Kitsch, Klischees und Klasse-Schauspieler

Kitsch, Klischees und Klasse-Schauspieler
© Photo Credit: Francois Duhamel

Genie und Wahnsinn liegen bekanntlich nah beieinander – besonders im Film. Zahlreiche Dramen schenkten bereits der Schizophrenie besondere Aufmerksamkeit: „A Beautiful Mind“, „Psycho“ oder „Identität“ sind nur einige von vielen. Mit „Der Solist“ reiht sich Regisseur Joe Wright („Abbitte“, „Stolz und Vorurteil“) jetzt in die Riege ein und verfilmte eine Geschichte, die sich mit der psychischen Krankheit beschäftigt und außerdem auf einer wahren Begebenheit beruht.

„Los Angeles Times“-Kolumnist Steve Lopez (überzeugend: Robert Downey Jr.) befindet sich nicht gerade in der Blütezeit seines Lebens: Sein Job bringt ihm nicht mehr die gewünschte Erfüllung, und die Ehe mit seiner Chefin Mary (Catherine Keener) ist gescheitert. Als er eines Tages nachdenklich durch die Straßen von Los Angeles spaziert, fällt ihm ein Mann auf, der voller Inbrunst sämtliche Sinfonien Beethovens rauf und runter spielt – auf einer Violine mit nur zwei Saiten. Lopez ist begeistert, lauscht dem Konzert und kommt mit dem genialen Musiker ins Gespräch …

Kitsch, Klischees und Klasse-Schauspieler
© Photo Credit: Francois Duhamel

Schaut man sich diesen Nathaniel Ayers (brillant: Jamie Foxx) mal genauer an, käme man nie im Leben auf die Idee, dass er einst der höchstbegabte Student der Elite-Musikhochschule Juillard war: Nicht nur, dass er eine gelbe Warnweste, Zaubererhut und Hawaiikette trägt, in Unterführungen haust und sein ganzes Hab und Gut in einem Einkaufswagen transportiert, sondern er gibt zudem noch ziemlich wirres Zeug von sich. Nathaniels Erkrankung an Schizophrenie beendete nicht nur jäh seine Aussicht auf eine schillernde Karriere, sondern auch sein geordnetes Leben in der Gesellschaft.

Lopez wittert hinter Nathaniels Lebensgeschichte die Kolumne seines Lebens und beginnt mit seinen Recherchen. Dabei freunden sich die beiden Männer, die unterschiedlicher kaum sein könnten, langsam an. Und während es anfangs noch Lopez ist, der Nathaniel helfen will, ist es im Nachhinein doch eher das musikalische, aber paranoide und völlig unberechenbare Genie, das Steves Blick auf die Welt verändert.

Authentisch wirkt die Geschichte, die auf dem Buch des echten Steve Lopez basiert, durch die Rückblenden, die Nathaniel als kleinen Wunderknaben oder auch als Studenten zeigen, der langsam spürt, dass mit ihm etwas nicht stimmt. Das sorgt - ebenso wie die Erzählungen von Nathaniels Schwester Jennifer (Lisa Gay Hamilton) - für besseres Verständnis, da Nathaniel selbst seine Vergangenheit nur sehr schwammig, verwirrend und teilweise nicht wirklich nachvollziehbar erklären kann.

Für die Rolle des psychisch kranken Nathaniel hätten Joe Wright und seine Drehbuchautorin Susannah Grant keinen Besseren auswählen können als Jamie Foxx, der nach Filmen wie „Ray“ oder „Collateral“ auch hier wieder sein grandioses schauspielerisches Talent unter Beweis stellt. Authentisch wechselt er zwischen den verschiedenen Geisteszuständen seines Alter-Egos und macht Nathaniel zu einer anrührenden und sympathischen Person. Auch Robert Downey Jr. spielt die Rolle des abgehalfterten Zeitungskolumnisten sehr überzeugend – was vielleicht auch nicht zuletzt daran liegt, dass die Rolle einige Parallelen zu seinem eigenen exzessiven Leben aufweist.

Wright setzt bei der Inszenierung der Krankheit auf Musik als Stilmittel. Wenn Nathaniel sich seiner Violine widmet, vergisst er selig lächelnd die Welt um sich herum. Auf einmal wirkt er nicht mehr krank, sondern höchstens wie vom Genie geküsst. Das wird von Wright anschaulich bebildert: Die Kamera schwebt über Los Angeles hinweg, und als Zeichen von Nathaniels innerem Frieden steigen weißen Tauben in den Himmel empor. Ganz schön kitschig! Irgendwann nervt dann auch, dass dieses Prinzip bis zum Erbrechen wiederholt wird.

Obwohl – oder vielleicht auch gerade weil – der Film nicht mit einem Happy End im klassischen Sinne aufwartet, öffnet er die Augen und regt dazu an, auch die Obdachlosen und deren Schicksale nicht zu vergessen. Leider werden die gescheiterten Existenzen sehr klischeehaft dargestellt und mit ihren Marotten und komischen Aufzügen zum Teil der Lächerlichkeit preisgegeben. Obwohl die brillanten Hauptdarsteller sich redlich Mühe geben, den Film zu einem berührenden Drama über eine ungewöhnliche Freundschaft zu machen, gelingt ihnen das nur teilweise. Denn Joe Wrights sentimentale Inszenierung lenkt ab von den Figuren und verliert sich in visuellen Ideen. Die eigentliche Geschichte bleibt dabei leider ein bisschen auf der Strecke.

Von Maike Nagelschmitz

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