„Kapitalismus – eine Liebesgeschichte“: Michael Moore macht auf Robin Hood
Sie wissen immer noch nicht so genau, wie diese globale Finanzkrise entstanden ist und haben keinen blassen Schimmer, was ein Derivat ist? Kein Grund zum Schämen. Denn erstens sind Sie damit keineswegs allein, und zweitens hat es Skandal-Dokumentarfilmer Michael Moore nun in die Hand genommen, das mal mit lustig bewegten Bildern so zu erklären, dass es auch ein Zuschauer mit bescheidener Vorbildung versteht - in einem Rundumschlag gegen die marktradikalen Geier, die in den USA von Wall Street bis zum Capitol Hill das Sagen haben.
’Kapitalismus – eine Liebesgeschichte’ heißt der neueste Wurf des immer schlecht gekleideten Filmemachers. In typisch manipulativer Moore-Manier wird erklärt, warum US-Bürger wie die Eltern des Regisseurs zuerst so auf den Kapitalismus abfuhren: Damals konnte man von einem Fließbandarbeiter-Gehalt noch eine vierköpfige Familie ernähren, hatte eine sichere Rente und jede Menge Freizeit - natürlich auf Kosten anderer Nationen, die man zur Not auch bombardierte. Aber das Ganze funktionierte, obwohl die Spitzenverdiener bis zu 90 Prozent Einkommenssteuer blechen mussten.
Doch wo ist er auf einmal hin, der Mittelschicht-Reichtum der fetten Jahre? Schließlich hat die US-Regierung doch nicht einmal die Bombardements unbequemer Staaten eingestellt. Etwas platt und nicht immer ganz sauber recherchiert erklärt Moore in einfachen Bildern, in wessen Taschen die Kohle gewandert ist und mit welchen so simplen wie miesen Tricks die Republikanischen und Demokratischen Regierungen der letzten Jahrzehnte dafür gesorgt haben, dass nur noch die ’kleinen Leute’ die Zeche zahlen.
Die Großverdiener hingegen profitieren von Steuererleichterungen und billigeren Krediten und vertreiben mit dubiosen Krediten Menschen aus ihren Häusern, die jahrelang dafür gespart haben. Hier sollte jeder gut hinschauen, denn das könnte bald auch in Deutschland drohen - zumindest so ähnlich.
In der Sache hat Moore sicherlich oft Recht. Aber muss er sich zum Robin Hood der Finanzkrise stilisieren? In seiner leicht unsachlichen Art schlägt er sich scheinbar auf die Seite der White-Trash-People, die nach der Zwangsversteigerung vor ihrem Haus das Mobiliar anzünden und drückt mit schmalziger Musik auf die Tränendrüse. Dann zieht er pathetisch mit Flüstertüte und auf die Wall Street, um dort in einer etwas peinlichen Show ein gelbes Crime-Scene-Plastikband um ein paar Banken zu wickeln, die er für Schuld hält an der Misere.
Wie in vorherigen Filmen auch, taucht Moore ohne Vorankündigung und Dreherlaubnis bei Konzernen auf und fragt am Empfang rotzfrech nach einem Interview mit dem Vorstandsvorsitzenden. Dass er dann mit einem mitleidigen Lächeln abgewiesen wird, demonstriert keineswegs die Unwilligkeit der potenziellen Gesprächspartner, sondern die fehlende journalistische Sorgfalt des Filmemachers. Wer so auftritt, will gar keine Antwort, sondern nur provozieren.
Das tut Moore reichlich, und oft auch auf sehr amüsante Weise, leider allerdings auch ein wenig geschwätzig. Es ist zwar schockierend, dass US-Firmen offenbar Lebensversicherungen für ihre Mitarbeiter abschließen und selbst Nutznießer im Todesfall sein können, aber führt doch ein wenig weg von der eigentlichen Problematik der Immobilien- und Finanzkrise. Moore hat versucht, so viel Kapitalismuskritik wie möglich in die guten zwei Stunden zu packen. Das ist zwar ein ehrenhaftes Ansinnen, macht den über weite Strecken unterhaltsamen und informativen Film jedoch zu einem pathetischen Pamphlet, das Moore die Glaubwürdigkeit nimmt und seinen Gegnern in die Hände spielt.