'Nymphomaniac 1' mit Shia LaBeouf und Charlotte Gainsbourg: Plattes Gerammel, wenig Erotik

3 von 5 Punkten
Wenn Sie immer schon mal wissen wollten, was passiert, wenn Lars von Trier sich fragt, warum hier Stroh rumliegt, dann sind Sie bei seinem neuen Film 'Nymph(o)maniac' goldrichtig. Für Menschen, die noch nie einen Pornofilm gesehen haben oder von Triers 'Antichrist' vorzeitig verlassen mussten, ist das vierstündige Werk, das in zwei Teilen (Start: 20.2. und 3.4.2014) in die Kinos kommt, jedoch nicht zu empfehlen.
Von Mireilla Zirpins
Von Trier hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass er auf Pornos steht. Und Arthouse-Cineasten wissen, dass bei ihm die Frauen meist leiden müssen, besonders gern, wenn sie ein erfülltes Sexualleben haben. Hier hat er nun seine Leidenschaften kombiniert und endlich seine ganz eigene Sexfantasie gedreht – unter dem Deckmäntelchen des Kunstfilms. Und er hat es geschafft, trotz Großaufnahmen von erigierten Penissen und allerhand expliziten Sexszenen eine Altersfreigabe ab 16 zu bekommen, vermutlich vor allem, weil das Ganze höchstens abtörnend wirkt und als Wichsvorlage für niemanden zu gebrauchen ist. Dabei darf man sich getrost fragen, ob man das alles so im Detail sehen muss und möchte, was von Trier da zeigt, zumal auch auf der Tonspur einige bedenkliche Äußerungen dabei sind.
Dabei ist der erste Teil ganz klar der harmlosere, obwohl er sich sehr offen mit kindlicher und jugendlicher Sexualität beschäftigt. Am Anfang wird die Protagonistin Joe (Charlotte Gainsbourg, die bisher als einzige Schauspielerin bereit war, gleich drei Mal für das dänische enfant terrible vor die Kamera zu treten, während Kolleginnen wie Björk oder Nicole Kidman traumatisiert von schlechten Erfahrungen mit von Trier zu sein schienen) zusammengeschlagen in der Gosse aufgefunden – von einem geheimnisvollen Unbekannten namens Seligman (Stellan Skarsgård, ebenfalls ein von-Trier-Veteran, der schon bei 'Breaking The Waves' und 'Melancholia' dabei war). Der nimmt sie mit in seine versiffte Bude, und sie erzählt dem wildfremden Mann, etwas manieriert in Kapitel unterteilt, die Geschichte ihres Lebens, die vor allem eine ihrer Sexsucht ist. Und von Trier lässt seine Protagonistin von Anfang an kein Blatt vor den Mund nehmen: 'Ich entdeckte mit zwei Jahren meine Möse'.
Nageln nach Zahlen

Die Darstellung von Joes kindlicher Sexualität ist explizit, wenn sie beispielsweise ihres Höschens entledigt mit einer Freundin über den nassen Badezimmerboden robbt. Allerdings achtet von Trier penibel darauf, dass seine Kinderdarstellerinnen stets so gefilmt werden, dass sie bekleidet wirken. Man darf das aber trotzdem getrost merkwürdig finden, vor allem wenn ein kindlicher Orgasmus wie eine Vision auf einem mittelalterlichen Altarbild gezeigt wird. Mit 15 wird Joe (nun gespielt vom britischen Model und Leinwand-Neuling Stacy Martin) dann von einem tumben Mechaniker entjungfert ('Transformers'-Bubi Shia LaBeouf), der drei Mal ins vordere Loch stößt und fünf Mal hinten rein. 'Drei und fünf – das sind ja beides Fibonacci-Zahlen!', jubelt Joes Zuhörer Seligman auf der Gegenwarts-Ebene, um fortan Joes sexuelle Handlungen stets in einen größeren kulturellen Kontext einzuordnen. Das wirkt leider noch bemühter als Professor Langdons ständige kulturhistorische Erklärungen in Dan Browns Romanen, zumal man Pferdeäpfel mit Birnen vergleichen würde, wenn Seligman Joes Rein-Raus-Spielchen mit Bachs Polyphonie gleichsetzte. Fibonacci-Ficken! Sowas muss man(n) sich auch erst mal ausdenken.
Es folgen allerhand Altherren-Fantasien wie eine Zugfahrt zweier Freundinnen ohne Fahrschein, bei denen sie um eine Tüte Schokolinsen wetten, wer während der Reise mit mehr Männern Sex haben wird. Wer ein Problem damit hat, dass auch mal Sperma aus einem Mund läuft, sei gewarnt: In Teil 2 wird es in dieser Hinsicht richtig zur Sache gehen, das war jetzt nur die 'Kindervorstellung'. Meist bleibt es in den ersten zwei Stunden jedoch sogar geschmackvoll, was vor allem an der Kameraarbeit von Manuel Alberto Claro liegt, der auch schon bei von Triers 'Melancholia' schöne Bilder für dessen Weltuntergangsfantasie fand. Es gibt durchaus anrührende Momente und eine starke Szene mit Uma Thurman in Höchstform, doch leider ist vieles so platt und plakativ, dass man sich immer wieder über von Trier ärgern muss. Dazu wirken die Kapitel wenig homogen, die vielen Off-Dialoge von Joe und Seligman lassen den Zuschauer genauso ermüden wie Joes ständiges Gerammel. Aber alles nichts im Vergleich zu Teil 2, den wir getrennt rezensieren - nicht nur, weil wir ihn deutlich schlechter bewerten, sondern auch, um hier nicht zu viel zu verraten, falls Sie sich beide Teile wirklich antun wollen.
Kinostart Teil 1: 27.02.2014