Was erwartet man von einem Film, der schon als „Harry Potter“-Abklatsch gehandelt wird, bevor er überhaupt angelaufen ist? Und das, obwohl oder gerade weil er von Chris Columbus gedreht wurde, der schon ein Hogwarts-Abenteuer auf die Leinwand brachte. Dabei kann der Regisseur auch bei „Percy Jackson“ wieder mit einer Reihe von Top Stars auftrumpfen – wenn auch nur in Nebenrollen. Um gegen Kult-Zauberer Harry Potter anzukommen, braucht man schon mal mindestens eine gute Story.
Und die hat bei Percy Jackson deutliche Ähnlichkeiten zur Geschichte von dem Zauberlehrling mit der blitzförmigen Narbe auf der Stirn: Der 16-jährige Percy (Logan Lerman) hat Schwierigkeiten in der Schule, kennt seinen Vater nicht und hasst den neuen Mann seiner Mutter: rundum also ein relativ normaler Teenager, der sich mitten in der Pubertät befindet. Das ändert sich schlagartig, als sich seine Mathelehrerin auf einem Schulausflug in eine Rachegöttin verwandelt und ihn angreift.
Percy ist irritiert. Komischerweise sind sein Lehrer Mr. Brunner (Pierce Brosnan) und sein Freund Grover (Brandon T. Jackson aus „Fast & Furious), der sich plötzlich als Satyr (halb Mensch, halb Ziege) entpuppt, alles andere als erstaunt über den Vorfall. An dieser Stelle kann sogar ein Fünfjähriger erahnen, dass die beiden irgendwie in Zusammenhang mit den Geschehnissen stehen.
Endlich klären sie Percy im Schnelldurchlauf auf: Er ist der Sohn des griechischen Gottes Poseidon (Kevin McKidd) und damit ein Halbgott. Nun wird er beschuldigt, den Herrscherblitz des Zeus gestohlen zu haben. Klingt wenig glaubwürdig. Findet auch Percy, der sich erstmal vehement weigert, diesen Unsinn zu glauben. Doch als seine Mutter (süß: Catherine Keener) und Grover ihn schließlich ins Camp für Halbgötter schleifen, sie auf dem Weg noch von einem weiteren Ungeheuer angegriffen werden und er seinen Lehrer vor Ort als Zentaur wieder trifft, gibt er sich geschlagen.
Als Hades, der Gott der Unterwelt, Percys Mutter entführt und die Herausgabe des Herrscherblitzes fordert, stellt sich der junge Halbgott der großen Herausforderung...
Chris Columbus hat sich für Hauptdarsteller Logan Lerman entschieden, nachdem er ihn im Western „Todeszug nach Yuma“ gesehen hatte. Ob das wirklich nur an seinen ganz ordentlichen Schauspielkünsten lag oder eher daran, dass er glatt als Justin-Bieber-Double durchgehen könnte und für einen Ansturm der zehn bis 15-jährigens Mädelsfraktion sorgen soll, ist fraglich. Immerhin macht er seinen Job ganz okay und besser als seine jugendlichen Co-Stars. Man darf gespannt sein, ob er ein One-Hit-Wonder bleiben oder als Neuentdeckung bald vielleicht auch in anderen Filmen mit von der Partie sein wird.
Das Coolste am ganzen Film ist mit Sicherheit Uma Thurman als tödliche Gorgone Medusa, der anstelle von Haaren unzählige Schlangen aus dem Kopf ragen. Man nimmt ihr die durch und durch bösartige Sagengestalt, die allein durch ihren Blick alles zu Stein erstarren lassen kann, zweifelsohne ab. Rosario Dawson und Steve Coogan sorgen als Unterwelt-Herrscherpaar Hades und Persephone für eine gehörige Prise Witz und Sarkasmus, was für den Film nur von Vorteil ist.
Im Gegensatz dazu sieht es schon ziemlich bescheuert aus, wenn Satyr Grover auf seinen Ziegenbeinen in der Gegend umherhüpft und Percy am Ende des Films ganz stolz seine neuen Ziegenhörner präsentiert. Auch wenn Pierce Brosnan als Zentaur Chiron in einem Gespräch mit Percy dauernd von einem Bein auf das andere tritt, hofft man, dass es sich bei dieser schlechten Computeranimation um eine Persiflage auf eine bescheuerte Zeichentrickserie à la „Horseland“ handelt. Leider kommt man schnell zu dem Schluss, dass die Macher das alles Ernst meinen.
Die Verfilmung der Romanvorlage von Rick Riordan, die ihre Zauberwelt anders als die Potter-Saga in der antiken Mythologie ansiedelt, kommt somit nur auf den ersten Blick als Hogwarts-Abklatsch daher und setzt deutlich eigene Akzente. Leider kann sie gegen den Charme der Buchreihe von Joanne K. Rowling trotzdem nicht bestehen. Zu vorhersehbar ist der Fortgang der Handlung, zu wenig spannend die Actionszenen. Anders als bei Potter wird der Zuschauer nie wirklich überrascht – außer von den manchmal zweifelhaften Qualität der Tricks. Fazit: Seichtes Samstagabend-Popcorn-Kino für Familien mit kleinen Kindern, aber nichts für die erwachsene Fantasy-Community.
Von Maike Nagelschmitz