'Bourne Vermächtnis' ohne Bourne - Filmkritik

3,5 von 5 Punkten
Ein Bourne-Film, in dem es weder um Jason Bourne geht, noch Matt Damon mitspielt? Was soll das? Ein weiteres Sequel, bei dem der Hauptdarsteller zu viel Gage gefordert hat oder wegen drohender künstlerischer Langeweile gekündigt hat? Auch wenn da vielleicht sogar was dran sein könnte, sollten Sie dem 'Bourne-Vermächtnis' trotzdem eine Chance geben. Der geradlinige und schön fotografierte Thriller verdient es, schon weil hier mit Jeremy Renner und Rachel Weisz zwei richtig gute Schauspieler am Werk sind.
Nichts gegen Matt Damon, der wahrlich schlechtere Leistungen abgeliefert hat als in der 'Bourne'-Trilogie, aber man vermisst ihn zunächst nicht. Denn man ist gleich atemlos mit Jeremy Renner in einer Art Outdoor-Survival-Camp für Superagenten unterwegs. Da muss er sich als Agent Aaron Cross in den Bergen bei Minusgraden nur im Schlafsack durchschlagen, sich ständig selbst Blut abzapfen und per Drohne irgendwo abliefern, und dann soll er auch noch in einer Berghütte vernichtet werden – und hat zunächst mal überhaupt keine Ahnung, wer dahinterstecken könnte. Das ist auch die einzige Parallele zu Jason Bourne: Auch Cross arbeitet in einer CIA-Eliteeinheit, nur nicht wie Bourne für die Operation 'Treadstone', sondern im Programm 'Outcome', in dem die Agenten per Pillen verhaltensgesteuert werden. Nach dem Auffliegen von Bourne will man nun auch die sechs Outcome-Leute unschädlich machen und alle, die je mit dem Programm zu tun hatten, damit bloß nicht noch mehr an die Öffentlichkeit gelangt.
Elegante Thriller-Spannung

Aaron Cross jedoch spannt das Ganze und hat überhaupt nicht vor, sich einfach so liquidieren zu lassen. Welche Rolle spielt Cross' Chef Colonel Eric Byer (Edward Norton)? Und was weiß die schöne CIA-Ärztin Dr. Marta Shearing (Rachel Weisz)? Aaron Cross nimmt die Dinge selbst in die Hand, auch wenn er dabei aus dem Programm desertieren und so manches Gesetz brechen muss. Das mag man reichlich kompliziert finden, aber man kommt auch mit, wenn man nicht alles verstanden hat. Und immerhin hat sich Tony Gilroy ein bisschen was einfallen lassen, um nicht nur ein simples Jump-and-Run-Game abzuliefern, sondern einen Agenten-Thriller mit wissenschaftskritischen Untertönen. Das gelingt dem Mann, der schon an den Drehbüchern der ersten drei Bourne-Filme mitwirkte und mit dem siebenfach prämierten 'Michael Clayton' dann selbst auf den Regiestuhl wechselte, zunächst ganz gut. Dann jedoch wird streckenweise die Glaubwürdigkeit wie schon bei den Vorgängern leicht überstrapaziert, zu sehr auf ein actiongetriebenes Finale hingewirkt.
Dafür aber kann man dankbar sein, dass Gilroy seinen Thriller wesentlich eleganter inszeniert als zum Beispiel Paul Greengrass, der den Zuschauer in Teil 2 und 3 vor allem mit schnellen Schnitten und wackliger Handkamera aufzuschrecken versuchte. Das hat Gilroy gar nicht nötig. Er setzt auf seine Story, auf die satten Bilder von Kamera-Veteran Robert Elswit und auf Jeremy Renner und Rachel Weisz, die ihren Figuren Verletzlichkeit verleihen, obwohl sie ständig auf der Flucht sind und für Gefühle kaum Zeit zu haben scheinen. Was zurückbleibt ist das Gefühl, dass hier ein guter Thriller auf Nummer sicher verkauft wird mit dem Namen eines anderen. Da hätte man zumindest einen klitzekleinen Gastauftritt von Matt Damon erwartet. Überhaupt ist es das Schwierigste für den Zuschauer, sich nach drei Filmen mit Bourne auf eine komplett andere Sicht einzulassen und ihn nur als kleines Teilchen im Getriebe zu sehen. Wer also auf Jason Bourne fixiert ist, wird hier enttäuscht. Ansonsten dürfte sich Bourne, pardon: Cross in diesem Sommer ein paar neue Freunde machen.
Von Mireilla Zirpins