"Jacko war ein toller Vater"

Shannon, wann wusstest du, dass du professioneller Tänzer werden willst?
Tanzen war schon immer mein Traum. Michael Jackson hat mich damals dazu inspiriert, ich mache das eigentlich nur seinetwegen. Meine Eltern sagen, dass ich angefangen habe, den Moonwalk nachzumachen, als ich gerade laufen gelernt habe. Ich erinnere mich, dass ich seine Videos im Fernsehen gesehen habe und versucht habe, seine Moves zu kopieren.
Du hast schon mit so vielen Stars gearbeitet – zum Beispiel mit Britney Spears, Kelly Clarkson, Fergie und natürlich Michael Jackson – bist Du vor Auftritten noch nervös? Und wie hast Du den Tanz-Job bei Michaels Comeback-Tour bekommen?
Ich drehte in Australien eine TV-Show, da wurde ich telefonisch eingeladen, für Michaels Tour vorzutanzen – zusammen mit 500 anderen Tänzern aus aus der ganzen Welt. Alleine die Einladung war schon eine große Ehre für mich! Also hab ich den nächsten Flug von Sidney nach Los Angeles genommen. Die Audition selbst war unglaublich. Das Tanzen dauerte insgesamt drei Tage. Die Atmosphäre war toll, immerhin standen da die besten Tänzer der Welt auf der Bühne und haben ihr Bestes gegeben! Ich werde eigentlich nicht so schnell nervös. Aber als ich bei Michael Jackson vorgetanzt habe, da wusste ich, was auf dem Spiel stand. Am dritten und letzten Tag saß Michael Jackson selbst im Publikum und hat uns zugeschaut. Und wieder dachte ich: Was für ein Privileg, hier überhaupt vortanzen zu dürfen! Ich konnte es einfach nicht fassen, es war einfach so surreal!

Ich meine, er ist Michael Jackson (lacht)! Er ist einfach der Größte gewesen. Ihn zu treffen war toll. Er war wirklich einer der fürsorglichsten, tollsten und wunderbarsten Menschen, die ich je kennengelernt habe. Er hatte so viel Liebe zu geben und hat sich um jeden gekümmert. Und er war ein großartiger Vater.

Ja, sie kamen vorbei, um ihrem Vater zuzuschauen, und Paris sagte: ‚Das ist das erste Mal, das wir Daddy bei der Arbeit sehen!‘ Das war sehr berührend, sie kannten vorher nur seine Videos. Er hat diese Show auch für seine Kinder gemacht, denn seine große Zeit war ja vor ihrer Geburt. Ich weiß noch, ich habe mit einem anderen Tänzer und Michael die Eröffnungsszene zu ‚Smooth Criminal‘ getanzt. Da kam der Regisseur hoch und hat gefragt: ‚Kann ich den Kids was zu Essen geben?‘ Dabei hatten sie grade erst einen Truthahnburger und Hotdogs gegessen. Michael musste lachen und sagte: ‚Diese Kinder können wirklich immer essen! Sie haben immer Hunger!‘ Es war toll, Michael auch in der Rolle des Vaters zu sehen und nicht nur in der Rolle des King of Pop.

Es herrschte immer eine ganz besondere Energie, wenn er performte. Ich werde nie die letzten beiden Abende vergessen, in denen er noch bei uns war. Er hatte so eine starke Ausstrahlung, und wir wussten jedes Mal schon, dass er anwesend war, bevor er überhaupt im Raum war. Einer der Tänzer sagte einmal zu mir: ‚Wow, fühlst Du das auch? Michael ist da!‘!
Wie war er hinter den Kulissen? Wie war er gegenüber der Crew?
An Michael war so einzigartig, dass er uns nicht wie Angestellte behandelt hat, obwohl er unser Boss war. Er hat uns wie Freunde behandelt und immer betont, dass wir eine große Familie sind.

Wie soll ich das beschreiben: Man kann das mit dem Tod von Elvis oder Marilyn vergleichen. Für mich und meine Generation war es schrecklich. Wir haben mit ihm getanzt, mit ihm gearbeitet, und er sollte eigentlich in einigen Stunden wieder mit uns auf der Bühne stehen. Aber er ist nie wieder gekommen… Alle waren am Boden zerstört und geschockt. Wir haben das einfach nicht kommen sehen. Es war so traurig. Es war merkwürdig, als auf einmal erwachsene Menschen um mich herum auf die Knie fielen und anfingen zu weinen. In dem Moment habe ich das erste Mal verstanden, welchen Effekt sein Tod auf die Welt haben würde - auf jeden von uns, egal ob er ein Fan war oder eben nicht.
In den Medien wurde berichtet, dass die Comeback-Tour verschoben wurde, weil es Michael gesundheitlich nicht gut ging. Ist das wahr oder gab es irgendwelche anderen Gründe?
Meiner Meinung nach wurde die Show verschoben, weil wir einfach noch nicht so weit waren. Die Show sollte gigantisch und perfekt werden. Es gab keine Anzeichen, dass es ihm nicht gut ging.

Überhaupt nicht. Er war zwar ein zierlicher Mann, aber er war so positiv gestimmt und hat sich wirklich auf die Tour gefreut. Wir waren geschockt, als wir am Ende erfahren haben, dass er aufgrund einer Vergiftung gestorben ist. Im Laufe der Proben wurde er immer besser. Hätten wir irgendetwas bemerkt, dann wären wir zu ihm gegangen und hätten ihm geholfen. Ich habe nicht gewusst, dass es ihm so schlecht ging.
Wie ist die letzte Probe mit Michael abgelaufen?
Michael war so glücklich, und er war bereit. Er hat gesagt, er könne es kaum erwarten, endlich auf der Bühne vor seinen Fans zu stehen.

Ich bin froh, dass du das ansprichst. Es war eine seltsame Erfahrung. Ich fühlte mich wirklich geehrt und stolz, ein letztes Mal für ihn tanzen, ihm mit seiner Schwester einen letzten Tribut zollen zu dürfen. Aber gleichzeitig war es auch das erste Mal, dass wir ohne Michael auf der Bühne standen. Wir tanzten seine Choreografie ohne ihn, und es war wirklich schwer für uns zehn Tänzer, dort aufzutreten. Bevor wir auf die Bühne gegangen sind, haben wir uns so verloren gefühlt und uns immer wieder gefragt, warum wir überhaupt hier sind. Es fühlte sich einfach so falsch an. Aber die Energie und die Atmosphäre waren so fantastisch – man konnte Michael beinahe physisch im Raum spüren.

Ja, das habe ich. Wir haben uns hinterher getroffen und ich habe ‚Danke‘ gesagt. Für alles, für Michael. Ich wollte mich einfach nochmal bedanken und ihr sagen, was für ein großartiger Mensch ihr Bruder war.
Hast du den fertigen Film schon gesehen?
Nein, aber ich bin unglaublich gespannt. Alle anderen haben den Film schon gesehen, nur die Tänzer noch nicht. Sie sagen, es soll eine Überraschung für uns sein, denn wir haben so viel Zeit mit ihm verbracht und waren ihm so nah. Für uns ist das schon etwas Besonderes, weil wir in dem Film auch oft zu sehen sind und diese Bilder eine wichtige Erinnerung für uns sind. Wir sehen den Film am gleichen Tag, wie alle anderen Menschen auf der Welt. Das ist ein schönes Gefühl.
Herzlichen Dank für das Gespräch, Shannon!
