Christina Perri im Interview

"Ich bin die romantischste Person überhaupt"
Mit der Liebe hat es Christina Perri nicht so und auch ihrem Herzen traut die 'Jar Of Hearts‘-Sängerin nicht über den Weg. Dabei hat die 27-Jährige die Romantik sogar im Blut. Wie gut, dass es da die innere Stimme und das Universum gibt ... Im Interview sprach Christina Perri nicht nur über ihr Pech in Liebesdingen, sondern geriet auch über Kollege Ed Sheeran ins Schwärmen und enthüllte, was es mit ihren 70 Tattoos auf sich hat.
Von Ann-Christin Gebhardt
Dein neues Album trägt den Titel 'Head Or Heart‘ (zu Deutsch: Kopf oder Herz). Hörst du eher auf deinen Kopf oder lässt du dein Herz für dich sprechen?
Darauf habe ich keine Antwort, aber ich würde sagen, auf meinen Bauch. Vor allem wenn es um Liebe geht, kann ich mich nicht entscheiden. Ich habe mich schon so oft in meinem Leben falsch entschieden, so dass ich jetzt total verwirrt bin.
Denkst du denn, dass der Kopf und das Herz grundsätzlich zusammen funktionieren können?
Das wäre wohl die richtige Antwort auf deine Frage vorher. Ich denke, es gibt einen Punkt, wo sich beide verstehen. Ich warte aber noch auf den Moment, in dem mein Herz und mein Kopf das gleiche fühlen. (lacht)
Dein neues Album klingt viel romantischer als das letzte, vor allem der Song 'The Words‘. Welche Geschichte steckt dahinter?
Das ist eine wirklich gute Story. Ich habe mich total in einen Typen verliebt und wenn wir zusammen waren, war alles so richtig magisch. Allerdings hatten wir über unsere Gefühle füreinander noch nicht gesprochen. Eines Abends wollten wir uns dann voneinander verabschieden und plötzlich sagte er ganz versehentlich, dass er mich liebt. Ich wusste, dass er eigentlich etwas ganz anderes sagen wollte, so etwas wie "Good-Bye“. Stattdessen sagte er aber, "ich bin so verliebt in dich“ und gleich darauf "es tut mir so leid, es tut mir so leid, es tut mir so leid“. Ich sagte ihm dann, dass ich ihn auch liebe und das war dieser wahrhaft filmreife Moment. Es war albern, denn er war so beschämt, aber am Ende war es besser, als wenn es geplant gewesen wäre, auf einem Feld voll von Rosen oder so. Es war echt.
Am nächsten Tag hatte ich dann eine Writing-Session mit David Hughes (Anm. d. Red.: Texter, auch verantwortlich für 'A Thousand Years‘). Ich erzählte ihm die Geschichte und er sagte gleich, wir sollten daraus einen Song machen und so ist es passiert.
Das klingt wirklich sehr romantisch
Oh ja, ich bin die romantischste Person überhaupt. Ich bin so emotional und das ist alles Futter für meine Musik.
Schreibst du alle Songs selbst?
Nein, für mein neues Album habe ich drei Monate mit anderen Textern zusammen geschrieben und drei Monate für mich alleine. Ich finde das so echt super, denn du weißt nie was genau am Ende dabei raus kommt. Die Ideen zu den Songs sind aber immer von mir.
Wie viel Autobiografisches steckt in deinem Songs?
100 Prozent. Ich habe all das, worüber ich singe, auch durchgemacht. Das ist es doch, warum meine Musik ehrlich ist und die Menschen sie fühlen können. Dadurch bekommen sie eine Verbindung zu mir.
Du hast mit Ed Sheeran den Song 'Be My Forever‘ aufgenommen: Wie war denn die Zusammenarbeit mit ihm?
