und an der Kinokasse Schiffbruch erleiden ließ.
© dpa - 'Poseidon' 2006

Ähnlich verschenkte Simon West („Con Air“, „Tomb Raider“) seine Chance bei seiner Wiederkäuung der Story aus dem Schocker „Das Grauen kommt um halb zehn“ aus dem Jahre 1979. Dabei ist das Thema Psychopath terrorisiert unschuldigen Babysitter nach wie vor zielgruppenaffin für die Kinogänger, die meist im Alter zwischen 14 und 29 sind. Doch gelang es seinem Scriptautor nicht wirklich, aus der Existenz von Mobiltelefonen ein paar hübsche Überraschungen für das Drehbuch des Remakes “Unbekannter Anrufer“ herauszuholen.
© Sony Pictures - 'Unbekannter Anrufer' 2006

Und Innovationsgeist muss auch nicht immer zur Besserung gereichen. So nervte Rupert Wainwrights „The Fog – Nebel des Grauens“ mit verwackelten Handkamerabildern, höchstens mittelmäßigen Darstellern und unfreiwilliger Komik. Dabei hatte John Carpenter es doch im gleichnamigen Original aus dem Jahre 1979 so schön vorgemacht. Vielen hätte es gereicht, wenn Wainwright das Vorbild einfach abgefilmt oder – noch besser – gleich davon abgesehen hätte.
© dpa - 'The Fog' 2005

Doch er ist nicht der einzige, der besser die Finger gelassen hätte von lauwarmen Neuaufgüssen der Streifen der Spätsiebziger-Horrorwelle, die nun nach einem Revival des Genres alle einer Frischzellenkur unterzogen werden sollen. Denn wer braucht noch ein „Amityville Horror“ (1979 bzw. 2005) oder „The Hills Have Eyes“ samt Fortsetzung (1977ff. bzw. 2006ff.)?
© Fox - 'Amityville Horror' 2005

Noch schlimmer wird’s aber, wenn sich Regisseure an Remakes von Hitchcock-Klassikern wagen. Der Thriller „Ein perfekter Mord“ mit Gwyneth Paltrow und Michael Douglas ist ja kein schlechter Film, doch leider nichts für Menschen, die „Bei Anruf Mord“ mit Grace Kelly mochten.
© dpa - 'Ein perfekter Mord'

Auch die Story von “Disturbia“ mutet vertraut an. Ein Jungspund hat Stubenarrest und darf das elterliche Anwesen nicht verlassen. Aus Langeweile beschattet er die Nachbarschaft und glaubt, einem Mord auf der Spur zu sein. Da er selbst nicht raus kann, schickt er seine Freundin vor. Na, macht’s “Klick“? Ja, das war die Geschichte von Hitchcocks “Fenster zum Hof“. Da saß James Stewart als an den Rollstuhl gefesselter Paparazzo in seiner Etagenwohnung und teilte Grace Kelly mit, was er durch sein Teleobjektiv gesehen hatte. Heute spielt Shooting-Star Shia LaBeouf den Hobby-Detektiv und muss das Haus hüten, weil er wie Lindsay Lohan eine elektronische Fußfessel trägt. Als Teeniefilm funktioniert “Disturbia“, wenngleich das Ende viel wieder zerstört. Mit dem Charme des Originals kann er allerdings nicht konkurrieren.
© Fox - 'Disturbia'

An ein Sakrileg grenzt es, sich den vielleicht berühmtesten Film des „Master Of Suspense“ vorzuknöpfen: „Psycho“. Selbst wenn man Gus Van Sant heißt. Zumal er der Story und dem Genre nichts Neues hinzuzufügen hat, wenn man von der Entscheidung für Farbaufnahmen mal absieht. Im Jahre 1960 gelang es Hitchock mit ein paar geschickten Schnitten, sich für immer im Bewusstsein seines Publikums festzusetzen: Altmodische s/w-Bilder wie in einem Film-Noir, ein Opfer, das durch Liebe in der Mittagspause und einen Diebstahl zur Sünderin wird und in einer virtuos zerstückelten Duschsequenz zum meistzitierten Sound der Filmgeschichte dahingemetzelt wird. Wer würde das je vergessen? Doch erinnern Sie sich noch, wie Gus Van Sant das umsetzte? Vermutlich nicht, und es ist auch nicht so schlimm.
© dpa - 'Psycho' (links Gus Van Sant, rechts Hitchcock)

Übler wird’s nur bei der Neuauflage von Komödien. Was haben wir Tränen gelacht über Peter Sellers in den zahlreichen Folgen von „Der rosarote Panther“! Und das könnten wir auch immer wieder – nur nicht, wenn Steve Martin in die Rolle schlüpft. Zwar haben sich die Macher der Klamotte ein paar eigene Gags ausgedacht, doch das hat alles nur noch schlimmer gemacht. Bitte, bitte hiervon keine Fortsetzung, auch wenn das gerade ebenso in Mode ist wie die Remakes!
© dpa - 'Der rosarote Panther' mit Steve Martin

