Quentin Tarantinos 'Django Unchained' - Filmkritik

4,5 von 5 Punkten
Quentin Tarantino, Regisseur blutrünstiger Baller-Orgien wie 'Pulp Fiction' und 'Kill Bill', schickt Jamie Foxx als schwarzen Westernhelden auf Rachefeldzug und zeigt en passant, was für ein grausames Kapitel die Sklaverei in den USA wirklich war. Doch auch wenn in seiner Mischung aus Spaghettiwestern und Blacksploitation-Movie so viel gequatscht wird wie noch nie einem Tarantino-Film und die Geschichte einen ernsten und politischen Hintergrund hat, gibt es jede Menge zu lachen. Da fällt es nicht so ins Gewicht, dass sich der Mittelteil der stolzen 165 Minuten ziemlich zieht. Wäre das nicht trotzdem auch etwas straffer gegangen?
Am Anfang macht das gemächliche Tempo auf jeden Fall Sinn: Ein Trupp Sklaven wird aneinander gekettet und barfuß von zwei Halunken auf Pferden durchs Niemandsland geschleift. Auftritt Christoph Waltz, der schon mit Tarantinos 'Inglourious Basterds' einen Oscar für die beste Nebenrolle gewann und erneut in dieser Kategorie nominiert ist. Er mimt mit sichtlichem Vergnügen den Quacksalber Dr. King Schultz 'from Düsseldorf (!)', der sich als Zahnarzt tarnt, aber eigentlich ein Kopfgeldjäger ist. Er sucht einen gewissen Django (Jamie Foxx, 'Ray', mausert sich im Laufe des Films zu einem wirklich coolen Western-Helden), der ihm helfen soll, per Steckbrief gesuchte Plantagenaufseher dingfest zu machen. Als die zwei Sklaventreiber nach einem extrem launigen Wortwechsel immer noch nicht zum Verkauf Djangos bereit sind, lässt der schwatzhafte Dr. Schultz nicht mehr die gedrechselten Worte, sondern deutlich die Waffen sprechen – man sitzt eben in einem Tarantino-Film. Die übrigen Sklaven der Karawane lässt er laufen, nicht ohne ihnen noch einen ironischen Spruch gedrückt zu haben.
Den verwirrten Django nimmt er mit und lässt ihn frei, nachdem dieser auf Big Daddys ('Miami Vice'-Star Don Johnson) Farm sehr effektiv die Gesuchten umgenietet hat. Die beiden Männer bleiben zusammen, und Dr. Schultz heuert Django als Kompagnon an. Der kann Geld und Schultz' Connections dringend gebrauchen, will er doch seine verschleppte Frau Broomhilda (L'Oréal-Beauty Kerry Washington) befreien oder zumindest zurückkaufen. Den Weg dahin pflastern Leichen, denn wo das ungleiche Gespann auftaucht, gibt es Ärger. Zum einen, weil die steckbrieflich Gesuchten natürlich nicht freiwillig mitgehen. Zum anderen, weil die weißen 'Hillbillies' entrüstet sind, dass es ein Afroamerikaner wagt, überhaupt ein Pferd zu besteigen.
Viel Humor, exzellente Darsteller

Quentin Tarantino wurde lautstark kritisiert dafür, dass in seinem Streifen mehr als hundert Mal das sehr unfeine N-Wort für 'Afroamerikaner' zu hören ist. Was in 'Pulp Fiction' pure Provokation war, geht hier als Gesellschaftskritik durch: Das war kurz vor dem Sezessionskrieg für Farbige in den USA ihr tägliches Los, und auch heute noch werden in dem Land viele Menschen wegen ihrer Hautfarbe diskriminiert. Tarantino zeigt, wie es war – und ist auch bei der Darstellung der Misshandlung von Sklaven durch weiße Plantagenbesitzer keineswegs zimperlich, obwohl er eine bereits entschärfte Version ins Kino bringt. Wie Weiße mit ihren afroamerikanischen Mitbürgern umgegangen sind, wird in den USA gern totgeschwiegen oder mit deutlich weniger Realismus gezeigt. Steven Spielberg präsentiert fast zeitgleich mit 'Lincoln' einen Streifen über die Abschaffung der Leibeigenschaft, in dem quasi kein Sklave vorkommt und weiße Männer heldenhaft ihre Mitbürger vom Los der Sklaverei befreien.
Dass Django auf Rache sinnt, ist nur allzu natürlich – ein Motiv, das Tarantino schon immer fasziniert hat und auch zum Western-Repertoire gehört. Um Djangos Motive zu veredeln, lässt Tarantino, der wie immer auch das Drehbuch schrieb, seinen schwarzen Helden aus Liebe handeln – leider der schwächste Aspekt seiner Geschichte, weil Kerry Washington trotz Tarantinos Vorliebe für starke Frauenrollen auf das passive Opfer reduziert wird. Die Herren der Schöpfung hingegen dürfen alle glänzen – ob Leo DiCaprio in seiner ersten richtigen Bösewicht-Rolle als sadistischer Plantagenbesitzer Calvin Candie oder vor allem Samuel L. Jackson mit einer großartigen Performance als Haussklave, der Django ein noch größerer Feind ist. In der Mitte wird dann leider ein bisschen zu viel gequasselt. Und nicht alles passt so richtig ins Filmkonzept. Weil es aber zum Teil zum Brüllen komisch ist, sieht man das Tarantino gern nach.
Von Mireilla Zirpins