I'm still here': Joaquin Phoenix führt alle hinters Licht

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Überraschend gab 2008 der sehr erfolgreiche Hollywood-Star Joaquin Phoenix seinen Rückzug aus dem Showgeschäft bekannt. Der Grund: Er wollte sich ganz seiner Musik widmen. Doch der gutaussehende Ex-Schauspieler verwahrloste immer mehr und war nicht mehr der Joaquin, den alle kannten. Zwei Jahre später stellte sich jedoch heraus, dass alles nur eine Art Experiment war. Die vorgetäuschte Dokumentation 'I’m still here' zeigt, wie der Schauspieler alle hinters Licht führte.
Der Oscar nominierte Schauspieler Joaquin Phoenix hat die Nase vom Showgeschäft gestrichen voll und steigt aus: "Ich habe keine Lust mehr, Joaquin Phoenix zu spielen." Er will sich endlich selbst verwirklichen und Hip-Hop-Star werden. Ein Scherz? Zum Entsetzen seiner Agenten, meint Phoenix es ernst. Er lässt sich die Haare und den Bart wachsen, liest kein einziges Drehbuch mehr und lehnt sogar eine Rolle in 'Greenberg' ab, die Ben Stiller ihm anbietet. Von Anfang an wird Phoenix von einer Kamera begleitet, die seine oft wirren Monologe aufnimmt. Der Schauspieler wirkt meist zugedröhnt oder betrunken, nuschelt in seinen Rauschebart und ist oft kaum zu verstehen – bis auf das sehr häufig genutzte 'F-Wort'.
Auch der musikalische Erfolg lässt auf sich warten. Kein Wunder, den Phoenix ist alles andere als ein begnadetet Sänger, obwohl man ihm eine gewisse Musikalität nicht absprechen kann. Verbissen versucht er im Showgeschäft Fuß zu fassen und Rapper P. Diddy davon zu überzeugen, mit ihm ein Album aufzunehmen. Doch auch der ist von den Gesangskünsten des Schauspielers nicht überzeugt und lässt ihn auflaufen.
Joaquin zergeht im Selbstmitleid, vereinsamt und gerät immer tiefer in den Drogensumpf. Niemand nimmt ihn ernst, ganz im Gegenteil, viele machen sich Späße auf seine Kosten. So auch Talkmaster David Letterman, in dessen Late-Night-Show Phoenix im Februar 2009 einen seltsamen Auftritt hat. Nach einem recht einsilbigen Interview verabschiedet sich Letterman mit den Worten "Schade, dass Sie heute Abend nicht da sein konnten", von Joaquin. Aber auch Schauspielkollege Ben Stiller lässt es sich nicht nehmen, den legendären Auftritt seine Kollegen in der Talkshow zu parodieren. Mit Rauschebart steht er 2008 bei der Oscarverleihung völlig teilnahmslos neben seiner Co-Kommentatorin Natalie Portman.
Erste Zweifel am tatsächlichen Ausstieg des hochgelobten Schauspielers kamen auf, als bekannt wurde, dass Schauspielkollege und Schwager Casey Affleck (der jüngerer Bruder von Ben Affleck) Phoenix auf Schritt und Tritt mit einer Kamera begleiteten würde. Zu Recht, denn das Ganze war von Anfang an als fiktive Dokumentation geplant. Doch nur ein kleiner Kreis Eingeweihte wusste von dem Projekt - dazu wenige Showkollegen wie Rapper P.Diddy, Komiker Ben Stiller, Regisseur Casey Affleck und Schauspielerin Natalie Portman.
Im Film ist an vielen Stellen zu spüren, dass die Szenen nicht authentisch sind, vieles ist übertrieben. Doch nicht alles ist fiktiv. Zwar sollen die Drogen keine Drogen, und die Nutten keine Nutten gewesen sein, doch in der Szene in der sein Assistent ihm ins Gesicht scheißt und Joaquin sich übergeben muss, soll zumindest das Erbrechen real sein. Wirklichkeit oder Fiktion? Wen interessiert‘s? Der Film langweilt durch seine monotonen Monologe, durch das am meist verwendete Wort 'Fuck' (als ob es keine andere Möglichkeit gäbe, Wut und Frustration auszudrücken, als durch das 'F-Wort') und durch den oft aggressiven und nervigen Joaquin. Nur ganz wenige leise Momente lassen das ungeheure Talent des Schauspielers durchblitzen.
Das kitschige Ende setzt dem Film die Krone auf: Joaquin fliegt nach Panama, um seinen Vater zu besuchen. Er kehrt an den Ort seiner Kindheit zurück und geht zum Fluss. Hier war er als Kind sehr glücklich. Er geht ins Wasser und der Zuschauer kann sich den Rest des Films seinen leicht aus der Form geraten nackten Rücken anschauen und dabei beobachten, wie Joaquin immer tiefer ins Wasser hineingeht, bis er untergegangen ist. Es hätte ein guter Film werden können… So, aber sind es nur anstrengende, gleichzeitig langweilige 107 Minuten.
Von Britta Ploetner