Maite Kelly im exklusiven Interview (Teil 1)

"Ich bin chaotisch, fleißig und sensibel"
Maite Kelly wollte früher eigentlich gar keine Solo-Künstlerin werden. Zum Glück hat sie sich das nochmal anders überlegt: Denn die sympathische Sängerin und Songwriterin versteht ihr Handwerk. Sich selbst beschreibt Maite als chaotisch, fleißig und sensibel. Aber die 33-Jährige hat noch viel mehr Facetten. Und genau die zeigt sie jetzt auf ihrem neuen Solo-Album "Wie ich bin". Wir haben Maite Kelly zum exklusiven Interview getroffen.
von Michaela Sabine Berg
Herzlichen Glückwunsch zu deiner neuen CD. Ich habe gelesen, dass die Platte für dich ein bisschen wie erwachsen werden ist. Bist du mit diesem Album jetzt angekommen?
Maite Kelly: Ich finde dieses Wort "ankommen" immer so wahnsinnig furchtbar, weil: Wenn man einmal angekommen ist, dann muss man wieder ankommen. Ich habe ja früher immer schon alles selber geschrieben, also meine Hits bei den Kellys wie 'Every Baby' und 'Roses of Red'. Aber ich wollte das Handwerk auch auf Deutsch entwickeln. Nachdem sich die Kelly Family aufgelöst hatte, habe ich viel mit deutschem Gesang zu tun gehabt. Ich habe diese Sprache unfassbar lieben gelernt und dann auch heimlich auf Deutsch geschrieben, aber mich nicht getraut, die Songs rauszubringen. Vielleicht hatte ich einfach zu viel Respekt vor dem handwerklichen Anspruch, den ich für diese Sprache brauche. Ich wollte aber auch kein überverkopftes Album machen. Das mag ich an den amerikanischen Popsongs so gerne, dass sie einerseits total leicht rüberkommen, man aber trotzdem für sich seine Tiefe rausholen kann, wenn man will. Mit diesem Album habe ich mich getraut, meine eigenen Songs mit deutschen Texten (Anm. der Redaktion) zu präsentieren - und jetzt weiß ich gar nicht mehr, wie man auf Englisch schreibt.
Momentan staune ich über all das, was passiert. Das kickt mich auch total. Ich habe auf meiner letzten Tour ein paar Songs von mir auf Deutsch live gesungen. Und wenn ich dann erlebe, wie die Leute meine Texte in dem Moment so stark wahrnehmen - gerade bei 'Auf den Boden' - dann erlebe ich den Song ja auch wieder komplett neu. Das ist tausendmal intensiver. Beim Englischen merkt man: Die Leute singen die Texte vielleicht ein bisschen mit und mögen die Melodie und die Emotion, aber beim Deutschen ist das wieder achtmal intensiver. Wenn man das als Künstler erlebt, ist man süchtig.
Was möchtest du den Fans mit dem neuen Album sagen?
Kelly: Ich glaube, der größte Kampf eines jungen Menschen heutzutage ist zu gucken, dass er er selbst bleibt. Im beruflichen Leben geht man Kompromisse ein, bei denen man im Nachhinein vielleicht überlegt: Wie konnte ich das nur machen? Man ist immer wieder mit der Frage konfrontiert: Wie bin ich? Was sind meine Werte? Und deswegen hat das Album auch viele verschiedene Facetten. 'Du glaubst du kennst mich' handelt von dieser Generation Praktikum. Alle freuen sich darüber, dass du nichts kostest und ruhig alle Arbeit machen kannst, aber du musst ja am Ende des Monats gucken, wie du deine Miete zusammenkriegst. Das ist ein langer, harter Weg.
Dann gibt es natürlich noch viele andere Facetten, bei 'Cowgirl' zum Beispiel: Ich habe eine sehr gute Freundin, die ist 37 und sucht immer noch nach dem Richtigen. Da habe ich mich mal ein bisschen in mein Single-Leben zurückversetzt und mir fielen dann viele Bilder ein, zum Beispiel, dass man sonntags alleine frühstückt oder dass man im Waschsalon die Wäsche alleine spannt. Auf eine sehr poppige Art wollte ich der Heldin der Geschichte, aber auch den Zuhörern, das Gefühl geben: Obwohl alle sagen, dass sie ihre Erwartungen runter schrauben soll, denkt sie sich die ganze Zeit: Aber ich mit meiner scheiß Romantik - ich suche ein Happy End. Also kann sie sich nur daran festhalten, dass es dieses Happy End noch gibt. Und das wiederum ist eine Wahnsinns-Stärke. Der Song soll diesen Frauen einfach Trost spenden, aber auch den Männern das Gefühl geben: Es gibt noch Cowgirls, die nach einem Mann suchen.