So wundervoll, denn Ed ist einer meiner besten Freunde. Es war einfach, mit ihm zu singen und den Song aufzunehmen. Es war total speziell, denn dieser Song ist der fröhlichste Song, den ich je in meinem Leben geschrieben habe. Ich wusste sofort, dass ich ihn mit Ed Sheeran singen wollte, denn auch er hat bisher keine wirklich fröhlichen Lieder gesungen. Wenn wir zwei also einen fröhlichen Song singen würden, dann musste das doch gut werden. Deswegen ist es auch einer meiner Lieblingssongs auf dem Album.
Meiner auch
(lacht) Jedes Mal, wenn ich "Ed Sheeran“ sage, machen die Mädchen "Haaaach“. Die Mädchen lieben ihn. Er ist aber auch charmant. Seine Stimme ist so toll und hat so gut zu meiner gepasst. Ich habe schon mit vielen Künstlern gesungen, Jason Mraz zum Beispiel. Aber so wie mit Ed habe ich mit niemandem geklungen. Unsere Stimmen sind wie Samt zusammen.
Mit welchen Künstlern würdest du denn sonst noch gerne zusammenarbeiten?
Paul McCartney, Chris Martin von Coldplay, Hayley von Paramore. Oh Mann, ich habe so viele Lieblings-Künstler.
Paul McCartney, Chris Martin … gute Wahl.
Allerdings. Du musst immer große Träume haben und dann darauf zu arbeiten. Als ich damals Jason Mraz sagte, dachte ich auch nie, dass das wirklich passieren würde. Heute weiß ich um die Macht des lauten Aussprechens. (flüstert Paul McCartney, Paul McCartney …)
Angeblich schreibst du Briefe an das Universum. Wäre das auch etwas, das du dem Universum mitteilen würdest?
Ganz ehrlich? Das hab ich schon (lacht). Ich glaube, in den letzten drei Briefen, die ich an das Universum geschrieben habe, steht immer Chris Martin oder Paul McCartney. Und alle Wünsche, die im einen Jahr nicht wahr werden, kommen dann in den Brief fürs nächste Jahr. Und Chris Martin wird noch lange Teil meiner Briefe sein. Aber eines Tages … na ja, wir werden sehen …
Der Song 'Trust‘ handelt vom Vertrauen in einen selber und in die Liebe: Wie sieht es mit dir aus?
Das ist genau das Thema des Albums. Denn 'Trust‘ ist der erste Titel, den ich schrieb und gleichzeitig die Frage danach, wem soll man vertrauen? Dem Kopf oder dem Herzen? Was mich selber betrifft und mein Leben, so muss ich das leider verneinen. Ich vertraue mir selber gar nicht. Dieses Album ist wie eine Reise für mich. Eine Reise, um genau dies herauszufinden. Ich bin jetzt 27 und ich habe es so satt, ständig die falschen Entscheidungen zu treffen. Ich bin verletzbar, deswegen bin ich manchmal vielleicht auch etwas reserviert. Aber nur so fühle ich mich sicher. Ich weiß, dass das nicht gerade die beste Herangehensweise ist und dass man jemanden eigentlich so lieben sollte, als ob man nie zuvor verletzt worden wäre.
Im Moment genieße ich es deswegen Single zu sein, jeden Tag in einer anderen Stadt das zu tun, was ich liebe und mich einfach zurückzulehnen und die Dinge zu analysieren. Aber um deine Frage zu beantworten: Vertraue ich mir in Sachen Liebe? Nein! Vertraue ich mir in jedem anderen Teil meines Lebens? Ja! Das ist die Wahrheit.
In deinem Song 'Human‘ lautet eine Strophe "I’m only human‘ (zu Deutsch: "Ich bin auch nur ein Mensch"). Bist du der Meinung, dass unsere Gesellschaft zu sehr nach Perfektion strebt?
