'Ein freudiges Ereignis' - Filmkritik

4 von 5 Punkten
Topfitte Schwangere mit Babybäuchen in schmeichelnden Roben und strahlend Promimuttis mit Designerkinderwagen strahlen uns von den Illustriertencovern aus an und lassen uns glauben, das Kinderkriegen sei ein Spaziergang. Doch nun kommt aus Frankreich endlich mal ein Film, der aufräumt mit dem Mythos der Glückseligkeit verbreitenden Schwangerschaft und trotzdem gute Laune verströmt„Ein freudiges Ereignis“ ist hier absolut ironisch gemeint. Denn in der Verfilmung eines französischen Romans muss Louise Bourgoin auf dem Weg in den Kreissaal einige Stimmungstiefs durchleiden.
Philosophie-Doktorandin Barbara (Louise Bourgoin) und ihr Lebensgefährte Nicolas (Pio Marmai) wünschen sich ein Kind. Als der Schwangerschaftstest endlich positiv anzeigt, scheint alles perfekt. Doch die Glückshormone bleiben bei Barbara aus. Sie kämpft mit Schwangerschaftsübelkeit und schlägt sich mit unsensiblen Frauenärzten und Hebammen herum. Vor allem macht der verkopften Wissenschaftlerin zu schaffen, dass ihr Ungeborenes die Kontrolle über sie übernommen hat und sich die Vorgänge in ihrem Körper rational nicht erfassen lassen. Nach der Geburt wächst der jungen Mutter dann alles über den Kopf, sie fühlt sich allein gelassen mit ihrem hinreißenden Baby, das ihr nun noch mehr alle Energie raubt. Warum hat sie niemand vorher gewarnt?
Schonungslos ehrlich, aber lustig

Die großartige Hauptdarstellerin Louise Bourgoin (‚Der kleine Nick‘) nimmt den Kinobesucher ganz für sich ein. Sie schafft es, selbst dem ahnungslosesten Zuschauer ein Gefühl davon zu geben, was Geburtsschmerzen bedeuten oder wie die Hormonausschüttung aus einer normalen Frau plötzlich eine Mutter werden lässt. Dagegen hat es ihr attraktiver Filmpartner Pio Marmai richtig schwer. Seine Rolle ist die undankbarere, denn der süße Nerd aus der Videothek wird gezwungen, einen Brotjob anzunehmen und entfernt sich damit zusehends von seiner neugeborenen Tochter und seiner hoffnungslos überforderten Freundin.
„Ein freudiges Ereignis“ ist die Verfilmung der gleichnamigen Romanvorlage von Eliette Abécassis. Regisseur Rémi Bezançon (‚C’est la vie!‘) widmet sich einem Thema, mit dem sich viele Filme auseinandersetzen: dem Elternwerden. Während in vielen Hollywood-Produktionen dabei der Focus auf Slapstick liegt und die Probleme auf Blähungen oder ein zu attraktives Kindermädchen reduziert werden, verliert Bezançon nie die Ernsthaftigkeit des Themas aus den Augen. In seinem Film ist Kinderkriegen kein Kinderspiel, wie es durch strahlende Schwangere und schlanke Promimütter oft in der Presse suggeriert wird. Jenseits aller Klischees zeigt der Film, was Mutterschaft wirklich bedeutet: Schmerzen, unbändige Liebe aber auch Entbehrungen. Bildstark und mit teils leuchtenden, teils tristen Farben untermalt der Regisseur die jeweiligen Gefühlswelten des Elternpaares. Wer selbst schon Mutter oder Vater geworden ist, dürfte einige eigene Erfahrungen wiedererkennen. Für alle anderen würzt Bezançon seine wenig geschönte Darstellung mit frechem Humor, sodass man Schwangerschaft und Geburt trotz allem als „freudiges Ereignis“ begreifen kann.
Von Ulrike Reimann