Bei Premiere ausgepfiffen: 'Mammut' mit Michelle Williams

Von Mireilla Zirpins
Arme Michelle Williams! Bei der Berlinale 2009 gab es neben Applaus jede Menge Buhrufe und ein ausgemachtes Pfeifkonzert. Gemein, denn das sensible Drama des schwedischen Starregisseurs Lukas Moodysson (‘Raus aus Amal’) ist sehr schön, nur um mindestens dreißig Minuten zu lang.
Die Story ist reichlich komplex, obwohl handlungsarm: Michelle Williams spielt die New Yorker Chirurgin Ellen, die in der Notaufnahme um das Leben verletzter Kinder kämpft. Doch ihr eigenes Kind (schön schmollig: Sophie Nyweide) entfremdet sich zusehends von ihr. Denn Ellens Mutterrolle wird vom philippinischen Kindermädchen Gloria (Marife Necesito) übernommen, Ellens zehnjährige Tochter Jackie beginnt sogar, Glorias Sprache zu lernen. Gloria ist ebenfalls entfernt von ihren Kindern, die in ihrer philippinischen Heimat von der Großmutter aufgezogen werden. Nie können die Mütter in diesem Film wirklich für ihre Kinder da sein, die Männer sind nicht da oder weit weg.
So wie Leo, Michelle Williams’ Filmehemann Gael Garcia Bernal. Er ist für seine Firma ständig unterwegs, langweilt sich in schicken Hoteltürmen. Doch trotz modernster Kommunikationsmittel kommen die beiden nicht zusammen. Wenn er skypen will, ist sie gerade beim Gemüsehändler, wenn sie telefonieren will, redet er an ihr vorbei. Und dann ist er auch noch in Thailand, einem Reich der Sinne, voller Verführungen, das ihn plötzlich von einer Auszeit als Geschäftsmann und Familienvater träumen lässt. Einfach mit ein paar Kiffern am Strand abhängen und Bier trinken, das wäre toll…

Ein bisschen experimentell, schön farbenfroh und mit wackliger Kamera ganz dicht dran an den aufgelösten Gesichtern seiner Protagonisten zeigt Moodysson die drei Welten, in denen seine Figuren zu Hause sind. Drei Welten, die sich so fremd scheinen und in denen die Menschen doch so ähnliche Probleme haben. Das Global Village ist bei ihm ein emotionales Dorf. Seine fein beobachteten zwischenmenschlichen Verstrickungen untermalt er mit einem wunderschönen Soundtrack, der die große Sehnsucht unterstreicht, die Michelle Williams verströmt, wenn sie sich im Schnee auf der Dachterrasse auf dem Laufband die Seele aus dem Leib rennt. Sie gibt dem Film eine Seele und zeigt die beste Performance.
Ausgepfiffen wurde der Film wohl kaum wegen Williams’ Spiels, sondern weil manchen Zuschauern in ‘Mammut’ zu wenig passiert, weil sie in den ersten anderthalb Stunden nicht wussten, worauf Moodysson hinaus will, und weil sie mit dem Ende nicht einverstanden sind, über das man sich tatsächlich streiten kann. Regisseur Lukas Moodysson ist kontroverse Reaktionen auf seine Filme gewöhnt. Nachdem sein ‘Lilja 4ever’ großen Anklang fand, musste er 2007 bei der Berlinale mit ansehen, wie sich bei der Premiere seines Experimental-Ekel-Schwarzweiß-Films ‘Container’ der Saal schon in der ersten Viertelstunde drastisch leerte. Verglichen damit wird ‘Mammut’ jede Menge Freunde gewinnen.