McGregor und Brosnan halten Polanski die Stange

Ewan McGregor und Pierce Brosnan, Hauptdarsteller des spannenden Thrillers ’Ghostwriter’, strahlten auf dem Roten Teppich zwar gemeinsam um die Wette, machten aber keinen Hehl daraus, wie sehr sie bedauern, dass der Regisseur selbst nicht dabei sein konnte. Polanski sitzt in der Schweiz in seinem Chalet ein Hausarrest ab. Die eidgenössischen Behörden hatten ihn im vergangenen Herbst verhaftet – für die Verführung einer Minderjährigen, die mehr als 30 Jahre zurückliegt. Polanski hatte sich damals jedoch nicht dem Prozess in den USA gestellt, sondern fluchtartig das Land verlassen und seitdem in Frankreich gelebt. Während die beiden Schauspieler öffentlich ihr Unverständnis über die Situation äußerten - ’Ich war geschockt und habe mich gefragt: Warum nach all den Jahren’, gestand Brosnan bei der Pressekonferenz – zeigt der Film frappierende Parallelen zum Schicksal Polanskis.
© dpa

250.000 Dollar für die Memoiren eines britischen Top-Politikers? Da muss doch was faul sein. Trotzdem nimmt der Auftragsschreiber, der von Ewan McGregor mit wunderbarem Understatement gespielt wird und im Film konsequenterweise keinen Namen trägt, das Angebot an, die Vita des ehemaligen britischen Premierministers Adam Lang (schön jovial: Pierce Brosnan) zu verfassen. Prompt wird er schon auf dem Heimweg vom Verlagsmeeting von Unbekannten vermöbelt und ausgeraubt. Da kann man es mit der Angst zu tun bekommen, vor allem, weil man weiß, dass vor ihm schon ein anderer an dem Buch saß, der aber auf äußerst mysteriöse Weise ums Leben kam.
© dpa

Der perfekte Stoff also für Roman Polanski, der in Psycho-Thrillern wie “Der Mieter“ oder “Rosemaries Baby“ immer schon eine untergründige Spannung kultivierte. Anders als in Hollywood-Durchschnittsware, wo dem Protagonisten alle fünf Minuten jemand von hinten ins Genick springen muss, ist die Bedrohung bei Polanski stets nur latent spürbar, aber immer vorhanden. Düstere Schlechtwetterfronten verkünden Unheil, als der Ghostwriter zur Promi-Insel Martha’s Vineyard übersetzt, auf der das Manuskript seines Vorgängers besser bewacht zu werden scheint als das Weiße Haus. Aber das typische Filmgewitter bleibt aus. Polanski macht das subtiler.
© Kinowelt

Schon beim ersten Interview für das Buch drängt sich der Eindruck auf, dass der Ex-Premier ein aalglattes Arschloch ist. In der Tat: Während sich Assistentin/Affäre (Kim Cattrall) und Ehefrau (Olivia Williams) in der Designer-Villa die Augen auskratzen, enthüllen TV-Journalisten, dass Lang in seiner Amtszeit die CIA bei Folterflügen unterstützt haben soll. Ein Typ also, der nicht zimperlich ist. Und genauso wenig sind es die Unbekannten, die das Hotelzimmer des Ghostwriters verwüsten und ihm auch sonst auf Schritt und Tritt zu folgen scheinen. Da beschließt er, selbst herauszufinden, welches dunkle Geheimnis Lang birgt und warum der erste Biograph sterben musste – eine Suche, die unseren Mann ebenfalls in Lebensgefahr bringt.
© Kinowelt

Kühl, unerbittlich und mit feinem Humor inszeniert Polanski, wie der Schreiberling in diesen Sumpf aus Intrigen und Mord hineingezogen wird. Ewan McGregor spielt den zunächst etwas naiven Mann, der mit einer Mischung aus Ungläubigkeit und Ablehnung in die Sache hineingerät, virtuos natürlich und glaubhaft. Ebenso nachvollziehbar gelingt ihm der Wandel seiner Figur zum Getriebenen, der nicht weiß, ob er seine Angst mehr fürchtet oder seinen Gegner.
© Kinowelt

Den Politiker, dem schon in Robert Harris’ Roman ’Ghost’ Leser und Kritiker deutliche Ähnlichkeiten mit Tony Blair attestieren, gibt Pierce Brosnan genüsslich als gelackten Typen, der sich seinem Memoirenschreiber grundsätzlich im verschwitzten Jogging-Anzug gegenübersetzt, um Volksnähe zu beweisen. Polanski hatte für den Part immer schon den Ex-Bond im Kopf, da sein Lang nicht wie ein lebender Politiker aussehen sollte, aber so wirken musste wie einer, den die Leute auch wählen. Doch auch Polanski, der mit Harris an einem Film arbeitete, während letzterer an ’Ghost’ schrieb, hat den Romanautor inspiriert: Als Lang fürchten muss, vor ein Kriegsgericht gestellt zu werden, erwägt er, Exil in den USA zu suchen. Eine schöne Parallele zu Polanski, der seit über 30 Jahren keinen Fuß mehr in die Vereinigten Staaten setzen konnte, weil er sonst sofort verhaftet worden wäre.
© Kinowelt

Während sein trotz 128 Minuten Laufzeit extrem spannender Thriller mit einem politisch brisanten und immer noch topaktuellen Thema das Berlinale-Publikum begeisterte, arbeitet Polanski, eingesperrt in sein Ferienhaus im schweizerischen Gstaad, schon an seinem nächsten Film. Fast so spannend wie sein ’Ghost’ bleibt jedoch die Frage, ob er ihn in nächster Zeit wird inszenieren können. Denn im Falle einer Auslieferung in die USA drohen ihm bis zu vier Jahre Haft.
Von Mireilla Zirpins
© Kinowelt
01 07
