Cannes-Blog: Frustshopping zum Abschied

von Jessica Mazur
Ich bin wieder daheim! Nach elf Tagen Cannes hat mich ein Billigflieger voller Cannes-Überlebender zurück nach Köln gebracht. Man erkennt die Festival-Veteranen im Flugzeug an den dunklen Ringen unter den Augen. Fast alle nutzen den knapp anderthalbstündigen Flug für ein wohl verdientes Nickerchen. Kaum einer von ihnen hatte in den vergangenen Tagen genug Zeit für mehr als eine Mütze voll Schlaf. Ich ziehe Bilanz: Ich bringe zweieinhalb Kilo weniger auf die Waage (ganz ohne Joggen, lieber Michael Moore!), die ich mir jetzt ganz schnell wieder drauffuttern werde, damit ich keine Un-Figur wie Victoria Beckham bekomme.
Dafür hatte ich aber zwei Kilo mehr Gepäck im Koffer. Denn ich muss gestehen, dass ich es Victoria nachgetan habe und zwischen zwei Vorstellungen zum Frustshopping gerannt bin. In einer Stunde Mittagspause habe ich immerhin zwei Kleider und ein paar Dessous zusammengerafft. Zu meiner Verteidigung möchte ich vorbringen, dass ich dafür nur so viel Geld ausgegeben habe, wie Posh Spice vermutlich schon fürs FdH-Frühstück bezahlt und dass ich dabei nicht so motzig wie sie aus der Wäsche geschaut habe.Denn Festival-Frustshopping hat mit Frust eigentlich nichts zu tun, befinden wir unter Kolleginnen, als wir uns gegenseitig unsere Beute präsentieren. Es ist einfach nur die angemessene Belohnung für die Strapazen unseres Jobs. Auf Englisch heißt der seelentröstende Einkauf übrigens „retail therapy“, lerne ich bei der Gelegenheit, und das klingt doch gleich viel positiver. Außerdem bleiben normale Frustkäufe meist im Schrank hängen, während die kleinen „Entschädigungen“ oft jahrelang im Einsatz sind. Gut, den Pailletten(!)rock, den ich mir nach einer aufregenden Berlinale am Flughafen gekauft habe, hatte ich nur einmal auf der RTL-Weihnachtsfeier an und danach nie wieder. Das Kleid, das ich auf dem Hinweg (!) nach Venedig am Kölner Airport erstand, landete nach acht Tagen Festival auch ungetragen wieder dort. Aber die braune Tasche (auch Berlin Flughafen, weil Joaquin Phoenix so ein anstrengender Interviewpartner sein kann) schleppe ich schon ewig mit mir rum, und sie hat mir auch in Cannes gute Dienste geleistet.
Immerhin habe ich mir keine Schuhe gekauft - ich hatte ja auch genug davon mit (übrigens hat mich sogar eine Kollegin auf einer Party anhand meiner Schläppchen als Vip.de-Blogschreiberin enttarnt). Und auch dem weißen Marylin-Monroe-Kleid in einem Schaufenster habe ich widerstanden (das zog dann in der Warteschlange am Flughafen Nizza meine Freundin aus ihrer Tasche). Dafür habe ich viele nette Leute getroffen, viel über Stars und ihre natürliche Umgebung gelernt und viele gute Filme gesehen – und nur wenig richtig gruselige (was vor allem daran liegt, dass ich Pamela Andersons und Denise Richards’ Silikon-Parade „Blonde And Blonder“ und Bai Lings „Shanghai Baby“ geschwänzt habe, Sie mögen es mir verzeihen).Den Pool meines Hotels habe ich kein einziges Mal benutzt. Dafür bleibt mir für immer im Gedächtnis, wie sich bei milden Nachttemperaturen die halbe Stadt und drei Mal so viel Zugereiste in Abendgarderobe durch die Straßen schoben in der Hoffnung, entdeckt zu werden oder wenigstens einen Star zu treffen. Außerhalb von Beverly Hills wird man kaum so viele sorgfältig gestylte Menschen auf einen Haufen finden, und selbst die zahlreichen französischen Rentner haben ihre Hündchen schick gemacht, damit die der Töle von Paris Hilton in nichts nachstehen. Für immer bleibt auch die Erinnerung an die Sonnenuntergänge über dem Hafen und das sanfte Wiegen der Yachten vor der Stadt, auf denen man zahlreiche Hollywoodgrößen weiß, die Cannes von einer ganz anderen Seite sehen. Schon deswegen lohnt sich das Wiederkommen, und ich freue mich schon aufs nächste Jahr!
A l’année prochaineMireilla Zirpins