Oh ja, so sehr, dass es einen manchmal richtig lähmt. Ich denke, für ein kleines Mädchen, das in Zeitschriften blättert und Fernsehen schaut, ist es echt schwierig. Sie denkt doch, dass Frauen wirklich so perfekt aussehen und dass alles nach Drehbuch läuft. Dass Menschen immer schlau und lustig sind. Es ist schrecklich. Jedes Mal, wenn mir Leute bei Twitter schreiben 'Oh, du bist so perfekt’, dann antworte ich ihnen ‚nein, bin ich nicht. Ich habe Pickel und einen krummen Zeh’. Ich bin einfach nur normal. Menschlich zu sein und auch Fehler zu haben, sollte nicht schlimm sein. Man sollte sich selber ein bisschen mehr vergeben.
Worin bist du denn nicht so gut?
In so vielem. Vor allem aber in Sachen Liebe. Die Liebe und ich? Irgendwie passt das nicht. Ich bin eine Perfektionistin und bin sehr hart zu mir selber. Ich kann zum Beispiel auch nicht kochen. Ich bin nicht gut darin, meinem Herzen oder meinem Kopf zu vertrauen. Außerdem beherrsche ich Ballett, Standardtanz oder Violine spielen nicht besonders gut.
"Ich vertraue mir selber gar nicht"

Ich habe gelesen, dass deine gute Freundin Keltie Colleen (Anm. d. Red.: Tänzerin und Moderatorin) für deinen großen Durchbruch verantwortlich ist. Magst du uns die Geschichte erzählen?
Okay, also Keltie und ich sind schon seit elf Jahren die besten Freundinnen und sie zog damals nach Los Angeles, um mich zu managen. Das Problem war nur, dass sie niemanden kannte. Sie war wirklich eine schreckliche Managerin, trotzdem war sie aber auch meine gute Fee. Denn als ich mein erstes Demo von 'Jar Of Hearts’ aufnahm, schickte ich es ihr und bat sie, es bitte niemandem zu zeigen. In Wahrheit schickte sie es aber sofort an die Choreographin von 'So you think you can dance’ und schrieb ihr: "Liebe Stacey, das ist der Song meiner besten Freundin Christina. Vielleicht kannst du ihn ja eines Tages mal in deiner Show spielen?". Und Stacey antwortete sogleich: "Wie wäre es mit Mittwoch?". Es war der 13. Juni 2010, 8 Uhr abends, als 'Jar Of Hearts’ für genau 90 Sekunden in der Show gespielt wurde. Das war der Moment, in dem ich meinen Job kündigte und mich wie Cinderella fühlte.
Bevor du mit 'Jar Of Hearts’ so erfolgreich wurdest, hast du als Kellnerin gearbeitet. Welche Erfahrungen konntest du aus diesem Job ziehen?
Mit Menschen reden. Ich liebe es, mit Menschen zu reden und deswegen war ich eine wirklich gute Kellnerin. Vor allem aber Menschlichkeit. Ich denke es ist das wichtigste überhaupt, jeden gleich zu behandeln. Das habe ich nie vergessen. Mein Schlagzeuger, mein Tour-Manager – wir sind alle gleich. Ich habe außerdem gelernt, hart zu arbeiten. Ich hatte mein ganzes Leben lang kein Geld. Samstags habe ich mir von meinem Trinkgeld immer einen Brownie geleistet, aber das war’s.
2011 musstest du dich einer Stimmband-Operation unterziehen. Wie hat sich dein Leben seitdem verändert?
Alles ist besser seitdem. Viel beängstigender war das Jahr vor der Operation. Denn von August 2010 bis August 2011 war ich so beschäftigt, dass ich keine Zeit für die Operation hatte. Dadurch musste ich wirklich oft sehr still sein und ganz ehrlich, ich liebe es zu sprechen (lacht). Diese Operation war wirklich das Beste, was ich für mich tun konnte.
Du hattest ein Stipendium für die ‚University of Arts’ in Philadelphia, hast das Studium nach kurzer Zeit aber wieder abgebrochen. Warum?
