Folterhorror "Wolf Creek" - Kinostart: 13.7.2006

Ein weiteres Exemplar des neuen Trend-Genres Folter-Filmchen führt uns nach Down Under, wo Naturburschen fernab der Zivilisation ahnungslosen Teenagern den Garaus machen. Der Streifen war der Überraschungsliebling in Sundance, wo für gewöhnlich eher Autorenfilmen gehuldigt wird denn billig produzierten Horrormovies.
© Kinowelt

Die Story ist denkbar simpel: Zwei nette englische Girls lassen sich von einem australischen Surfer ein bisschen die Gegend zeigen und haben ein seltsames Erlebnis am Titel gebenden Wolf Creek, einem gespenstisch wirkenden Meteoritenkrater im australischen Niemandsland. Dort bleiben auf mysteriöse Weise ihre Uhren stehen – eine nette Anspielung auf Peter Weirs „Picknick am Valentinstag“.
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Doch wer erwartet, dass es nun im Stil dieses ebenso subtilen wie verstörenden Horrorklassikers weitergeht, ist schief gewickelt. Denn die drei verschwinden keineswegs wie die picknickenden Schulmädchen bei Weir in dem mysteriösen Felsmassiv und es gibt auch keine weiteren Hinweise auf magnetische oder übernatürliche Aktivitäten. Die Bedrohung ist vielmehr menschlicher Natur. Unsere Protagonisten haben auf der Weiterfahrt eine Autopanne. Zur Hilfe kommt ihnen ein schnauzbärtiger Rancher, an dem zunächst nur das Mainzelmännchen-Lachen etwas kauzig wirkt.
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Er schleppt die drei auf seinen abgepitscht liegenden Hof in der Einöde, bietet ihnen Wasser an und verspricht, ihren schrottreifen Wagen wieder auf Vordermann zu bringen. Dass er am Lagerfeuer scherzt, jetzt müsse er seine Übernachtungsgäste nur noch umbringen, nimmt keiner ernst außer vielleicht Zuschauer, die sich schon einen groben Überblick über die Handlung verschafft haben.
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Das böse Erwachen folgt auf dem Fuße und gestaltet sich wie der Prototyp eines Alptraums: Liz erwacht gefesselt in einem Geräteschuppen. Dass wir erst die Sonne aufgehen sehen und Liz (Cassandra Magrath) nach dem Zerschneiden ihrer Plastikfesseln im Dunkeln über den Hof streicht, bevor die Sonne ein zweites Mal hinter dem Horizont aufblitzt, ist nur ein Beispiel für die genreüblichen Logikbrüche, die uns auch Greg McLean in seinem Spielfilmerstling nicht erspart.
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Nun kommt immerhin Fahrt in die Story, die in den ersten 30 Minuten zwar nett inszeniert, aber recht ereignisarm daherkam. Denn sofort ertönen markerschütternde Schreie aus der benachbarten Wellblechbaracke. Und mit Liz sehen wir aus durch einen Türspalt mit Entsetzen, dass der nette Gastwirt sich über Nacht zum psychopathischen Triebtäter gemausert hat, dem Foltern offenbar Befriedigung bereitet.
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Kristy (Kestie Morassi) hängt an Ketten und wird von ihrem Peiniger brutal gequält, während er sich beherzt in den Schritt greift. Brrh! Es beginnt ein blutiges Katz- und Maus-Spiel. Netter Schachzug: Die beiden Mädchen übernehmen den Part, den normalerweise die Jungs in solchen Filmen spielen: Liz unternimmt einen beherzten Rettungsversuch, und die beiden Girls versuchen gemeinsam, dem Folterknecht zu entrinnen, der sich erwartungsgemäß als äußerst hartnäckig erweist und für einige weitere unschöne Szenen sorgt.
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Dass der dritte im Bunde, Ben (Nathan Phillips), lange Zeit raus ist aus der Geschichte, macht eine weitere Schwäche des Drehbuchs aus, das insgesamt nicht gerade durch Innovationsfreude besticht. Zumal zuvor eine halbherzige Lovestory zwischen Ben und Liz etabliert wird und es dann völlig unglaubwürdig wirkt, dass die Mädels sich nicht um sein Schicksal sorgen. So tappen sie wie schon viele andere Horrorfilmprotagonistinnen vor ihnen in jede Falle, die sich auftut und kehren nach erfolgreicher Flucht auf den Hof des Grauens zurück, weil ihnen die Flucht ohne Fahrzeug auf einmal unmöglich erscheint. Nun denn.
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Zum Glück machen vor allem die beiden hierzulande unbekannten Hauptdarstellerinnen ihre Sache gut. Vor allem Cassandra Magrath als Liz variiert den Screamqueen-Gestus gekonnt, auch wenn sich der Regisseur vielleicht ein wenig zu sehr am weiblichen Martyrium weidet. Dazu kann McLean mit einigen Überraschungen aufwarten, bevor er seinen Low-Budget-Horror etwas aprupt zu Ende führt.
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Gerade wegen des erfrischenden Spiels der unverbrauchten Gesichter und der unaufgeregten Inszenierung vermag nicht nur Freunde des Genres besser zu unterhalten als beispielsweise Eli Roths extrem blutrünstiger Splatterfilm „Hostel“. Dabei drückt McLean nicht allzu sehr auf die Kunstblut-Tube - ein weiterer Pluspunkt. Auch wenn seine wackelige Handkamera und die dunklen Nachaufnahmen manchmal nerven, gelingt es ihm, die Schönheit der australischen Landschaft in Bilder zu setzen, um dann genau diese hoffnungslose Weite als blankes Grausen zu inszenieren. Dass seine Story auf einer wahren Begebenheit beruht und jährlich 30.000 Menschen in Australien verschwinden, ist dabei eine mehr als beunruhigende Vorstellung.
Mireilla Häuser
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01 10
