Mireilla Zirpins
Was macht einen wirklich großen Hollywood-Star aus? Glamour, schauspielerisches Talent und eine Aura der Unnahbarkeit, wie sie Cate Blanchett umgibt. Auf der Leinwand spielt die Australierin gern Königinnen – ob streng und machthungrig wie „Elizabeth I“ oder ätherisch und würdevoll wie die Elbenherrscherin Galadriel in „Der Herr der Ringe“. Selbst in bodenständigen Rollen wie der der Widerstandskämpferin „Charlotte Gray“ oder der Investigativjournalistin „Veronica Guerin“ haftet ihr etwas Erhabenes und fast Entrücktes an. Und ein bisschen erinnert Cate Blanchett an die großen Leinwandikonen der Goldenen Ära Hollywoods. Nicht umsonst hat Steven Soderbergh sie, nachdem sie für ihre Rolle der Katharine Hepburn in „Aviator“ mit einem Oscar belohnt wurde, als Femme Fatale Elsa Brandt in seinem Nachkriegsdrama „The Good German“ besetzt. Mit Wasserwellen und rauem Charme hat sie in den altmodischen Schwarz-Weiß-Bildern etwas von einer Lauren Bacall – oder eben von der echten Katharine Hepburn.
Auch beim Interviewtermin wirkt die 1,74 Meter groß gewachsene Schönheit auf den ersten Blick unnahbar und cool wie ein Star aus den 40er Jahren. Ihr nudefarbenes Designer-Kleid mit schwarzer Spitzen und ihr perfekt onduliertes blondes Haar unterstreichen den Retro-Style. Doch sobald das Fragespiel beginnt, ist sie ganz präsent. Denn auch die absolute Professionalität im Umgang mit der Presse ziert eine große Diva. Gelassen und ohne einen Hauch von spürbarem Spott reagiert Blanchett selbst auf die dümmsten Fragen. Präzise und konzentriert gibt sie Auskunft über ihren Film „Tagebuch eines Skandals“ (Kinostart: 22. Februar 2007), der ihr die dritte Oscar-Nominierung brachte. Von Anspannung oder Lampenfieber keine Spur. Mit freundlichem Blick wartet sie auf die nächste Frage aus der Runde und zieht nur ab und an belustigt ihre Brauen hoch, als sie von einer Reporterin gefragt wird, warum englische Schauspieler in den USA so erfolgreich sind. Mit einem fast unmerklichen Mundwinkelzucken sagt die Australierin: „Da ich keine Britin bin, habe ich darüber noch nicht so viel nachgedacht. Aber wir waren lange eine englische Kolonie...“
Auch die Erkundigung nach dem magerer werdenden Rollenangebot für Frauen über 40 kontert die 37-Jährige mit engelsgleichem Lächeln und einem schlagfertigen Spruch: „Bis dahin ist es noch ein Weilchen, Herzchen, mach dir keine Sorgen“. Aber nachdem sie die Kollegen, die ihre Recherche-Hausaufgaben nicht gemacht haben, elegant bloßgestellt hat, findet sie doch noch eine diplomatische Antwort auf die etwas ungelenke Nachfrage.
Die viel beschäftigte Mimin, die 1992 am australischen „National Institute of Dramatic Art“ graduierte und ursprünglich gar nicht aufs Filmemachen aus war, macht sich aufgrund ihrer soliden Theaterausbildung keine Sorgen um ihre berufliche Zukunft. „Das ist bei vielen Filmschauspielern anders. So gut vorbereitet kommt man heute in der Regel nicht zum Film. Das war im Hollywood der 1940er Jahre ganz anders. Bevor man da mal überhaupt einen Screentest machen durfte, bekam man Schauspiel- und Gesangsunterricht und eine Image-Politur. Sie investierten erst mal in dich als Schauspieler und gaben dir dann einen Vertrag. Aber heute läuft das beim Film oft so: Die gabeln dich in einem Supermarkt auf, schubsen dich vor eine Kamera, und wenn der Film ordentlich Geld einspielt, kriegst du den nächsten Job. Das ist ein unbeständiges und ungeduldiges Geschäft.“
In dem Film spielt sie die 37-jährige Lehrerin Sheba, die in ihrer Ehe einsam ist und sich in eine Affäre mit einem 15-jährigen Schüler flüchtet. Ihre Kollegin Barbara (Judi Dench) fühlt sich zu der jüngeren Frau hingezogen und hofft auf eine Frauenfreundschaft. Als Barbara Sheba mit deren Teenie-Lover ertappt, wittert sie ihre Chance. Sie verspricht Stillschweigen und wirbt so um Shebas Freundschaft. Zu spät entdeckt Sheba, dass Barbara sich in ihr Leben geschlichen hat und sie nun erpressen kann, dass die alte Frau ein „Vampir“ ist, der alles aus ihr heraussaugt und sie mit Mann und Liebhaber entzweien möchte, um sie ganz für sich allein zu haben.
