HIM-Frontmann Ville Valo im Exklusiv-Interview

Eine Handverletzung mit Folgen
Während bzw. vor der Arbeit am Album gab es durch Gas´ Handverletzung eine existenzielle Krise bei euch. Ist er wieder 100 Prozent okay?
Ville: Ja, seiner Hand geht´s wieder richtig gut. Bei seinem Kopf bin ich mir allerdings nie so sicher (grinst). Nein, er ist wieder okay. Es hat ca. acht Monate gedauert, das war schon ziemlich lange. Wir wussten nicht, ob er zurückkommen kann. Es gibt da einige Musiker und Sportler, deren Karriere durch so eine Verletzung beendet wurde. Wenn du einen Teil deines Körpers überbelastest, kann es sein, dass er sich nie wieder erholt. Gas hat also ziemliches Glück gehabt. Und wir damit auch. Aber es hat schon wahnsinnig lange gedauert – Monat für Monat für Monat musste er zu den Ärzten rennen. Es war mühsam. Wir wollten loslegen, und alles was wir tun konnten, war: warten!
Nun, es standen nur zwei Alternativen zur Wahl: ein neuer Drummer oder die Auflösung der Band.
Ville: Richtig. Das wäre aber erstmal pure Spekulation gewesen, denn noch waren wir ja nicht in der Situation.
Aber man denkt über diese Situation nach, oder nicht?
Ville: Ja, schon. Wir sind alle in der Band Freunde, die gemeinsam groß geworden sind. Lass es mich so formulieren: Wenn mir etwas passieren würde, wenn ich auf der Straße überfahren würde, oder ich aus irgendeinem Grund nicht mehr singen könnte, würde das nicht heißen, dass der Rest der Band aufhört zu existieren. Sie würden weitermachen, mit Band oder ohne, sie machen das, was sie tun müssen. Man kann sich nicht dermaßen abhängig machen. Es würden sich verschiedene Möglichkeiten ergeben. Wir haben abgewartet und geschaut, ob es ihm besser geht. Nur um ganz sicher zu gehen. Es wäre ziemlich kompliziert gewesen, einen neuen Drummer zu suchen, mit ihm am Album zu arbeiten, um dann zu sehen, ob Gas es vielleicht doch noch schafft, später die Tour mitzuspielen. Das wäre schon etwas seltsam gewesen.
“Etwas essen vorm Gig? Das kommt sofort wieder hoch.”

Deine Songs handeln von Liebe, Tod, Sünde und Schmerz. Was ist die Faszination für dich daran?
Ville: Ich denke, dass Kino und Musik dramatisch sein müssen, dieses “Larger Than Life”. Daft Punks neue Single „Get Lucky“, ist z.B. gut fürs Partymachen und um sich ein paar Ecstasypillen einzuwerfen (grinst) - aber ich mag Alben, die quasi dein Leben begleiten, deine Vorstellungskraft wecken, so wie gute Bücher es tun. Oder, um bei Filmen zu bleiben, wie „Vertigo“ von Hitchcock. Es ist schön, Musik zu machen, die einen begleitet und bei einem bleibt. Beim Arbeiten daran ist es wichtig, diesen Sinn für Drama zu haben. Leben, Liebe, Tod, das sind alles starke Wörter, was sind die Alternativen? Politik, Religion, das berührt mich persönlich nicht. Das ist für mich uninteressant.
Du liest sehr viel. Inwieweit hat z.B. das Thema eines Buchs, das du gerade liest, Einfluss auf deine Musik?
Ville: Ich könnte es nicht in Prozenten ausdrücken, aber es ist nett, ein paar gute Zeilen stehlen zu können. Alles beeinflusst mich: Gespräche mit Freunden, die Natur draußen, die Filme, die du ansiehst, man saugt es auf wie ein Schwamm. Ich mag es, wenn der Song verschiedene Messages, auch an mich selbst, gibt. Ich zweifle viel, und da gibt es bei mir diese widersprüchliche Natur in Musik und Text. Ich mag das. Das ist wie ein David Lynch Film, wo man nicht genau weiß: Ist das jetzt gut oder schlecht oder irgendwas dazwischen? Es nimmt dir die Gewissheit.
Ich sehe gerade deine Marlboro Lights, du bist wieder rückfällig geworden. Wie viele sind´s denn pro Tag?
Ville: Ich zähle sie nicht - aber offenbar nicht genug (grinst). Mal mehr, mal weniger. Ich weiß, ist keine gute Angewohnheit, aber es kontrolliert den Stress.
Sind dir auf der Bühne schonmal die Kippen ausgegangen?
Ville: Ja, das ist schon passiert. Aber das Publikum fing an, mir welche auf die Bühne zu werfen. Ich weiß nicht mehr genau, wo das war … (überlegt) Nicht in Holland, in Italien! Da bekam ich eine, ich dachte das ist eine normale Gedrehte. War aber ein Joint. Verdammt. Da singe ich, ziehe dran und merke, das ist Marihuana. War aber eh der letzte Song … (grinst)
Und wie ist es vorm ersten Song? Da machte dir das Adrenalin bislang immer zu schaffen. Ehrlich: Bist du heute immer noch nervös vorm Auftritt?
Ville: Ja, immer. Früher habe ich mich auch übergeben. Das Schlimmste, was du tun kannst, ist es, vorm Auftritt was Schweres zu essen. Höchstens Frühstücken geht. Ich habe heute gar nichts gegessen und werde das wohl auch bis zum Auftritt nicht tun. Eher danach. Mein Stoffwechsel spielt wegen des Adrenalins verrückt vorm Gig. Du rennst die ganze Zeit aufs Klo, und wenn du richtig was gegessen hast vorher – das kommt sofort wieder hoch. Das ist Nervosität. Eine Menge Leute die ich kenne, auch Schauspieler, bei denen ist es das Gleiche. Wir können nichts dafür, das sind die Nerven.
Vielen Dank für das Interview!