'Ich darf nicht schlafen': Ein packender Thriller mit Nicole Kidman, Colin Firth und Marc Strong

2,5 von 5 Punkten
Spätestens seit ‚The Others‘ weiß man: Nicole Kidman und Thriller, das passt zusammen. Eigentlich. Denn ihr neuer Film ‚Ich darf nicht schlafen‘ kommt bei Weitem nicht an das Werk aus dem Jahr 2001 heran. Während ‚The Others‘ den Zuschauer am Schluss mit einer völlig unerwarteten Wende vom Kinosessel fegte, ist bei ‚Ich darf nicht schlafen‘ das Ende vorhersehbar. So bleibt für den Zuschauer ab einem bestimmten Punkt die größte Herausforderung, den Filmtitel nicht Realität werden zu lassen.
Von Esther Hetzert
Die 40-jährige Christine Lucas (Nicole Kidman, ‚Unterwegs nach Cold Mountain‘) wacht jeden Morgen auf – ohne jegliche Erinnerungen. Täglich erzählt ihr ihr Ehemann Ben (Colin Firth, ‚The King’s Speech‘), wer sie ist, und dass sie seit einem Unfall an psychogener Amnesie leidet. Ein Ausweg aus dem immer wiederkehrenden Teufelskreis des Vergessens bietet erst der Neuropsychologe Dr. Nash (Mark Strong, ‚Sherlock Holmes‘), der auf ihre Krankheit spezialisiert ist. Durch ihn erfährt sie, dass sie nicht durch einen Unfall das Gedächtnis verloren hat, sondern durch einen brutalen Angriff. Warum also lügt Ben?
Zunächst einmal: An Nicole Kidmans darstellerischer Glaubwürdigkeit liegt‘s definitiv nicht, dass der Film von Regisseur Rowan Joffé nicht so recht zünden will. Im Lauf der Handlung lernt Christine immer mehr über ihren Zustand, was sich äußerst beeindruckend in Kidmans leiser und dennoch intensiver Darstellung widerspiegelt, vor allem in den Sequenzen, in denen sie sich mit einer Kamera selbst filmt. Die Getriebenheit und Verzweiflung ihres Charakters wird in diesen Szenen überdeutlich. Der Zuschauer wird Zeuge, wie aus einer anfangs zutiefst verunsicherten grauen Maus eine kämpferische Frau wird. Colin Firth als Ehemann Ben kann bei so viel darstellerischer Power dagegen kaum mithalten. Seine Darstellung wirkt beinahe lieblos und klischeehaft.
Vom Handwerklichen her hat Regisseur Joffé, der sonst eher aus der Autoren-Ecke (‚28 weeks later‘) kommt, solide Arbeit abgeliefert. Wirklich neue Wege beschreitet er aber nicht. So spielt er stark mit unterschiedlichen Farbwelten. Die Gegenwart ist immer in leichtem Blau getränkt, was die Atmosphäre kalt und feindselig macht, während Christines Erinnerungsfetzen in gelbes Licht getaucht sind. Ähnlich unterscheidet er bei der Kameraführung. Im Hier und Jetzt werden vor allem lange, ruhige Einstellungen mit Großaufnahmen und Halbtotalen verwendet, für Rückblenden kurze, hektische Einstellungen.

Auch Horrorfilm-Elemente tauchen auf. Mehrfach rast die Kamera während Christines Flashbacks einen verlassenen Hotelflur entlang, um am Ende in Nahaufnahme vor einer bestimmten Zimmertür zum Halten zu kommen. Zwei Dinge ahnt man an dieser Stelle: Hinter dieser Tür hat sich vermutlich Schreckliches abgespielt. Und: Joffé hat den Film ‚Shining‘ gesehen.
Weder beim Darstellerischen noch Handwerklichen gibt es also viel zu beanstanden. Und dennoch hakt’s. Und das ist beim Inhaltlichen. Die beiden Erzählebenen von Gegenwart und Vergangenheit greifen nicht immer stimmig ineinander. Logikpatzer und offene Fragen sind die Folge. Auch kommen einige Twists nicht wirklich überraschend daher, ebenso wenig wie die letztliche Entlarvung des ‚Bösewichts‘. Bei nur zwei in Frage kommenden Charakteren fällt die Wahl eben relativ begrenzt aus. Die losen Enden fügen sich am Schluss zwar irgendwie zusammen, doch auf so konstruierte Art und Weise, dass kein rundes Bild entsteht. Das typische Hollywood-Ende macht die Sache dann auch nicht gerade besser.
Kinostart: 13. November 2014