Schreiend vor Schmerzen liegt eine schwangere Frau im Dreck und bringt im Winter 814 ihr Baby zur Welt. Der streng gläubige Vater des Kindes wendet sich angewidert ab, als er sieht, dass er eine Tochter bekommen hat. Schon die Anfangssequenz macht dem Zuschauer klar, dass dieser Film keine leichte Kost werden wird. ‚Die Päpstin’ erzählt nach dem Vorbild des Romans von Donna Cross eindrucksvoll die Geschichte der Johanna, die in eine patriarchalische Welt hineinwächst, in der kirchliche Werte alles und Frauen gar nichts bedeuten.
Schon als kleines Mädchen kann Johanna (in jungen Jahren gespielt von Tigerlily Hutchinson bzw. Lotte Flack) nicht verstehen, dass nur ihre Brüder lesen und schreiben lernen dürfen. Ihr Vater, der Dorfpriester, versucht, seine aufmüpfige Tochter unter Kontrolle zu bringen – zur Not mit der Peitsche. Doch dadurch reift in Johanna nur noch mehr der Wunsch, Antworten auf ihre Fragen zu finden. Gegen den Willen ihres Vaters bekommt sie Unterricht von ihrem ältesten Bruder Matthias und dem Gelehrten Aesculapius (Edward Petherbridge) und mausert sich zu einer kleinen Feministin. Auf Aesculapius’ Wunsch wird Johanna schließlich als erstes Mädchen in der Domschule aufgenommen. Dort stößt sie auf große Ablehnung. Nur Graf Gerold (der schmucke David Wenham aus ’300’, ’Herr der Ringe’ und ’Australia’) zeigt sich gütig und nimmt Johanna bei sich auf.
Aus väterlicher Fürsorge erwächst zwischen Gerold der erwachsenen Johanna (nun Johanna Wokalek, ’Der Baader Meinhof Komplex’, ’Barfuss’) eine Liebe, die unter keinem guten Stern steht. Nachdem Gerold in den Krieg gegen die Normannen zieht und ihr zweiter Bruder Johannes im Kampf getötet wurde, entschließt sich Johanna, die Identität ihres Bruders anzunehmen. Sie schert sich die Haare, bindet ihren Busen ab und flieht in ein Kloster, wo sie sich als Johannes Anglicus einen Namen macht. Ihr Aufstieg als Geistliche beginnt, der sie als Papst an die Spitze der katholischen Kirche bringt. Doch schnell wird klar, dass ihre Lebenslüge aufzufliegen droht.
Historiker streiten bis heute, ob es Päpstin Johanna wirklich gegeben hat. Kirchenkritiker halten das Fehlen von Belegen gar für einen Hinweis darauf, dass der Vatikan die Spuren bewusst vertuscht haben könnte. Die unklare historische Beweislage hielt Regisseur Sönke Wortmann (’Deutschland. Ein Sommermärchen’, ‚Das Wunder von Bern’) jedoch nicht davon ab, den Erfolgsroman zu verfilmen. ’Es ist egal, ob es sie je gegeben hat oder ob sie nur eine Legende ist’, sagte er uns im Interview.
Recht hat er, denn auch ohne nachweisbaren Wahrheitsgehalt ist ‚Die Päpstin’ ein interessanter Stoff. Nur leider sind die 148 Minuten Länge eine echte Herausforderung für den Zuschauer. Nach einem fast traumatisierenden Beginn flacht die Story ab und verliert sich in Johannas Gefühlstaumel. Erst gegen Ende, als sie es schafft, Rom für sich zu gewinnen, nimmt das Historienepos wieder Fahrt auf. Mit melancholischer Stimmung und dunklen Bildern erinnert ‚Die Päpstin’ phasenweise stark an ’Das Parfum’, steht in der handwerklichen Qualität jedoch deutlich hinter diesem zurück.
So altert Gerold, obwohl er Johanna von Kindesbeinen an begleitet, während des gesamten Films kein bisschen, während sich die Maske bemüht, Johanna zumindest ein etwas reifer werden lässt. Auch Johanna Wokaleks clownbleiche Schminke hält den Zuschauer auf Abstand. Die Krönung aber sind Leichen, die noch atmen und mit den Augen zwinkern. Auch mit seinem Männerbild schießt Wortmann an manchen Stellen übers Ziel hinaus. Die oberflächliche Verallgemeinerung der Mannsbilder als vergewaltigende, korrumpierende Mörder ohne allzu viel Hirn verleiht dem Film nicht den gewünschten feministischen Touch, sondern mutet eher plump an.
Doch die fabelhafte Besetzung reißt solche Aussetzer zumindest teilweise wieder heraus. Vor allem Lotte Flack als junge und Johanna Wokalek als erwachsene Johanna brillieren in ihren Rollen. Die Verzweiflung und der Wille zur Veränderung sind zu jedem Zeitpunkt spürbar. David Wenham als kriegerischer Gerold ist ebenso eine Optimalbesetzung, da man ihn bereits aus vorherigen Rollen als Schwert schwingenden Helden kennt. Etwas ungewöhnlich wirkt zunächst John Goodman (’O Brother, Where Art Thou?’, ‚The Big Lebowski’) in der Rolle des alternden Papstes. Doch Goodman schafft es perfekt, seine humoristische Art der Rolle anzupassen, auch wenn er sich in der Pressekonferenz beschwerte, dass er im Film keine Sonnenbrille tragen durfte.
Für die zahlreichen Leser des gleichnamigen Bestsellers und für Kirchenkritiker ist ‚Die Päpstin’ sicher interessant. Fans historischer Schlachtplatten könnten sich hingegen schnell an der schweren Kost verschlucken, denn Liebesszenen oder effektvolle Actionsequenzen sind in dem zweieinhalbstündigen Streifen eher die Seltenheit. Stattdessen gibt es die stumpf chronologisch erzählte Geschichte der Johanna und ihren Kampf in einer Männerwelt, in der die Frau nur zum Kinderkriegen taugt - mit mehr Dialogtext, als man sich wünscht.