Hat Cruise im die Rolle weggeschnappt? - Thomas Kretschmann im Interview

Interview: Mireilla Zirpins

Das kann ich ruhig sagen. Das war vor ein paar Jahren ein anderes Projekt. Mir ist zu dieser Geschichte viel dummes Zeug in den Mund gelegt worden. ‚Walküre’-Drehbuchautor Chris McQuarrie wollte damals einen kleineren Film aus dem Stoff machen und selbst Regie führen. Da hat er mir angeboten, Stauffenberg zu spielen. Aber er hat das Projekt nicht finanziert bekommen. Es ging an Bryan Singer, der den Streifen als Blockbuster gecastet hat. Da brauchten sie jemand, der den Film international trägt und nicht aus Hollywood-Sicht in der Schublade verschwinden lässt. So landete das Thema bei Tom Cruise und United Artists. Die wollten aber unbedingt, dass ich mitspiele. Für mich sind das zwei verschiedene Projekte, von denen wir hier reden.

Mir ist viel dummes Zeug in den Mund gelegt worden. Das habe ich nie gesagt.

Man weiß ja nicht, was man erwartet, denn man hat so viel gehört und gelesen und weiß doch nicht, wer da nun auf einen zu kommt. Ehrlich gesagt war ich sehr erstaunt, denn ich habe noch nie so einen kollegialen Schauspieler getroffen. Der ist nicht nur Hauptdarsteller und bringt nicht nur die Macht mit, die hinter seinem Namen steht, mit ans Set, sondern er ist auch noch als Studioboss für alles verantwortlich. Das hat man keine Sekunde gemerkt. Ich bin noch nie so gut behandelt worden.

Man kriegt es natürlich mit, wenn man mit ihm unterwegs ist zum Essen. Aber am Set merkt man davon nichts.
Und von der ganzen Diskussion über Scientology und die verletzten Komparsen?
Natürlich bekommt man es mit, aber es spielt am Set keine Rolle, was in der Zeitung steht über Komparsen, die vom Laster fallen. Und ich bin lange genug dabei um zu wissen, was es heißt, was geschrieben wird. Das ist ja alles Quatsch. Das irritiert uns nicht beim Filmemachen.

Mh, bei so einem Thema muss man aufpassen, was man sagt. Tom Cruise steht natürlich sehr für Amerika. Ingesamt habe ich das Gefühl gehabt, dass Deutschland nicht möchte, dass so ein Thema, das so wichtig ist für uns – und so viele Helden haben wir ja nicht aus der Zeit – so hollywoodmäßig verarbeitet wird. Diese Befindlichkeit habe ich schon verstanden. Es hat sich aber niemand die Mühe gegeben, wirklich nachzugucken, wie genau für das Drehbuch recherchiert, wie genau gearbeitet wurde. Das ging bis ins Detail. Christian Berkel kann dir dazu mehr sagen. Bei ihm war wohl eine Kleinigkeit an den Schulterklappen falsch. Das haben sie digital Bild für Bild geändert.

Remer war schon ein richtiger Urnazi. Bei mir ist es eine Instinktfrage, wie ich mich vorbereite. Es gibt Themen, bei denen man sich sehr gründlich schlau macht. Ich habe zum Beispiel mal einen Papst gespielt. Da bringt man eine Verantwortung mit. Aber ich habe nicht unbedingt eine große Verantwortung Remer gegenüber gefühlt. Ich habe vor allem versucht, die Geschichte zu bedienen und ihn so zu spielen, dass er einen Kontrast zu Stauffenberg bildet, ohne ein stiernackiger Doofkopf zu sein.

Die Szene ist ein kleiner Insiderwitz und war ein Kompliment von Chris McQuarrie an mich. Als sie mich für den Film gewinnen wollten, sagte er: Schau mal, ich hab dir eine schöne Eröffnung für deine Rolle reingeschrieben.

Bei so einer Anprobe sage ich oft: I have mixed feelings about this. Es sind ja keine angenehmen Kleidungsstücke. Ich lebe ja in Hollywood. Aus amerikanischer Sicht bin ich natürlich ein grandioser Cast für so eine Rolle. Leider wird das gern alles in einen Topf geschmissen und gezählt, wie oft ich eine Naziuniform anhatte. Dabei ist dann auch ‚Der Pianist’. Das finde ich dann eine Frechheit und sage das auch. Uli Edel meinte mal zu mir: ‚In diesem Film hast du in 15 Minuten Screentime ein ganzes Land rehabilitiert.’ Das hat mich berührt. Wenn mich eine Rolle nicht interessiert und ich es mir leisten kann, dann spiele ich sie auch nicht.

Als ich zum ersten Mal zum Set kam, um Tom Cruise zu besuchen. Da war Stau, und Tom Cruise schickte mir den Hubschrauber. Das werde ich nie vergessen.
Thomas, Herzlichen Dank für das Gespräch.
