Filmkritik 'Premium Rush': Fahrrad-Hetzjagd mit Leerlauf-Handlung

2 von 5 Punkten
Ein Film über Fahrradkuriere in New York: Ob das über 91 Minuten lang trägt? Die Antwort lautet: Jein. Regisseur David Koepp hat sich in verschiedenen Genres verzettelt – auf Kosten des roten Fadens: Ein bisschen Action hier, ein bisschen Comedy dort, eine Liebesgeschichte da. Herausgekommen ist ein Genre-Kuddelmuddel, in dem die Handlung dahindümpelt und nur die rasanten Verfolgungsjagden den Zuschauer in den Bann ziehen.
Im Mittelpunkt steht der New Yorker Fahrradkurier Wilee, gespielt von Joseph Gordon-Levitt ('Inception', 'The Dark Knight Rises'). Eines Tages erhält er den Auftrag einen mysteriösen Briefumschlag auszuliefern. Eine normale Lieferung eigentlich, bis er feststellt, dass noch jemand hinter dem Umschlag her ist. Eine Hetzjagd auf Leben und Tod beginnt.
Joseph Gordon-Levitt gibt sich als Wilee wirklich Mühe. Letztlich aber beschränkt sich seine Darstellung darauf, auf seinem Drahtesel auch drahtig auszusehen. Durchtrainiert ist er ja, der 31-Jährige, insofern schaut man gerne hin. Aber es fehlt ihm schlicht an darstellerischer Tiefe. Emotionale Nuancen (so denn vorhanden) kommen nicht rüber.
Einzig Jamie Chung (‚Hangover 2‘, ‚Grey’s Anatomy‘) als Auftraggeberin des geheimnisvollen Umschlags, gibt ihrer Figur Tiefgang. Auch Michael Shannon (‚Vanilly Sky‘, ‚8 Mile‘) als aus dem Ruder laufender Cop überzeugt.
Geradel mit Gossensprache
Regisseur und Drehbuchautor Koepp (er schrieb die Skripte für 'Panic Room' und 'Spider Man') erzählt die Geschichte, die an einem einzigen Tag spielt, nicht chronologisch, sondern mit zeitlichen Brüchen. Nach dem Motto 'Was geschah vorher?' wird ständig in der Zeitleiste zurückgespult und dabei die jeweilige Uhrzeit eingeblendet.
Eigentlich eine interessante Erzähltechnik, weil sie deutlich macht, warum die Handlung einen gewissen Verlauf nimmt und dadurch unausweichlich auf einen bestimmten Punkt hinsteuert. Im Dauereinsatz ist sie allerdings eher verwirrend. Auch hat Koepp seinen Figuren fast nur stereotype Phrasen in den Mund gelegt. Um es kurz zu machen: Unter Fahrradkurieren regiert die Gossensprache.
Herausragend ist dagegen die Kameraführung bei den zahllosen Verfolgungsjagden durch Manhattan. In einer Sequenz ist die Kamera am Lenkrad von Wilees Fixie (ein Fahrrad mit nur einem Gang und ohne Bremse) befestigt, so dass der Zuschauer gleich mit 'im Sattel sitzt'. An dieser Stelle: Hut ab vor der Leistung der Stuntleute!
Dass der Funke letztlich nicht überspringt, liegt am Drehbuch, in dem Koepp offenbar keine Schwerpunkte setzen konnte oder wollte. Mal abgesehen von Regiefehlern (erstaunlich, wie schnell so ein ausgeschlagener Zahn wieder nachwächst...) kommt der Film trotz temporeicher Actionszenen nicht in Fahrt.
Von Esther Hetzert