Ebenso unlustig war Tom Hanks in „Ladykillers“. Den eleganten Witz des Originals mit Sir Alec Guiness aus dem Jahr 1955 sucht man jedoch in der Krimikomödie der Coen-Brüder von 2004 vergeblich. Stattdessen bekommt man einen aufgeregt mit den Flügeln schlagenden und radebrechenden Tom Hanks, dem irgendjemand von Method Acting erzählte und der hier ein Experimentierfeld gefunden hat.
© Buena Vista - 'Ladykillers' anno 2004

Vielleicht dachten sich die Produzenten, dass die junge Zielgruppe solche Klassiker, die lange vor ihrer Geburt gedreht wurden, gar nicht mehr kennen und froh sind, die Geschichten mit Mimen unserer Zeit nachgestellt zu bekommen. Mag sein, dass es manchem so geht. Aber eine Schande ist es trotzdem. Denn die Existenz der Remakes wird im Zweifelsfall verhindern, dass die jungen Kinogänger sich die Klassiker überhaupt noch anschauen, weil sie vielleicht der Meinung sind, den Stoff bereits zu kennen. Der einzige Vorzug ist, dass manchmal im Zug des Remakes das Original überhaupt erst ins Kino findet – oder wenigstens auf DVD erscheint.
© Buena Vista - 'Ladykillers' 2004

Eine ganz neue Dimension des Ego-Remixing hat jedoch Tom Cruise erfunden. Der Mann ist ja nicht nur als mittelmäßig begabter Mime unterwegs, sondern auch als Produzent äußerst erfolgreich und fördert zusammen mit Paula Wagner auch junge Talente. So entdeckte er vor einigen Jahren den spanischen Film „Abre los ojos – Open Your Eyes“ (1997) und setzte alle Hebel in Bewegung, um ein US-Remake auf die Beine zu stellen. Man kann sich förmlich vorstellen, wie Tom Cruise mit Blendax-Lächeln beim Pitch saß und die Produzenten beschwatzte: „Die Story ist einfach geil, das Mädchen (im Original wie im Remake seine spätere Freundin Penélope Cruz) auch, der Film hat nur einen Haken: Ich spiele nicht mit, aber das können wir ändern“. Oder so ähnlich. Sogar Cameron Diaz und Cameron Crowe hat er für sein Projekt gewonnen, das unter großem Bohai als „Vanilla Sky“ ins Kino kam. Und was hat uns am meisten gestört an Crowes bizarrem Rock-Alptraum? Tom Cruise.
© dpa - Tom Cruise und Penelope Cruz bei der spanischen Premiere von Vanilla Sky

Doch auch die Marotte, europäische Indie-Hits nicht in den USA zu spielen, sondern sie lieber gleich mit Hollywoodbesetzung für ein Vielfaches des ursprünglichen Budgets neu zu drehen, macht gerade Schule. Allerdings gelang Zach Braff das Kunststück, aus der etwas geschwätzigen italienischen Dramödie „Ein letzter Kuss“ gerade einmal fünf Jahre später eine moderne und überzeugende US-Komödie zu machen. Eine Seltenheit im Kopier-Geschäft.
© dpa - 'Ein letzter Kuss' Original

Und selbstverständlichen wird auch nicht vor deutschen Filmen haltgemacht. Nicht nur “Bella Martha“ wurde für den US-Markt gleich mit US-Stars aufpoliert. Auch Hans Weingartners Cannes-Erfolg aus dem Jahr 2004, „Die fetten Jahre sind vorbei“ mit Daniel Brühl, hat US-Regisseur Brad Anderson („The Machinist“) so gut gefallen, dass er ihn gleich noch mal drehen will. Mehr hat man von dem Projekt allerdings noch nicht gehört. Ob Daniel Brühl da wieder mitspielen darf, ist noch offen. Aber da die Revoluzzer-Story künftig in den USA angesiedelt sein soll, ist das eher unwahrscheinlich. Für Deutsche mit einem winzigen Akzent hat Hollywood meist nur die Nazis im Repertoire – oder die burschikose Freundin aus Deutschland, die Franka Potente ab und an mimen darf.
© dpa - Die fetten Jahre sind vorbei

Florian Henckel von Donnersmarcks “Das Leben der anderen“ soll das nächste Opfer des Remake-Wahns sein, der in der Traumfabrik grassiert. Da hat der Film gerade mal Anfang 2007 den Oscar für den besten nicht-englischsprachigen Film eingestrichen, schon denken gierige Produzenten an eine Neuauflage. Schließlich könnte man sich mit der herzergreifenden Story noch viel mehr Oscars unter den Nagel reißen, wenn nur Hollywood-Superstars die Hauptrollen spielen. Für die Regie haben die Ex-Miramax-Studiobosse Bob und Harvey Weinstein angeblich schon Anthony Minghella im Visier. Und für die Hauptrolle? Ach, wir wollen es gar nicht wissen. Ein “Leben der anderen“ reicht uns.
© dpa - 'Das Leben der anderen'
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