Ich habe Film und Kommunikation studiert und das hat mir auch Spaß gemacht, aber Musik ist meine Nummer Eins. Und eigentlich ging ich nur zur Schule, weil es in Amerika nun mal das ist, was du nach der Highschool tust. Ich merkte dann aber schnell, dass mich etwas von dort weg zog und ich sagte meinen Eltern, wenn ich jetzt nicht gehe, werde ich es bereuen. Zum Glück haben sie mir da vertraut. Und jetzt sind sie froh, wie alles gekommen ist. Denn als ich nach drei Jahren in L.A. noch immer nicht weiter gekommen war, haben sie sich auch gefragt 'Oh mein Gott, was tut sie nur’. Jeder sollte auf diese kleine Stimme in seinem Kopf hören. Klar, wäre es in Philadelphia einfacher gewesen, dann säße ich jetzt aber nicht hier und würde mich mir dir unterhalten.
Wenn du einen Song über dein Leben schreiben könntest. Wie würde der Titel lauten?
Ganz einfach: 'Head Or Heart’. Denn das Album ist mein Leben, es ist alles, was ich bin und was mich ausmacht. Christina Perri, 27 Jahre alt - das ist jeder Song auf diesem Album.
Du bist in Philadelphia aufgewachsen, eine Stadt, die bekannt für ihre musikalische Kultur ist. Gibt es dort Künstler, die dich ganz besonders geprägt haben?
Oh ja, Philly ist eine Riesen-Stadt für Jazz und klassische Musik. Mein Vater ist Italiener und wir waren Mitglied im italienischen Club, wo auch all die italienischen Künstler waren. Die Musik meines Vaters ist zwar ziemlich altmodisch, er hörte zum Beispiel jeden Tag Dean Martin oder Pavarotti, aber das ist mein Ursprung – klassische Sänger und Liebeslieder. Das hat mich am meisten inspiriert.
Hast du denn schon mal darüber nachgedacht, einen Song in Italienisch aufzunehmen?
Jedes Mal. Ich möchte auch, kann sogar in Italienisch singen und kenne super viele italienische Songs. Ich wollte zum Beispiel 'Jar Of Hearts’ zusätzlich in Italienisch aufnehmen, habe aber nie die Chance dazu bekommen. Aber vielleicht eines Tages ...
Du hast so viele Tattoos. Kannst du die eigentlich noch zählen?
Ja, es sind genau 70.
Wow, also ich habe kein einziges
Echt nicht? Ich liebe Leute, die keine Tattoos haben.
Ich denke aber gerade darüber nach …
Oh, dann lass dich aber von mir warnen. Es ist wie eine Sucht. Wenn du einmal damit anfängst, kannst du nicht mehr aufhören. Ich kenne nur zwei Sorten von Menschen: Die mit null Tattoos und die mit ganz vielen. Ich kenne wirklich keine einzigen, der nur ein Tattoo hat.
Hast du denn ein Lieblings-Tattoo?
Ja, der Cheeseburger hier auf meinem Handgelenk. Das ist auch das neueste, also Nummer 70. Ich sage immer, dass sie die Geschichte meines Lebens erzählen und dass das meine Art ist, mich auszudrücken. Ich rede sehr viel, singe und schreibe Songs und lasse mir Tattoos stechen. Das bin einfach ich.
Wenn du drei Wünsche frei hättest, welche wären das?
Das ist eine gute Frage. Also zu allererst möchte ich eine gute Patentante für meine Nichte sein. Sie kommt im Juni zur Welt und obwohl wir uns noch nicht kennen, ist sie schon jetzt meine kleine Prinzessin. Als zweites wünsche ich mir ein neues Haus für meine Eltern und ein Haus für mich mit einem Garten, in dem ich Tomaten pflanzen kann.
Gibt es eine Frage, die dir noch nie zuvor in einem Interview gestellt wurde?
Du hast eigentlich alles abgedeckt, ich wüsste nicht worüber wir nicht gesprochen hätten. Aber vielleicht könntest du am Ende des Interviews erwähnen, dass ich im Herbst auf Deutschland-Tour sein werde?
Hiermit gerne getan. Vielen Dank für das nette Gespräch.