"Ich hatte nur wenige Beziehungen"

Du hast deine große Liebe ja schon gefunden. Was rätst du Frauen, die dieses Glück noch nicht hatten?
Kelly: Dass man daran glaubt und die Augen offen hält und auch ein bisschen Selbsthumor hat. Man sollte die große Liebe auf jeden Fall festhalten. Ich hatte das Glück, dass ich meinen Mann mit sehr jungen Jahren kennengelernt habe. Ich hatte immer sehr viele Freunde, aber nur sehr wenige Beziehungen in meinem Leben. Eigentlich gar keine vor Florent, nur eine kleine Händchen-halten-Beziehung. Aber das war’s - weil ich einfach nur mit meiner großen Liebe diese ganz, ganz intimen Erlebnisse haben wollte. Wir reden jetzt nicht nur übers Bett, sondern auch übers Zusammenleben zum Beispiel. Das ist ja was ganz Intimes. Sowas wollte ich nur mit meiner großen Liebe erleben und nicht mit irgendjemanden, mit dem es vielleicht mal funktionieren könnte. Und natürlich gab es Leute, die gesagt haben: "Was Maite, du hast noch keinen Freund gehabt?" Ich darauf so: "Nein, ich brauche keinen Freund. Ich habe meine Freunde. Ich habe meine ganze Clique voller Jungs, die passen auf mich auf, ich passe auf sie auf. Ich darf flirten ohne Ende, aber ich warte auf die große Liebe." Ich glaube, dass man sich auf keinen Fall einschüchtern lassen sollte von manchen, die meinen, dass man zu viele Ansprüche hat.
Inspiration Nummer Eins für dein Album war laut deiner Facebook-Seite Käsekuchen.
Kelly: Das war keine sehr gute Tradition. Es war ein harter Winter. Und ich hatte auch noch meine Schulterverletzung als Ausrede. Man kennt das als Schreiber: In der Studioarbeitszeit sitzt du da und schreibst, nimmst Wörter weg, tust wieder was Anderes dazu und drehst es wieder um. Und dann schleicht sich in der Mittagspause so eine Tradition ein: Man sagt Stop, alles hält an - und das war leider, leider Käsekuchen. Götz und ich haben beide, glaube ich, zwei Kilo durch diesen blöden Käsekuchen zugenommen. Und auch durch Macchiatos. Das ist eine tolle Kombi, also Macchiatos mit viel Zucker und Käsekuchen. Einmal war ich richtig, richtig heiser. Aber leider hört sich meine Stimme sehr gut an, wenn sie heiser ist. Götz meinte dann so: "Maite komm, halte durch, dann kriegst du auch ein Stück Käsekuchen." Und ich so: "Okay." Es war eine Tradition mit Nachwirkungen. (lacht)
Und was brauchst du noch zum Songschreiben - außer Käsekuchen?
Kelly: Ich bin kein Songschreiber, der verkompliziert. Der Zuhörer soll verstehen, worum es im Song geht. Ich finde es wichtig, mit verschiedenen Menschen zu sprechen und einfach rauszufinden, was bei ihnen vorgeht. Ob das Freunde sind oder auch manchmal fremde Leute auf der Straße. Die fangen an, mir Sachen zu erzählen, wo ich denke: Wow! Ich versuche einfach mit offenen Augen durchs Leben zu gehen. Nicht unbedingt politisch, sondern eher nach dem Motto: Was macht der Mensch momentan so? Was macht unsere Gesellschaft? Was sind die Ängste, die Gedanken? Das beschäftigt mich schon sehr. Ich glaube, das ist auch meine Aufgabe als Künstlerin, diesen Emotionen und diesen Ängsten, diesen Zweifeln und dieser Hoffnung eine Stimme zu geben. Am meisten versuche ich mit meiner Musik Trost zu spenden. Denn das ist, glaube ich, letztendlich das, was ein guter Freund tut. Ich habe selber gemerkt: Meine Lieblingskünstlerinnen sind die, bei denen ich für mich Trost raushören kann.