Eurovision Song Contest 2014: The Baseballs wollen für Deutschland nach Kopenhagen

The Baseballs: Die Jungs hinter den Tollen
Am 10. Mai blickt ganz Europa nach Kopenhagen und greift fleißig zum Telefonhörer, wenn der ‚Eurovision Song Contest 2014‘ ansteht. Beim deutschen Vorentscheid in Köln treten ‚The Baseballs‘ an mit dem Ziel, die Bühne in Kopenhagen zu rocken. Für Digger, Sam und Basti wäre das schon fast ein Heimspiel, denn seit ihrem ersten Album ‚Strike!‘ 2009 und ihrem Erfolgscover von Rihannas ‚Umbrella‘ sind sie in Europa zuhause. Platin in Finnland, Schweiz, Schweden, Norwegen, Holland, Gold in Deutschland, Österreich und Großbritannien, dazu zwei Echos als Sahnehäubchen.
Ihr Erfolgsrezept: Authentischer Rock’n’Roll, ein cooler Style und, wie sie bei Konzerten und auch im Interview zeigen, eine große Portion Selbstironie. Wir sind am Flughafen-Hotel in Köln verabredet. Müde, aber mit wetterfester Tolle, kommen ‚The Baseballs‘ zum Termin. Der Wecker ging um 5.30 Uhr, die Augen sind klein. ESC-Vorentscheid. Promotour für ihr neues Album. Und zwischendrin produzieren sie ihr neues Musikvideo in Eigenregie. Dennoch wirken sie unaufgeregt und lässig – Rock’n’Roller eben.
Im Interview erzählen sie uns, was sie am ESC reizt, wie lebendig der ‚Rock’n’Roll‘ noch ist und warum sie Angst vor einer Klage vom Wendler haben. Das steckt hinter den Tollen.
Von Sebastian Schmidt
Nach drei erfolgreichen Cover-Alben bringt ihr mit ‚Game Day‘ jetzt eine CD mit eigenen Songs raus. Warum?
Sam: „Das ist für uns der nächste logische Schritt. Beim zweiten Album war ein eigener Song mit drauf, beim Weihnachtsalbum waren es drei. Live haben wir auch immer eigene Songs ausprobiert. Wir wurden immer drauf angesprochen, dass wir doch mehr eigene Songs machen sollen. Das lag auch in unserem Interesse, uns als Band dann ein Stück weiterzuentwickeln. 14 von 17 Songs sind Eigenkompositionen.
Mit 'Diamonds' habt ihr wieder Rihanna gecovert. Seid ihr am Ende Rihanna-Fans?
Digger: Total!
Basti: Wir lieben sie, wir haben alle 53 Starschnitte.
Sam: Das, was die Pin-up-Girls in den 50ern waren, ist Rihanna heute.
(alle drei lachen)
Basti: Nein, wir haben das als Wink zum ersten Album genommen. Mit ‚Umbrella‘ von Rihanna hat ja für uns alles angefangen. Da wir mit den eigenen Songs jetzt eine Art Neustart hinlegen, haben wir den Song als gutes Omen und Talisman mit drauf genommen.
Habt ihr Angst, die neuen Songs könnten nicht ankommen?
Sam: Natürlich ist da eine gewisse Anspannung mit dabei, aber das ist bei anderen Alben auch so. Hier ist es nochmal was anderes, weil das schon unser Baby ist. Es ist aber eher so, dass die Leute um uns total nervös sind. Man muss schauen, dass man sich davon nicht anstecken lässt. Wir hoffen, dass die Songs gut ankommen. Wenn das nicht der Fall ist, hindert uns das nicht daran, mit der Musik weiterzumachen.
Einer euer neuen Songs heißt ‚My Baby Left Me For A DJ‘ Was habt ihr gegen DJs?
Digger: Wir haben was gegen Michael Wendler, das ist alles.
Basti: Wir haben Angst, dass wir verklagt werden, weil er denkt, wir hätten die Idee für den Song von ihm geklaut (lacht). Bei dem Song geht es um die Situation, die jeder schon mal erlebt hat, wenn so ein Typ oben am Pult steht und du kannst dem Mädel noch so schöne Augen machen, wenn der einmal mit dem Finger auf sie zeigt, ist die oben, egal wie der aussieht. Es gibt im Moment so viel elektronische Musik. Wir sehen uns mit unserer handgemachten Musik als Gegenpol und das haben wir ein bisschen humorvoll in dem Song verarbeitet.
Seht ihr euch als Kunstfiguren?
Sam: (lacht) Wir sind wie Lana Del Rey.
Digger: Man wird sofort als Kunstfigur gesehen, sobald man aus der Reihe tanzt. Aber um die Musik und den Style zu mögen, musst du keine Tolle und Lederjacke tragen. Als Harley-Fan trägst du einen Harley-Gürtel, das ist dasselbe. Du gibst ein Statement ab, bist aber noch lange keine Kunstfigur. Du willst mit deinem Stil etwas mit den Leuten teilen, was man heute eigentlich nur noch auf Facebook teilt. Schon vor den Baseballs hat jeder von uns seinen Weg gefunden. Wir sehen uns nicht als Kunstfigur, auch nicht untereinander.
