Nach der erschöpfenden Tour de Force mit „Herr der Ringe“ und „King Kong“ hat Peter Jackson den „Hobbit“ an Guillermo Del Toro abgetreten und sich einen für ihn eher untypischen Stoff ausgesucht: Die Verfilmung eines Bestsellerromans von Alice Sebold. Darin erzählt ein 14-jähriges Mädchen aus dem Jenseits, wie es von einem Sittenstrolch ermordet wurde, wie seine aufkeimende erste Liebe so jäh ein Ende fand und was fortan mit seiner Familie passiert. Ein echter Frauenstoff also, und dann verfilmt von einem Mann, der auch vor seiner Tolkien-Saga echte Jungsfilme wie „Braindead“ gemacht hat?
Warum nicht? Vergessen Sie nicht, dass Peter Jackson auch in seinem Riesenaffen-Drama oder der Ringe-Trilogie gern auf Herzschmerz vor Sonnenuntergang-Kulisse setzte. Diesen Hang kann er bei dem anrührenden Mädchenmord-Stoff „In meinem Himmel“ komplett ausleben, vor allem bei der Ausgestaltung der himmlischen Gefilde. Die ermordete, aber wieder sauber gebadet aussehende Susie Salmon (Saoirse Ronan, die schon in „Abbitte“ Keira Knightley an die Wand spielte) turnt durch eine Phantasiewelt, die verdammt an die Paintbrush-Landschaften erinnert, die sich meine Klassenkameradinnen in den Achtzigern über ihr Bett pinnten. Sommerlandschaften wechseln mit winterlichen Anmutungen, und die Blätter eines Baums verwelken nicht zu fahlem Laub, sondern zu einem Schwarm Zugvögel. Wer's mag...
Das war im Roman schon kitschig, aber Jackson hat noch ordentlich einen drauf gelegt. Und während das Buch seinen Charme unter anderem daraus bezog, dass der süßliche Teenie-Himmel kontrastierte mit der emotional schonungslosen bis brutalen Erzählung der toten Protagonistin, lässt Jackson hier allerhand frappierende Details ersatzlos weg. Dass der schleimige Nachbar Mr. Harvey (aalglatte Performance von Stanley Tucci) Susie nicht nur in einem unterirdischen Verschlag umbringt, sondern sich vorher noch an ihr vergeht, wird nie thematisiert. Wenn man die Geschichte nicht kennt, ahnt man es erst, als bekannt wird, wie viele andere Frauen und Mädchen dieser Gestörte auf dem Gewissen hat. Denn Susies Leiche wird nie gefunden.
Im Buch ist da wesentlich expliziter. Da muss ein Polizist den armen Eltern (etwas farblos: Mark Wahlberg und Rachel Weisz) die grausige Nachricht überbringen, dass man nur Susies Ellbogen gefunden hat. Im Interview verteidigt sich Jackson: „Es ist eben sehr schwer, so einen Ellbogen glaubhaft darzustellen, da haben wir uns für die Mütze entschieden“ Man hätte den Armknochen ja wenigstens im Dialog erwähnen können, damit der schön doppeldeutige Originaltitel „The lovely bones“ seine Bedeutung behält. Aber nun gut.
Zum Glück hat Peter Jackson nicht auch noch aus Angst vor der Altersfreigabe sein Gespür für Suspense unterdrückt. Man fiebert wirklich mit, ob Papa Salmon und Susies kleine Schwester Lindsey (gut gespielt von Rose McIver) Mr. Harvey doch noch etwas nachweisen können, wenn sich schon die Polizei so blöd anstellt, dass es wehtut. Und Jackson hat Saoirse Ronan, diese junge Ausnahmedarstellerin, die ihrer Susie eine zarte Fragilität verleiht und die Seele des Films ist. Ihr gelingt der Spagat zwischen dem gut gelaunten Teenager, der viel zu früh aus dem Leben gerissen wird, und dem verzweifelten Mädchen aus der Zwischenwelt, das nicht machtlos dabei zusehen will, wie die Familie am Tod der Tochter zerbricht. Dieser talentierten jungen Irin zuzusehen, die verdient schon mit 13 für „Abbitte“ eine Oscar-Nominierung erhielt, das macht soviel Spaß, dass man Jackson, dem hier nicht der große Wurf gelungen ist, sogar den Kitschhimmel nicht mehr so übel nimmt.
Von Mireilla Zirpins