Ben Affleck versagt auf ganzer Linie: The Company Men
2 von 5 Punkten
Na, darauf hat die Welt gewartet: Der Film zur Wirtschaftskrise. Ben Affleck spielt in 'The Company Men' einen Yuppie, der plötzlich und wie aus dem Nichts seine Arbeit verliert – und damit auch seine Identität. Als gebeutelter Totalversager versucht er, nicht nur sein Gesicht vor seiner Familie zu wahren, sondern seinem Leben auch wieder einen neuen Sinn zu geben. Und rappelt sich langsam und mühsam wieder auf. Nur der Zuschauer bleibt leider ermattet in seinem Kinosessel hängen.
Und das liegt sicherlich nicht an der insgesamt hochkarätigen Besetzung mit den Hollywood-Urgesteinen Tommy Lee Jones, Kevin Costner und Chris Cooper, die auf der Leinwand ihr ganzes Können zeigen. Nutzt nur leider nix, wenn die langweilige und vorhersehbare Story am Schluss ins unerträglich Kitschige à la "Du kannst es schaffen, wenn du es nur willst" abdriftet. Und dabei wird der Spannungsbogen des Sozialdramas anfangs noch recht einfühlsam und clever aufgebaut: Bobby Walker (Ben Affleck) lebt den sprichwörtlichen amerikanischen Traum: toller Job, liebevolle Frau, zwei sympathische Kids, ein schönes großes Haus, zwei Autos in der Garage - aber dann plötzlich das Undenkbare: Sparmaßnahmen in der Firma, Entlassung von einem Tag auf den anderen.
Genauso ergeht es seinen älteren Kollegen Phil Woodward (Chris Cooper) und Gene McClary (Tommy Lee Jones). Zuerst wollen sie es nicht wirklich wahrhaben, aber dann müssen sie schmerzhaft lernen, mit Niederlagen umzugehen, sich selbst und anderen auch Schwäche und Unsicherheit einzugestehen, und letztlich ihr Leben als Männer, Ehegatten und Väter neu zu organisieren. Natürlich fehlt es nicht an gutgemeinten Ratschlägen von allen Seiten, und Bobby bewirbt sich immer wieder auf passend erscheinende Stellenangebote – vergeblich. Weil das Geld immer knapper wird, muss Bobby schließlich zähneknirschend bei seinem Schwager, raubeinig-cool gespielt von Oscar-Preisträger Kevin Costner, als Hilfsarbeiter auf dem Bau mitarbeiten - auch wenn es ihm schwerfällt und ihm seine Management-Erfahrungen dort so gar nichts nützen.
Oh Schreck, der Porsche ist weg!
Und ganz allmählich scheinen er und seine Kollegen zu begreifen, dass es vielleicht noch wichtigere Dinge im Leben gibt als die Jagd nach dem immer noch größeren Deal - stimmt, Geld ist ja bekanntlich nicht alles. Es ist aber nicht davon auszugehen, dass die Mehrheit der Menschen im realen Leben, die ihren Job verloren haben und nicht wie Bobby Walker noch monatelang von einer monströsen Abfindungssumme zehren können, genauso einem sentimentalen Selbstverwirklichungstrip verfallen. Das 'echte' Leben zwischen totaler Pleite und zermürbenden Existenzängsten, das dem einfachen Angestellten von Nebenan heutzutage nach einer Entlassung drohen mag, spielt in 'The Company Men' natürlich keine Rolle.
Somit hat TV-Regisseur John Wells ('Emergency Room') in seinem Kino-Erstling über das Leben dreier Spitzenmanager sicherlich keinen Film geschaffen, mit dem sich Otto-Normalverbraucher besonders identifizieren könnte. Das größte Unglück trifft Bobby offenbar dann, wenn er seinen heißgeliebten Porsche verkaufen muss, und der Familie 'nur' noch ein Wagen übrig bleibt. Sehr bitter. Immerhin schaffen es aber Chris Cooper ('Capote') und Tommy Lee Jones ('No Country For Old Men') dank ihrer markigen Ausstrahlung und verwitterten Gesichter, den Zuschauer zumindest ansatzweise zu fesseln. Zusammen mit Kevin Costner ('Der mit dem Wolf tanzt') retten die drei den ansonsten eher missglückten Versuch eines Sozialdramas im Schatten der Wirtschaftskrise.
Nur Ben Affleck kann mit seinem chronisch-demütigem 'Hab' mich doch bitte lieb, auch wenn ich eine Niete bin'-Blick leider keinen Preis gewinnen. Nervfaktor: Extrem hoch. Viel zu plakativ und vorhersehbar wirkt auch Wells' Versuch, in seinem Film das Handwerk zu idealisieren oder Oberschichten-Ehefrauen als oberflächlich zu entlarven. Und dass seine drei Ex-Manager Freundschaft und Liebe - oder deren Fehlen - nur in Zeiten der Not erkennen und sie das erst zu Persönlichkeiten reifen lässt, macht aus 'The Company Men' leider noch lange kein tiefgründiges Drama, sondern in erster Linie nur eines: Eine visuelle Schlaftablette.
Von Norbert Dickten