Max Raabe im exklusiven Interview (Teil 1)

Große Gefühle mit ironischen Brüchen
„Für Frauen ist das kein Problem“, findet Max Raabe und lobt auf seiner so betitelten neuen CD das weibliche Multi-Tasking-Können in den höchsten musikalischen Tönen. Nach der äußerst erfolgreichen Zusammenarbeit mit Annette Humpe bei der letzten CD „Küssen kann man nicht allein“, hat sich der Frontmann des „Palast Orchesters“ erneut mit der deutschen Ausnahmemusikerin zusammengetan. Mit ironischem Wortwitz und sanfter Melancholie werden auf „Für Frauen ist das kein Problem“ Beziehungsprobleme, Liebeskummer und patente Frauen besungen. RTL.de traf Max Raabe zum Interview.
Von Claudia Drechsel
Herr Raabe, Ihre neue CD heißt „Für Frauen ist das kein Problem“, was ist denn für Männer kein Problem?
Männer haben immer Probleme. Und sie sind dann ganz neidisch, wenn sie sehen, dass bei Frauen alles flutscht und klappt.
Wie sind Sie auf den Titel gekommen?
Das war eine Idee von Annette Humpe. Anfänglich hatten wir überlegt, ein Stück über Männer zu machen, die alles hinkriegen. Das alles natürlich ein bisschen selbstironisch. Da sind wir aber schnell ans Ende gekommen, es hat uns keinen Spaß gemacht. Wir fanden es viel schöner, tolle Sachen über Frauen zu schreiben. Man hat so den Eindruck, wenn Frauen zusammen mit ihren Kindern in der Stadt unterwegs sind und nebenbei noch dies und das machen, dass sie dafür schon eine größere Begabung haben als Männer. Auch, wenn es ein Mythos sein sollte, hat man doch den Eindruck, es ist eine Menge Wahres dran.
Mythos ist ja auch, dass Männer und Frauen nicht so gut zusammen passen. Hat sich das in der Zusammenarbeit mit Annette Humpe gezeigt?
Die Arbeit mit Annette Humpe ist grandios! Ich habe ja vorher auch schon allein geschrieben, aber das richtige Vergnügen habe ich jetzt erst kennen gelernt. Zum Beispiel, wenn man sich gegenseitig Sätze vorliest. Oder auch, wenn man eigene Unsicherheiten hat und denkt: „Ist das jetzt eine gute Idee?“ und dann jemand sagt: „Das ist doch klasse!“. Man selber hängt manchmal, aber zu zweit kommt man viel schneller voran. Ich kann mir gar nicht vorstellen, je wieder etwas alleine zu schreiben, nachdem mir das hier so einen Spaß gemacht hat.
Schreiben Frauen anders als Männer?
Oh ja! Annette schreibt da eh ganz anders. Sie hat schon auch ihre Frauenthemen im Hintergrund. Wenn ich beim Titel „Für Frauen ist das kein Problem“ zu hausfraulich wurde in meinen Beschreibungen, dann hat sie gesagt: „Die machen aber nicht nur in der Küche sauber und kochen Kaffee, sie sind ja auch zum Beispiel in der Regierung. Sie hat immer genau aufgepasst, dass das Licht auch optimal auf die Frauenwelt fiel.
Es sind viele Liebeslieder auf der CD, waren die Unterschiede zwischen Annette und Ihnen beim Schreiben dieser Texte besonders deutlich? Gehen Männer rationaler an das Thema Liebe ran?
Ich bin da eher humorvoll, die Ironie ist bei mir zu Hause. Annette sagt, das sei herrlich, denn normalerweise gibt es keine Ironie in der Popmusik. Da ist immer alles ganz eindeutig, die wahren großen Gefühle. Ich habe nichts gegen große Gefühle, aber irgendwann juckt es mich immer, einen Bruch reinzubringen. Annette findet das auch toll, bloß ich übertreibe dann manchmal, findet sie. Mir ist es dafür manchmal zu gefühlig, wenn sie mit Ideen kommt. Das Vergnügen ist dann sozusagen, den Mittelweg zu finden. Das ist das Besondere daran. Wir haben einige ernste und gefühlsstarke Stücke, aber der Humor und die Brüche, die im Leben ja eh immer stattfinden, stellen sich bei unseren Texten ein.
Wie ist es, solch emotionale Texte selber zu schreiben, wenn man bislang nur klassische Musikstücke neu fürs Palast Orchester arrangiert oder sehr ironische Songs wie „Kein Schwein ruft mich an“ selber getextet hat?
Total schwierig! Ich hab immer gesagt, es gibt im Repertoire des Palast Orchesters so viele wunderbare Liebeslieder, warum sollte ich dann welche schreiben? Aber mit Annette bin ich darauf gekommen, dass man auch Liebeslieder schreiben kann, ohne die gängigen Klischees zu bedienen, die in anderen Liebesliedern immer wieder auftauchen. Man schreibt dann wohl über die Liebe, benutzt aber andere Bilder dafür. „Als ich dich wollte, wolltest du mich nicht“, ist zum Beispiel natürlich auch ein Liebesleid, trotzdem ist es nicht so ein „Ich hab dich so lieb, du bist der Stern am Himmel“-Text. „Mir kann nichts passieren“ ist hingegen ein Stück, in dem keine Ironie vorkommt, es ist einfach ein wahres, warmherziges Liebeslied. Seine Liebe auszudrücken, in dem man sagt „Ich schlafe am besten neben dir, wenn du nicht da bist, zähle ich Schafe, ich wünschte, du wärst hier“, ist eben eine Liebeslied, dem nichts hinzuzufügen ist.
"Man muss die vorbeifahrenden Enten ignorieren"

Hatten Sie die Idee zu dem wunderbaren CD-Cover und Booklet? Auf den Bildern gehen Sie mit dem ganzen Palast Orchester im Smoking ins Wasser.
Als ich mir alte Sommerbilder angesehen habe, hab ich mir gedacht, das müsste man machen, man steht einfach im Wasser, aber im Smoking. Das ist natürlich eine vollkommen absurde Situation und hat mit dem, was auf der Platte ist, nichts zu tun. Aber ich finde es auch langweilig, wenn man doppelt, was man singt. Einfach irgendein Foto zu machen, das gar nichts damit zu tun hat, und trotzdem hat es eine Aussage. Man steht da im Smoking im Wasser und durch die zufällig anwesenden Enten bekommt das Bild noch einen zusätzlichen surrealen Bruch.
Das hat aber auch eine gewisse Würde, wie Sie da im Wasser stehen …
Genau. Die Enten schwimmen vorbei, man steht bis zum Hals im Wasser, schaut freundlich in die Kamera und behält die Haltung. Man ignoriert die vorbeifahrenden Enten, weil man sich nicht um alles kümmern kann.