Bedenken hatte Cate Blanchett nicht, in einem Film mit solch heikler Thematik mitzuspielen, denn ihr langjähriger Freund, der renommierte Theaterautor Patrick Marber („Closer – Hautnah“) schrieb das Drehbuch zu der Romanverfilmung. Massive Vorbehalte hatte sie nur gegenüber der Liebesszene mit einem Minderjährigen, den im Film Andrew Simpson spielt). „Für mich war es sehr wichtig, dass der junge Schauspieler volljährig ist. Ob 14, 15 oder 16 – in diesem Alter sind sie alle noch Kinder. Und Sex mit einem Minderjährigen ist immer noch Sex mit einem Minderjährigen.“ Schnell fügt sie noch hinzu, dass das alles natürlich nur gespielt war und erinnert sich an eine andere äußerst physische Szene, die ihr Probleme bereitete. Sie musste Judi Dench in einer wilden Rangelei in ein Bücherregal stoßen. Als die Sequenz nach vielen Takes endlich im Kasten war, gab es plötzlich Änderungen am Drehbuch, und wegen ein paar zusätzlicher Dialogzeilen mussten die beiden Schauspielerinnen alles noch mal drehen.
Frauenfeindlich findet der Hollywoodstar den Zickenkrieg zwischen den beiden Protagonistinnen aber in keiner Hinsicht. Und erinnert erneut an die „Goldenen Zeiten“ und einen Film, in dem sich zwei große Damen des Hollywoodkinos ihrer Zeit ebenfalls eine regelrechte Schlammschlacht lieferten: „Was geschah wirklich mit Baby Jane?“ mit Bette Davis und Joan Crawford aus dem Jahr 1962. „Diesen Film liebe ich wirklich. Ich finde es total aufregend, dass es im Kino, wo sonst stets die Schönheit und Lieblichkeit der Frauen gefeiert wurde, zwei so aufregende Charaktere mit Rissen und Makeln gibt, die sich solch schockierende Dinge antun und an den Kopf werfen. So oft werden Frauen dazu angehalten, in Rollen zu schlüpfen, die sie attraktiv machen. Wenn Jack Nicholson so eine Rolle spielt, feiern ihn die Leute für seinen verrückten und obszönen Auftritt“, sagt sie mit Überzeugungskraft, aber wie immer sehr beherrscht und besonnen.
Als ich sie allerdings frage, wie sie reagieren würde, wenn einer ihrer beiden kleinen Söhne in zehn Jahren ein Verhältnis mit seiner Lehrerin hätte, ist es mit der Beherrschung vorbei. Da überlegt sie einen Moment, beugt ihren Oberkörper vor, kommt auf einmal ganz nah heran und presst dann tief aus dem Bauch heraus: „Ich glaube, ich würde ihr den Kopf abreißen wollen.“ Dann schaut sie selbst ein bisschen erstaunt, versucht mit einem Lachen die Situation aufzulockern und schränkt, nachdem sie sich ein bisschen gesammelt hat, ein: „Ich weiß nicht wirklich, wie ich reagieren würde.“ Das ist sehr knapp für jemand, der so eloquent ist und seine Worte so sorgfältig auswählt.
Doch manchmal ist Cate Blanchett eben nicht danach, große Reden zu schwingen. An dem Film „Babel“ mochte sie besonders, dass sie fast keinen Sprechtext hatte. Über ihren Filmpartner, den zweifachen „sexiest man alive“ Brad Pitt, sagt sie mit gütigem Lächeln nur so viel: „A great and good human“ - ein großartiger und guter Mensch. So richtig gern spricht sie nicht über ihre Filme. Sehr vage erzählt sie, dass sie Schwierigkeiten hatte, sich mit der Kollaborateurin Elsa Brandt in Steven Soderberghs „The Good German“ (Kinostart: 1. März 2007) zu identifizieren – genauso wie mit der Ehebrecherin Sheba Hart, die sich von ihrem Schüler verführen lässt. Dass man in ihren Rollen nicht nach Cate Blanchett zu suchen braucht, weil sie nicht gern Figuren spielt, die eine Version von ihr seien. „Ich bin nicht sehr sentimental. Ich kann den Gedanken nicht ertragen, meine alten Filme noch mal zu betrachten“, gesteht sie. Wenn sie ein Projekt abgedreht hat, empfindet sie nur „tiefste Erleichterung, dass es vorbei ist.“ Gern vergisst sie dann sogar, dass der Film noch ins Kino kommt.
Und dann sitzen da wir Journalisten und wollen alles ganz genau wissen über einen Film, für den Cate Blanchett vergangenes Jahr vor der Kamera stand. Aber sie ist eben ein Profi und macht mit bei dem Spiel - ganz frei von Allüren. Ohne mit der Wimper zu zucken signiert sie sogar Kollegen, die blitzschnell auf Autogrammjäger umgeschaltet haben, noch Pressehefte und schwebt dann elegant mit einem Lächeln wieder aus dem Saal. Die Aura ihrer Unnahbarkeit scheint noch im Raum zu hängen. Und trotzdem hat man das Gefühl, dass sie nie wirklich da gewesen ist.