„Wir stellen uns in den Dienst einer höheren Sache.“
von Christina Rings
Caligola ist ein Underground-Netzwerk von kreativen Menschen, die ihre jeweiligen Talente einem großen Ganzen zur Verfügung stellen. Warum habt ihr euch dazu entschlossen, da mitzumachen?
Gustaf: Daniel, ein alter Freund von uns, hatte eine Graffiti-Ausstellung in New York. Zu der Zeit haben wir dort grade unser Album ‚Give Me Fire‘ fertig produziert und uns mit ihm getroffen. Da hat er uns von dem Netzwerk erzählt. Wir fanden die Idee von einer freien kreativen Verbindung großartig. Dass man sich im Namen von Caligola austoben kann.
Björn: Als wir jünger waren, haben wir viel mit Daniel gemacht. Wir haben viel mit Tattoo- und Graffiti-Künstlern und Malern abgehangen. Zu der Zeit waren das so ziemlich die einzigen kreativen Menschen in Schweden. Alle anderen waren …
Gustaf: … Death Metal …
Björn: … oder Kriminelle oder Idioten oder langweilige Nerds. (lacht) Ja, es hat gedauert, bis sich die Leute in Garagen getroffen und Musik gemacht haben. Dann hat einer die Plakate designt, ein anderer die Musik getextet, der nächste eine Show organisiert. Und so läuft das bei Caligola auch.
Das heißt, dass Caligola als Produkt vom Coverentwurf bis zum Sound von Caligola-Mitgliedern hergestellt wurde?
Björn: Genau, das Video, die Homepage, die Musik, die Organisation – das alles wurde von Caligola produziert. Aber viele Caligola-Künstler sind anonym und geben sich nicht zu erkennen.
Gustaf: Ich und Björn, wir sind offiziell in dem Netzwerk, weil wir kommerziell erfolgreich sind. Aber Straßenkünstler und Graffiti-Artists können das nicht, weil sie auch illegal unterwegs sind. Caligola ist nichts, über das man spricht – außer, man wird gefragt.
Klingt wie eine Geheim-Gesellschaft …
Gustaf: Genau! Es gibt Millionen Dinge auf der Welt, die sich unserem Wissen entziehen und sobald sie auf unserer Bildfläche erscheinen, kommen sie uns erst einmal fremd und mysteriös vor. Im Video zu der Single haben wir Caligola wie eine Sekte dargestellt, um mit dem geheimnisvollen Image zu spielen.
Björn: In dem Lied ‚Battle‘ geht es auch um den Kampf, den du jeden Tag mit dir selbst austrägst, mit deinen inneren Dämonen und der Umwelt. Und auch Caligola ist ein Symbol für diesen inneren Konflikt.
"Du musst dich mit deinen Dämonen konfrontieren."
Sorry, wenn ich das so sagen muss, aber die Masken, die Umhänge, das Geheimnisvolle, das Anarchische und die Idee einer anonymen Masse erinnern mich doch etwas an das System von ‚Anonymus‘. Nicht die Ideologie, nur die Art und Weise …
Gustaf: Anonymus haben gute Gründe, im Verborgenen zu agieren. Bei Caligola gibt es auch viele urbane Künstler und nicht jeder von ihnen hält sich ans Gesetz. Darum können sie sich nicht offiziell zu dem Netzwerk bekennen. Die Umhänge ermöglichen es, mit uns auf der Bühne zu stehen, ohne Identitäten preiszugeben.
Björn: Gleichzeitig ist es ein Symbol dafür, dass alle gleich sind – unabhängig davon, welcher Kultur sie angehören, oder welche Hautfarbe sie haben. Wir sind eine Einheit.
Wie kann man Mitglied bei Caligola werden? Gehe ich einfach irgendwohin und fülle ein Anmeldeformular aus, oder wie funktioniert das?
Gustaf: Ne, es funktioniert nicht wie Prostitution, wo man einfach zu jemandem geht und für Liebe bezahlt. Nicht, dass ich was gegen Prostitution habe – das ist ein harter Job. Außerdem haben wir viele Prostituierte bei Caligola … (lacht).
Wirklich?
Gustaf: Ja, wirklich. Wir haben Busfahrer, Piloten, Politiker, Drogendealer … Kunst lebt auf vielfältige Weise in unserer Gesellschaft. Ich beurteile nicht die Künstler, sondern nur ihre Kunst. Wenn du zu Caligola willst, zahlst du nicht und bekommst dafür Liebe. Es läuft ab, wie wenn du ein Mädchen kennenlernst. Es ist ein Geben und Nehmen und wenn es passt, dann geht man eine Beziehung ein. Wenn du also jemanden inspirierst, und die Person dadurch etwas schafft, das wiederum dich inspiriert, hast du eine Beziehung aufgebaut. So einfach ist das – jeder kann mitmachen.
Der Caligola-Sprecher Herr Wollter hat in einem offiziellen Video gesagt, dass es um das große Ganze und nicht um das einzelne Ego geht. Das stelle ich mir vor allem für Künstler, die es ja gewöhnt sich, im Rampenlicht zu stehen, schwer vor.
Gustaf: Das ist für alle der schwierigste Teil – egal, ob du berühmt bist oder nicht. Als Solokünstler MUSST du ja gerade auf dich und dein Ego fixiert sein, um dich durchzusetzen. Aber je mehr Leute dazukommen, desto mehr muss jeder einzelne sein Ego zurücknehmen. Das hier ist nicht Mando Diao! Das hier ist nicht die Vision von Björn und mir. Wir sind Sklaven unter … nein, das war jetzt nicht richtig (alle lachen). Wir sind keine Sklaven! Wir stellen uns in den Dienst einer höheren Sache. So kann man das nennen.
Björn: Genau, wir steuern das dazu bei, was wir am besten können und das sind Liveshows, Singen und Songwriting. Und ab und zu mal ein Interview (grinst).
Warum heißt euer Album ‚Back To Earth‘?
Gustaf: Erde steht für etwas Gutes, Sicheres - ein Gefühl von Heimat. Die Leute versuchen immer, sich besonders nett zu präsentieren, aber nett zu sein wäre für Kunst der absolute Horror. Als Künstler DARFST du die Dämonen in dir nicht ignorieren. Du musst sie rauslassen, dich mit ihnen konfrontieren, um gute Kunst zu machen. ‚Back to Earth‘ steht dafür, authentisch zu sein und sich mehr um sein Innerstes zu kümmern.
Und welche Dämonen schlummern in euch?
Björn: Das willst du gar nicht wissen (lacht).
Gustaf: Ich singe viel darüber. Aus irgendwelchen Gründen ist Sexualität bei Indie-Musik immer noch ein Tabu-Thema. Es ist Indern verboten, über ihre sexuellen Gefühle zu singen, also singen sie Dinge wie ‚Du hast schönes Haar‘ und so weiter … Bei Caligola ist das lockerer.