Um mal über den Songcontest zu reden…
Digger: Ja gut, das ist natürlich was künstlich. Aber das wissen wir auch. Wir wissen alle, dass der ESC in Deutschland ein schlechtes Image hat. Das liegt aber auch daran, dass wir so hervorragende Kandidaten wie Rudolph Moshammer oder Zlatko dabei hatten. Und dann war es mal in, weil Stefan Raab es gemacht hat. Dann hat er sich wieder abgewendet. Jetzt streicht man uns die Mikrophone, weil die nicht auf der Bühne sein dürfen.
Basti: Das steht nicht im Reglement, sondern ist eine Produktionsgepflogenheit. Zum Glück muss aber live gesungen werden. Das entscheidende ist, in den drei Minuten dein Ding durchzuziehen und dir treu zu bleiben.
Digger: Das hat der Graf heute auch gesagt, dass er sich treu bleiben will.
Habt ihr Angst, dass ihr ohne eure Retro-Mikros unauthentisch rüberkommt?
Sam: Das ist schon ein Accessoire von uns und ein Arbeitsgerät. Das ist so, als würde man einem Gitarristen eine andere Gitarre in die Hand drücken.
Digger: Die Mikros lassen uns gut auf der Bühne fühlen.
Basti: Ein Wermutstropfen ist auch, dass wir nur zu sechst auf der Bühne sein dürfen. Einer unserer Musiker kann nicht mit auf die Bühne. Das gehört leider auch zu den Statuten.
Habt ihr das ausgelost?
Basti: Wir haben uns für die entschieden, die in der Show mitsingen, und da unser Schlagzeuger der einzige ist, der nicht singen kann und unser Pianist auch Schlagzeug spielen kann, ist er es. Er hat aber ganz gut drauf reagiert.
Digger: Um nochmal auf den ESC zurückzukommen. Wir können den nicht mehr als so eine Plastikveranstaltung sehen, weil wir im Ausland gesehen haben, was es da für einen Stellenwert hat. In Skandinavien oder Russland ist es DIE Veranstaltung im Jahr. Wir sind seit Jahren in Europa unterwegs, daher kam auch die Idee. Finnland hatte uns gefragt, ob wir für sie antreten wollen, die Schweiz hat auch schon mal gefragt. In Russland haben uns Radiomoderatoren angesprochen. Das schlimmste was passieren kann, ist das wir uns total verstellen und nicht die sind, die wir wirklich sind. Am Ende liegt es an den Leuten. Wir haben das gezeigt, was wir gerne machen.
Habt ihr Angst, dass die Teilnahme nach hinten losgehen kann?
Ich glaube, die Leute, bei denen es nicht geklappt hat, haben versucht sich zu verstellen oder haben auch nicht gut gesungen. Gerade in Deutschland gibt es ja die Vollplayback-Krankheit. Im Ausland hatten wir aus technischen Gründen mal angedacht Halbplayback zu singen, da wurden wir fast ausgelacht. Solange man eine gute Show abliefert, kann man nicht verlieren.
Sam: Wir haben in den Medien jetzt auch nicht den Mega-Ruf, den wir uns versauen können. Uns ist klar, dass wir als Underdog antreten und wir fühlen uns damit auch wohl.
Warum seid ihr in Europa erfolgreicher als in Deutschland?
Basti: In Deutschland bist du die deutsche Coverband, im Ausland der internationale Künstler und trittst in großen TV-Shows auf. Ein Grund ist auch die Radio-Landschaft. Wir haben große Probleme hier ins Radio zu kommen, weil alles so durchformatiert ist. Alles, was anders ist, hat da Schwierigkeiten. Im Ausland sind wir hingegen sehr oft gespielt worden. Da hat man auch mehr Mut als hier.
Digger: Es kommt dazu, dass sich Deutschland sein Musikfernsehen verbaut hat. In anderen Ländern geht es bei MTV noch ab, hier gibt’s ‚I date your mom‘ und ‚I date your dad‘. Man sieht die Musiker nicht mehr. Ich wüsste zum Beispiel nicht, wie die Typen von ‚Kings of Leon‘ aussehen.
Bei eurem Song ‚Good Bye Peggy Sue‘ geht es darum, dass Rock’n’Roll bei euch an erster Stelle kommt. Findet ihr Frauen, die das mitmachen?
Basti: Grundsätzlich geht es um die Situation, die jeder kennt, wenn die Frau sagt: Wenn du mich liebst, guckst du jetzt kein Fußball.
Digger: Es geht um Rock’n’Roll, nicht um Fußball, du Pappnase.
Basti: Digger mag kein Fußball. Ich meine, dass man in Situationen kommt, wo man sich für eine Seite entscheiden muss. Das ist immer eine unfaire Geschichte, die in unserem Fall eben schlecht ausgehen würde. Bei den Frauen, die das nicht verstehen, ist es dann auch gut, wenn sie weg sind. In einer Partnerschaft gehört es dazu, Verständnis für die Interessen des anderen zu haben.
Bleibt überhaupt noch Zeit für eine Beziehung?
