Von Mireilla Zirpins
Ein bisschen fahrig kommt Ethan Hawke auf die Terrasse des Excelsior-Hotels in Venedig geschlurft, wo er anlässlich der Filmfestspiele seine zweite Regiearbeit „The Hottest State“ vorstellt. In einem reichlich zerknitterten dunkelblauen Satinanzug, darunter im Miami-Vice-Stil nur ein weiβes T-Shirt, einen Zahnstocher im Mund und ein Glas Weiβwein in der Hand – um drei Uhr nachmittags.
Doch im Interview ist er ganz konzentriert und vor allem begeistert bei der Sache. Und das hat seinen Grund. Er hat seinen sehr populären Erstlingsroman „The Hottest State“ (1998), bei uns erschienen unter dem Titel „Hin und weg“, selbst verfilmt. „Es ist ein sehr persönliches Buch“, erzählt Hawke. Denn seine Hauptfigur William hat vieles mit ihm gemeinsam: Seine Eltern setzen ihn in sehr jungen Jahren in Texas in die Welt und trennen sich bald.
Und das Gefühl, furchtbar verliebt zu sein und an ein kompliziertes Mädchen zu geraten, kennt Ethan Hawke auch bestens. Seine Figur Sara hält William lange hin, bis sie ihn mal ranlässt und überlegt es sich dann plötzlich wieder anders. „Warum Frauen so kompliziert sind? Das solltest eher du mir erklären“, ruft er aus und erkennt grinsend: „Fest steht, ich fühle mich offenbar zu solchen Frauen hingezogen.“
Vieles sieht der Schauspieler, Romanautor und Regisseur heute mit ein bisschen Abstand anders: „Die wichtigste Figur in dem Film ist eigentlich der Vater.“. William nimmt mit Anfang Zwanzig erstmals Kontakt auf zu seinem Erzeuger, der sich seit Jahren nicht bei ihm gemeldet hat und versucht, ein ernstes Gespräch mit ihm zu führen – eine der besten Szenen des Films, die im Roman noch nicht enthalten ist.
„Das das hätte ich damals gar nicht so sehen können, bevor ich selbst Vater wurde. „Ich war auch einfach noch viel zu jung und zu nah dran“, gesteht er. Und so hat es ihm groβen Spaβ gemacht, sein Alter Ego vom jungen Mark Webber spielen zu lassen und selbst in die Rolle von dessen etwas abgefucktem Alten zu schlüpfen.
Der Hollywoodstar, der 2001 mit seinem nur 100.000 Dollar teuren und sehr eigenwilligen Kunstfilm „Chelsea Walls“ sein Regiedebüt vorlegte, ist eben ein Vollblutmime. „Bücher schreiben oder Regie führen mache ich um der Kunst willen. Als Schauspieler bin ich Vollprofi. Das kann ich gut“, befindet er selbstbewusst, lässt dann aber selbstkritisch fast zwanzig Jahre Leinwand Revue passieren: „Nicht alles, was ich gemacht habe, war gut. Als ich noch jung war, wollte ich so dringend Schauspieler sein, dass ich auch in schlechten Filmen mitgespielt habe. Ich wollte so dringend gut sein.“
In Venedig ist der Hollywoodstar, der von 1998 bis 2004 mit seiner Kollegin Uma Thurman verheiratet war, bevor die Ehe angeblich wegen seiner Untreue auseinander ging, schon ein alter Hase. „Mit 18 war ich zum ersten Mal hier“. Das war 1989, als Peter Weir auf dem Lido seinen Film „Der Club der toten Dichter“ vorstellte, mit dem Ethan Hawke der Durchbruch gelang.
Danach war er mit Winona Ryder in Ben Stillers „Reality Bites“ zu sehen, in „Gattaca“, „Groβe Erwartungen“, „Training Day“ und zuletzt in der Politsatire „Lord Of War“. Nach „Before Sunrise“ und der Fortsetzung „Before Sunset“ und drei weiteren Filmen unter der Regie Richard Linklaters ist er demnächst wieder in einem Werk seines Freundes zu sehen: zusammen mit seiner Hauptdarstellerin Catalina Sandino Moreno und vielen anderen Stars in „Fast Food Nation“.
Nur seine beiden Kinder, die er mit nach Venedig gebracht hat, stört Papas Ruhm ein wenig. „Vor dem Filmfestival waren wir an einem eher abgeschiedenen Ort in Urlaub. In Venedig angekommen, sagte mein Sohn: ,Papa, ich mag diese Stadt nicht. Hier erkennt dich jeder’.“