Filmkritik 'Rush' - Kinostart: 3.10.2013

Rush - Hemsworth und Brühl
Hunt (l.) hat Schlag bei den Frauen, Lauda (r.) nicht

4,5 von 5 Punkten

Das waren noch Zeiten, als es unter den Formel-1-Fahrern Womanizer gab wie den Briten James Hunt und sich die Fahrer verbissen Rennen auf Leben und Tod lieferten. Anfang der 1970er Jahre, als Sex noch safe und Autofahren gefährlich war, duellierte sich Hunt mit seinem Erzrivalen Niki Lauda. Bitte nimm es nicht persönlich, lieber Sebastian Vettel, aber nach dem poppig-bunten und mit Chris Hemsworth und Daniel Brühl brillant besetzten Rennsport-Spektakel ‚Rush‘ erscheint einem manches langweilig und aalglatt, was man heute so in der Formel 1 zu sehen bekommt.

Regisseur Ron Howard (‚Sakrileg‘, ‚A Beautiful Mind‘) gelingt das Kunststück, die lebenslange Männer-Feindschaft dieser beiden nicht immer zu 100 Prozent sympathischen F1-Legenden so zu inszenieren, dass man als Zuschauer glatt mit beiden mitfiebert. Denn der Film ergreift nie Partei, sondern erzählt aus der Perspektive beider Streithähne – ein äußerst cleverer Schachzug. So beginnt der Film zwar bei dem legendären Rennen am 1. August 1976 am Nürburgring, das Niki Laudas Gesicht für immer entstellen sollte. Doch dann lässt Howard den Zuschauer zappeln und dreht erst einmal eine erzählerische Schleife zur ersten Begegnung von Niki Lauda, kongenial verkörpert von Daniel Brühl, und James Hunt (Chris Hemsworth aus ‚Thor‘, der ebenfalls eine Glanzvorstellung gibt) in der Formel 3 im Jahre 1970.

Viel Zeit lässt sich Howard, um die Charakterzüge seiner beiden Protagonisten zu beleuchten, ohne dabei je zu langweilen: James Hunt ist ein Dandy in Sportklamotten, ein feierlustiger Schönling, der die Frauen reihenweise vernascht und auch vor den Gattinnen seiner Mitstreiter nicht Halt macht. Als Fahrer reüssiert er nur, weil er auch auf der Bahn ein Draufgänger ist. Der Österreicher Niki Lauda hingegen hat keinen Schlag bei den Frauen, Hunt verhöhnt ihn stets wegen seines ‚rattigen‘ Aussehens. Aber er ist ein begnadeter Tüftler, der mit seinen Mechanikern das perfekte Rennauto bastelt, diszipliniert, ehrgeizig und trotz allen Gegenwindes extrem von sich überzeugt, was ihn nicht gerade beliebt macht. Beide schaffen den Sprung in die Formel 1 und werden dort im Laufe der Jahre zu den ärgsten Feinden und den größten Konkurrenten, die die Branche je gesehen hat. Und die zwei bekriegen sich nicht nur auf dem Asphalt. Bei jeder Begegnung, jedem Pressetermin drücken sie sich Sprüche, die unter die Gürtellinie gehen, bis der Hass in der Entscheidung zu jenem fatalen Rennen gipfelt, bei dem Niki Lauda fast in den Flammen seines brennenden Fahrzeugs ums Leben gekommen wäre.

Brühl auf Oscar-Kurs?

Rush - Brühl und Hemsworth
Lauda mag sein Auto, Hunt sein Bier

Wer fürchtet, zwei Stunden lang Menschen mit Helmen in flachen Autos zu sehen, sei beruhigt. Ron Howard dosiert die Rennszenen so, dass der Film auch für Menschen ohne jegliche Affinität zur Formel 1 spannend und ansprechend ist. Dafür packt Kameramann Anthony Dod Mantle (‚Trance‘, ‚Slumdog Millionaire‘)nicht nur die erstklassig inszenierten Rennsequenzen in atemberaubende Bilder, bei denen das Wasser auf der regennassen Rennstrecke gestochen scharf spritzt, sondern findet auch einen schönen Retro-Look für die bonbonbunte Partywelt der Siebziger.

Chris Hemsworth, bisher als Muskelprotz in Filmen wie ‚Avengers‘ oder ‚Snow White And The Huntsman‘ unter seinen Möglichkeiten eingesetzt, gibt dem Frauenheld James Hunt nicht nur die passende Optik und den unwiderstehlichen Charme, sondern auch eine Tiefe und Verletzlichkeit, die ihn trotz allen Macho-Gehabes sympathisch macht.

Der Clou aber ist Daniel Brühl, der bis in die letzte Pore Niki Lauda geworden zu sein scheint. Hier stimmt einfach alles: Die Körperhaltung, der getriebene Blick des Besessenen und selbst die Mundstellung, die ihm tatsächlich etwas von einem kleinen Nagetier verleiht. Dazu musste er nicht nur in den wenigen deutschsprachigen Passagen wie ein Österreicher sprechen, sondern sich auch noch Englisch mit Niki Laudas eigenwilligen Alpen-Akzent antrainieren – und er meistert es zur Perfektion. Chapeau! Wenn ihm das mal nicht mindestens eine Oscar-Nominierung einbringt. Daneben sehen nicht nur die Boxenluder blass aus, sondern auch die Film-Ehefrauen der beiden Kontrahenten, etwas langweilig gespielt von Olivia Wilde und Alexandra Maria Lara. Doch solche kleinen Schwächen wiegen nicht schwer in einem Film, der ansonsten mit der Wucht eines Rennwagens durch die zwei Stunden Spielzeit brettert und jederzeit bestens unterhält.

Wehmütig wird man sich beim Verlassen des Kinosaals bewusst, dass im heutigen Rennsport der Typus Schumacher gesiegt hat – brav, diszipliniert und gewinnorientiert. Und wie lässt Ron Howard seine beiden Streithähne am Ende doch so schön Revue passieren: Gerade weil sich Hunt und Lauda so gute Feinde waren, gerade weil sie so gegensätzlich waren, haben sie sich perfekt ergänzt und das Beste aus dem jeweils anderen herausgeprügelt. Einen besseren Schluss konnte Howard für seine Hommage an die goldene Ära des Automobilsports nicht finden.

Von Mireilla Zirpins

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