'Lucy' von Luc Besson: Bildgewaltiges Actionspektakel mit Scarlett Johansson

4 von 5 Punkten
Inseln, die künstlich erschaffen werden, Gebäude, die über 800 Meter hoch in den Himmel ragen, technische Faszinationen oder die Wunder der Medizin – die Welt scheint von Jahr zu Jahr immer mehr zum Produkt der Superlative zu werden. Mit den Bildern aus den Geschichtsbüchern hat sie schon lange nichts mehr gemein. Unglaubliche Entwicklungen, die noch unglaublicher unter dem Aspekt wirken, dass der durchschnittliche Mensch 'nur' 10 Prozent seiner gesamten Gehirnkapazität nutzt. Was würde also passieren, wenn wir in der Lage wären, 100 Prozent zu nutzen? Mit dieser Frage und der Faszination Mensch beschäftigt sich Regisseur Luc Besson in seinem neuen Film und bringt mit 'Lucy' ein bildgewaltiges Actionspektakel auf die Leinwand.
Von Alexandra Mölgen
In der Tat geht es in Bessons neuem Werk um eine Person, die übernatürliche Kräfte entwickelt. Doch das klischeehafte Bild von Superhelden, die in bunten Kostümen die Welt retten, bleibt dem Zuschauer erspart. Stattdessen punktet 'Lucy' mit der perfekten Gradwanderung zwischen theoretischer Realität und Phantasie. Die Entwicklung, die die gleichnamige Protagonistin durchmacht, wird im Film von einem Professor kommentiert und mit wahren Erkenntnissen und Forschungsansätzen erklärt und belegt. Somit wird der Anschein erweckt, als könne das, was sich gerade auf der Leinwand abspielt, theoretisch auch wirklich passieren.
Lucy (Scarlett Johansson, 'The Avengers') ist eine junge Frau, die ihr Leben locker angeht. Zurzeit in Asien lebend, dominieren Spaß und viele Partys ihren Alltag. Doch eines Tages ändert sich ihr Leben schlagartig. Eben noch mitten auf der Straße in einem Gespräch mit einem Freund verwickelt, wird die hübsche Blondine von genau demselben durch einen miesen Trick in einen lebensgefährlichen Handel verwickelt. Skrupellose Gangster setzen ihr operativ ein Paket mit neuartigen Drogen in den Körper ein, das sie über die Grenze nach Europa schmuggeln soll. Als der Beutel mit der Substanz platzt und in ihren Stoffwechsel gelangt, werden bei Lucy ungeahnte Kräfte freigesetzt. Während sie anfangs noch nützlich sind und ihr bei ihrer Flucht vor den Gangstern helfen, zerstören sie mit zunehmender Freisetzung immer mehr ihren Körper von innen heraus.
Mithilfe ihrer neugewonnenen, telekinetischen Fähigkeiten und der Begabung, hochakademisches und umfangreiches Wissen binnen Minuten aufsaugen zu können, wird sie auf Professor Norman (Morgan Freeman, 'Transcendence') aufmerksam. Der weltberühmte Neurologe beschäftigt sich schon sein Leben lang mit der Hirnforschung und ist der einzige Mensch auf der Welt, der annähernd verstehen kann, was mit ihr passiert. Da dieser aber in Paris lebt, beginnt für Lucy ein Rennen gegen die Zeit und damit auch eines gegen ihren Tod …
Powerfrau Scarlett Johansson zeigt sich von ihrer kaltblütigen Seite

Luc Besson versteht sein Handwerk und hat auch schon in der Vergangenheit Powerfrauen in seinen Filmen perfekt in Szene gesetzt. 'Lucy' reiht sich nach der gleichnamigen Titelfigur in 'Nikita', Mathilda in 'Leon – Der Profi ' oder auch Cataleya in 'Colombiana' in die Riege der taffen und selbstbewussten Protagonistinnen ein. Scarlett Johansson ist die perfekte Besetzung für die Rolle. Sie hat eine unglaublich einnehmende Präsenz und vollzieht den Wandel vom naiven Partymäuschen zur coolen, überlegenen und fast schon roboterhaft wirkenden Kampfmaschine. Kein Wunder, schließlich kennt die Schauspielerin ihr Fach bestens und konnte sich bereits in Blockbustern wie 'The Avengers' oder 'Iron Man 2' als Femme Fatale 'Black Widow' behaupten. Als perfekter Gegenpol – völlig in sich ruhend und mit Situationskomik punktend – agiert Morgan Freeman auf der Leinwand.
Die Action-Elemente in 'Lucy' sind grandios. Auch die Tatsache, dass der Film mitten im Geschehen startet und schon zu Beginn die volle Aufmerksamkeit des Zuschauers einnimmt, spricht schon für sich. Besson geht mit 100 Prozent an den Start und schafft es trotzdem, das Niveau über 89 Minuten zu halten und sogar zu steigern. Ganz zum Schluss sind die Phantasie und die Spezialeffekte dann aber doch etwas mit ihm durchgegangen. Was eigentlich schade ist, denn der Zuschauer entwickelt im Laufe des Films – auch angesichts dieser fiktiven Inszenierung und unglaubwürdig scheinenden Hypothesen – den Eindruck, als könnten diese Ereignisse durchaus möglich sein.
Man muss einfach sagen: Luc Besson hat mit 'Lucy' ein bildgeladenes Actionspektakel auf die Leinwand gebracht und damit an frühere Erfolge angeknüpft. Allerdings entfaltet der Film nur auf der Kinoleinwand seine volle Wirkung.
Kinostart: 14.08.2014