4,5 von 5 Punkten
Im Ring sind Vitali und Wladimir Klitschko unschlagbar, jetzt erobern die Ring-Riesen auch die Leinwand. Im Kino-Film ’Klitschko’ wird die Lebens-Geschichte der beiden Box-Brüder erzählt – von ihrer Kindheit in der Ukraine bis hin zu ihren außergewöhnlichen sportlichen Erfolgen. Obwohl der Box-Sport im Vordergrund steht, werden die Klitschkos auch von ihrer menschlichen Seite dargestellt.
Wladimir Klitschko erinnert sich noch, als sei es gestern gewesen: Er hörte das Geräusch, als eine Faust im Box-Handschuh den Kopf eines Menschen trifft. "Unangenehm" und "brutal", kommentiert der Ukrainer die Szene – ein paar Jahre später steht er selbst im Ring, teilt auf wackligen Beinen aus und schreibt die ersten Kapitel einer einzigartigen Erfolgsgeschichte.
Regisseur Sebastian Dehnhardt beginnt die Geschichte der Klitschkos dort, wo sie begann: in der Ukraine. Er zeigt den sportlichen Werdegang der beiden Brüder als Amateur-Boxer, spart aber private Geschichten nicht aus. Es entstehen zwei Lebens-Geschichten, zu der auch familiäre Anekdoten zählen. Vater Klitschko wird als Soldat nach Tschernobyl gerufen, die Mutter geht während der Titel-Kämpfe spazieren – ihre Söhne kämpfen sehen kann sie nicht ertragen.
Untermalt wird der Film von noch nie veröffentlichem Archivmaterial: Weggefährten der Klitschkos wie Trainer, Manager oder Ringärzte, aber auch ehemalige Gegner wie etwa Lennox Lewis vermitteln einzigartige Einblicke in das Leben der beiden Boxer.
Mit Wladimir und Vitali Klitschko im Ring
Der Zuschauer taucht in die brutale Welt des Box-Sports ein und erhält einen Blick hinter die Kulissen – vom kometenhaften Aufstieg über sportliche Rückschläge und triumphale Comebacks bis hin zur zwischenzeitliche Krise zwischen den beiden Schwergewichten: Als Wladimir gegen Corrie Sanders und Lamon Brewster schmerzhafte Niederlagen einsteckt, wendet er sich nach einem Streit vom großen Bruder ab – Geschichten, wie sie das Leben schreibt.
Dehnhardt bedient sich hautnahen Kampfszenen, die mit Super-Zeitlupen en detail aufbereitet werden. Bei jedem Schlag ziehen sich die Magengruben zusammen – die der Zuschauer wohlgemerkt. Sie werden das Gefühl nicht los, als seien sie selbst das Wattestäbchen, das in der klaffenden Wunde über dem Auge von Vitali eintaucht, nachdem ihm Lennox Lewis die sportlichen Grenzen aufgezeigt hat.
Dennoch muss man kein Box-Fan sein, um den Film zu mögen. Er nimmt die Zuschauer nicht nur mit in den Ring, sondern auch in das Leben der Klitschkos – sowohl tragisch als auch komödiantisch aufbereitet: Das Leben in Armut sowie die Krebserkrankung des Vaters lassen die augenscheinlichen Kampfmaschinen zu Menschen werden; Anekdoten aus der Jugend oder den USA, wo Vitali Anfang der 90er Jahre dem Cola-Wahn verfällt, peppen den Film dagegen humorvoll auf.
Das Ergebnis der fast zweistündigen Dokumentation sind zwei eindrucksvolle Biografien, die Vitali und Wladimir Klitschko als Boxer, aber auch als ganz normale Menschen zeigen. Für alle Box- und vor allem Klitschko-Fans ist der Film ein absolutes Muss, aber auch Laien werden durch die persönlichen Geschichten außerhalb des Boxrings auf ihre Kosten kommen.
Von Daniel Grochow