'From Paris With Love': Fetter Türsteher? Nee, Travolta
Schnörkelloser Actionfilm mit simpler Handlung

Dass John Travolta genau der richtige Mann für abgedrehte Rollen ist, wissen Filmfans spätestens seit 1994. Damals glänzte der Amerikaner als philosophierender Killer Vincent Vega in ‚Pulp Fiction’ und wurde für einen Oscar nominiert. Sechzehn Jahre später zeigt Travolta, dass er nichts verlernt hat: In ‚From Paris With Love’ spielt er mit Glatze und Porno-Schnauz den skrupellosen und koksenden Geheimagenten Charlie Wax. Gegen diesen Typen wirkt James Bond wie ein Staubsaugervertreter.
‚From Paris with Love’ ist ein schnörkelloser Actionfilm mit simpler Handlung. Der junge Amerikaner James Reese (Jonathan Rhys Meyers) führt in Paris ein Doppelleben. Er arbeitet offiziell als persönlicher Assistent des US-Botschafters, aber in Wirklichkeit ist Reese ein völlig unterforderter Geheimagent. Er brennt darauf, sich als Spion zu beweisen. Plötzlich kommt per Anruf seine große Chance: Der Geheimdienst weist ihm eine neue Mission zu – und Charlie Wax als Partner. Wie eine Naturgewalt mischt Wax quasi im Alleingang zwei Pariser Drogennester auf, bis klar wird, dass es um viel mehr geht. Er und sein Partner müssen einen Terroranschlag auf ein internationales Gipfeltreffen verhindern, und ausgerechnet Reeses hübsche Freundin Caroline (Kasia Smutniak) scheint die Attentäterin zu sein.
Travolta mit kahlrasiertem Schädel, muskulösem Stiernacken und dicker Silberkette

Der Film beginnt zwar träge, steigert sich aber mit dem ersten Wax-Auftritt sprunghaft zu einer einzigen Spirale der Gewalt, bei der Travolta alles mitreißt. Kaum wiederzuerkennen ist er mit seinem kahlrasierten Schädel, dem muskulösen Stiernacken und der dicken Silberkette am Hals. Sein pöbelnder und koksender Agent ist eine Mischung aus Türsteher-Typ und Gangsta-Rapper – ein Basketballer Shaquille O’Neal in weiß. Er ist kein Cop, sondern ein Killer.
In seinen ersten zehn Leinwand-Minuten tötet der Mann rund dreißig chinesische Drogenhändler – natürlich ohne selbst auch nur einen Kratzer abzubekommen.
Dieser Gewaltausbruch ist so heftig, dass Agent Reese nur noch atemlos und schockiert hinterher hechelt. Kein Wunder, denn Reese ist der Gegenentwurf zu Wax: Angezogen wie ein Hugo-Boss-Model, charmant wie ein Diplomat und so gebildet, dass es schon wieder langweilig wirkt. Ein Mann ohne Ecken und Kanten, der zahlreiche Sprachen fließend spricht (merkwürdigerweise bis auf Französisch, obwohl er in Paris arbeitet).
Seine einzige Schwäche ist die Liebe zu Caroline, was dem Agenten-Duo mehrmals fast zum Verhängnis wird. Gefühlsduselig stolpert Reese in die Liebesfalle islamischer Terroristen. Nach einigen derben Explosionen ist klar: Diese beiden ungleichen Ermittler ergänzen sich wie Schlüssel und Schloss, obwohl sie wirken wie Feuer und Wasser. Auch Wax ist ohne Reese nur noch die Hälfte wert.
Ähnliches gilt auch für den Film: Ohne Travolta wäre das nicht halb so spannend und charmant. Seine schauspielerische Leistung ist dermaßen energiegeladen, dass Co-Star Meyers neben ihm wie ein Statist dasteht. Wax handelt, Reese stolpert hinterdrein. Allerdings kann Meyers auch nicht anders, denn seine undankbare Rolle ist von Regisseur Pierre Morel nunmal so angelegt: Er gibt sehr glaubwürdig den unsicheren Lehrling, dem alles zu schnell geht, Travolta den abgezockten Meister, und zwar sehr eindrucksvoll: Der Weltstar war beim Dreh im Herbst 2009 offenbar in der Form seines Lebens, seine trockenen Sprüche haben Kultpotenzial („Eine .357er qualmt noch schöner als 'ne Cohiba“). Travolta-Fans werden auch die Anspielungen auf dessen Pulp-Fiction-Vergangenheit lieben. Wax’ große Leidenschaft sind nämlich dicke Cheeseburger und noch dickere Waffen. Herrlich!
‚From Paris With Love’ ist genau der richtige Film für Popcorn-Abend, bei dem man nicht groß nachdenken, sondern einfach ein paar coole Sprüche zwischen reichlich Geballer hören möchte. Schicke Paris-Bilder und Tiefgang: Fehlanzeige. Immerhin ist die geradlinige Handlung alles andere als vorhersehbar. Die Wendungen der Geschichte kommen für den Zuschauer so überraschend wie ein ansatzloser Schlag ins Gesicht, der übrigens eine Spezialität des Geheimagenten Wax ist. Punktabzug gibt es nur für die scheinbar unverwundbaren Hauptdarsteller.
Von Sebastian Priggemeier