Digger: Ich muss auch noch Pornos schneiden zwischendurch. Da verbinde ich das Angenehme mit dem Nützlichen.
Sam: Man ist viel unterwegs, da kommt die Familie schon mal zu kurz, aber wenn wir zu Weihnachten mal frei haben, kosten wir das in vollen Zügen aus. Wenn die Oma früher gesagt hat: ‚Komm mal her und erzähl, Junge‘, hat man das nicht so gerne gemacht, mittlerweile macht man es, weil man nie weiß, was passiert, wenn man unterwegs ist. Man nutzt die Zeit intensiver.
Digger: So ist das dann auch mit Frauen. Wenn man eine hat, kann man sie intensiv nutzen. (lacht)
Basti: Die kompletten drei Minuten.
Habt ihr Frauen?
Sam: Ich bin vergeben.
Basti: Ich auch.
Digger: Ich nicht. Ich würde mir aber vielleicht deine Frau mal angucken.
Weder Boygroup noch Kunstfiguren

Ich habe ein paar Aussagen für euch. Was sagt ihr dazu?
Ihr seid eine Boygroup!
Basti: Zwei von uns sind vergeben, darum sind wir keine Boygroup, mehr.
Digger: Bin ich jetzt alleine eine Boygroup?
Basti: Langsam ist man auch aus dem Alter raus. Manchmal persiflieren wir das und machen zu Songs einheitliche Moves. Aber dafür machen wir viel zu ernsthaft Musik, um uns mit dem Headset hinzustellen und Detlef D! Soost kommen zu lassen, der uns was beibringt.
Rock’n’Roll ist tot!
Sam: Niemals! Wobei heute ja schon alles schon Rock’n’Roll ist.
Rihanna ist auch Rock’n’Roll, je nachdem, wen man fragt.
Sam: Ja, aber auch beim echten Rock’n’Roll treffen wir auf unseren Konzerten so viele Leute, die offen für die Musik sind. Wenn du in Mexiko oder Australien spielst und alle Leute zu der Musik tanzen, zeigt das, dass der Rock’n’Roll nicht ausstirbt.
Ihr seid Newcomer!
Basti: Wenn wir das seit fünf Jahren sein können. Ich habe aber kein Problem damit, wenn die Leute uns so nennen.
Ihr seht aus wie Elvis!
Digger: Sam sieht aus wie Elvis, ich sehe eher aus wie eine Mischung aus James Dean und Nicolas Cage.
(alle lachen)
Habt ihr oft mit Vorurteilen zu kämpfen?
Sam: Bei der Rockabilly-Szene sind wir sowieso die Clowns. Die harte Szene kann mit uns nichts anfangen, aber das ist okay. Wir sehen uns auch nicht als Rockabillys, wir haben nur in jungen Jahren die Liebe zur Musik entwickelt. Man wird auch oft mit Boss Hoss oder Dick Brave verglichen.
Stören euch solche Vergleiche?
Sam: Eigentlich nicht, weil alle dasselbe Ziel verfolgen, die Musik am Leben zu halten.
Basti: Ein Bekannter hat mich beim Frühstück mal gefragt, warum ich der einzige von Boss Hoss bin, der nicht bei Voice of Germany in der Jury sitzt. Das war aber eher lustig.
Ihr seid Ladykiller!
Digger: Da muss ich immer an den Film denken mit Tom Hanks.
Okay, ihr seid Womanizer!
Digger: Da muss ich immer an den Film denken mit Tom Hanks.
Basti: Da muss ich immer an den Song von Britney Spears denken.
Digger: Wir haben unsere Hörner abgestoßen, als wir jung waren und haben ausprobiert, was mit Frauen und Groupies geht. Das haben wir nicht mehr nötig. Wir können jetzt wieder zurück zur Romantik der 50er Jahre.
Basti: Es ist wahnsinnig leicht, wenn man auf der Bühne steht, jemanden klar zu machen.
Digger: Wenn du keinen Anspruch hast, kannst du das machen.
Ihr habt das aber gemacht?
Digger: Vor den Baseballs.
Basti: Extrem nie.
Digger: Ich schon. Ich hab sie jeden Tag gehabt. (lacht)
Was war euer schrägster Auftritt?
Sam: Das war bei einem Radiosender in England, wo wir live gespielt haben. Da war auch KT Tunstall. Nach zwei, drei Songs hatten wir die Idee, ‚Suddenly I See‘ spontan zu covern. Wir haben kurz einmal geprobt. Und als wir live auf Sendung waren, schrie der Schlagzeuger: ‚Wie war nochmal der Beat‘, ich habe meine Melodie vergessen. Basti hat sie mir kurz vorgesungen.
Basti: Und dabei habe ich meinen Text vergessen.
Sam: Basti hat sich irgendeine Melodie ausgedacht und irgendeinen Text – auf Deutsch!
Basti: Das schlimmste ist, dass es Fans gibt, die sich gemeldet haben und sich wünschen, wir würden das als CD rausbringen. Leute, seid ihr taub?
Sam: Wenn wir mal einen schlechten Tag haben, hören wir uns die Aufnahme an und müssen alle lachen.
Vielen Dank!