BAP-Frontmann Wolfgang Niedecken im Interview

BAP-Frontmann Wolfgang Niedecken im Interview
Auf dem Sonnendeck eines Rheinschiffs empfing uns ein relaxter Wolfgang Niedecken.

"Halv Su Wild" heißt das neue Album von BAP. Und "halv su wild" - also halb so wild - findet Wolfgang Niedecken auch das mit dem Älterwerden. Und so stellte der Frontmann der Kultrocker aus Köln passenderweise an seinem 60. Geburtstag zusammen mit seinen Band-Kollegen vor Fans, Freunden und Familie gleich mal die Songs von der neuen Platte vor - und zwar live auf einem Rheindampfer vor der nächtlichen Kulisse von Köln. Wir trafen Wolfgang kurz vor der großen Geburtstagsparty an einem seiner Lieblingsplätze - nämlich direkt am Rhein - zum Interview.

Von Anja Blanuscha

Hallo Wolfgang, erstmal vielen Dank, dass du dir an deinem Geburtstag Zeit für uns genommen hast. Bist du denn nervös vor dem heutigen Konzert?

Wolfgang Niedecken: Ich bin insofern ein bisschen aufgeregt, weil das kein routinierter Gig ist, als wenn man auf Tour wäre. Wir müssen gleich noch Soundcheck machen und die neuen Songs durchspielen, denn die Proben sind jetzt auch wieder zwei Wochen her. Ich war die letzten Tage durchgehend auf Promo-Tour und habe die ganze Zeit nur geredet. Vor einem normalen Konzert bin ich in der Regel ja nicht nervös, aber jetzt müssen wir noch ein Gefühl dafür bekommen, was wir hier überhaupt tun. Das macht einen dann nervös. Allerdings ist es positiver Stress. Denn die Leute kommen heute einfach mit einer unglaublich freudigen Erwartung.

Hast du denn auch einen Lieblingssong auf dem neuen BAP-Album "Halv Su Wild"?

Niedecken: Das kann ich nicht so sagen. Man kann vielleicht sagen, auf jedem Album gibt’s ein oder zwei Songs, die sind die Seele des Albums. Das heißt aber nicht, dass das die Besten sind. Die Seele auf der neuen Platte – deshalb stellen wir sie auch auf dem Schiff auf dem Rhein vor – ist für mich "Noh All Dänne Johre" (eine Hommage an den Rhein). Ich sehe den Rhein fließen und alles ist gut. Er macht mich einfach sentimental und ich bin von Kind an verschossen in das Ding.

Nach dem Studio ist vor dem Studio

Die Platte hat einen frischen Sound, der perfekt in den Frühling passt, und das obwohl ihr ja im Herbst/Winter im Studio wart. Wie bekommt man sowas hin?

Niedecken: Wir haben das Album so transparent und frisch aufgenommen, weil wir mit Vorsatz nicht vorher in den Proberaum gegangen sind. Wir haben die Demos, die die anderen jeweils gemacht haben, gehört und haben dann im Studio einfach angefangen zu spielen, unter dem Motto: Welche Nummer machen wir denn? Hat einer ne Idee? Da wir ja alle im Laufe der vielen Jahre kapiert haben, das man ein Stück auch schnell zumatschen kann, entschließen wir uns eher zu früh zu sagen 'Okay, das reicht' als zu spät. Zumatschen ist das schlimmste, was du tun kannst. Wir waren aber auch richtig gut gelaunt im Studio. Es ist schön, wenn zum Schluss die letzten Worte lauten: "Mist, jetzt sind wir fertig!"

In einem Interview von 2009 habe ich gelesen, dass du keinen Computer besitzt. Ist das immer noch so?

Niedecken: Ich besitze schon einen, aber ich benutze ihn nicht. Ich bekomme immer irgendwelches Zeug geschenkt, was ich eigentlich gar nicht brauche, aber jemand aus der Familie dringend brauchen könnte – ob MP3-Player oder Computer. Jetzt zum Geburtstag hat mir sogar jemand ein Auto geschenkt, total lieb gemeint, aber ich hab eigentlich schon ein Auto. Ich schätze, auf das Gerät sind jetzt alle scharf … (lacht laut).

Verzichtest du beim Komponieren dann auch komplett auf Technik

Niedecken: Ja, ich schreibe wirklich noch so, wie Lieschen Müller sich das vorstellt: Ich sitze mit einer ordentlichen akustischen Gitarre da, klimpere rum und irgendwann habe ich was, das mich interessiert, dann bleibe ich dran und vielleicht fällt mir auch noch eine Zeile dazu ein. Man muss den Moment spüren, wo es sich lohnt, weiterzumachen …

BAP hat ja auch eine Fanpage bei Facebook. Was hältst du von Social Networks? Kannst du damit was anfangen?

Niedecken: Es hat Vor- und Nachteile - wie alles. Man darf nicht sagen, diese globalisierte Welt hat nur Nachteile, man kann aber auch nicht sagen, sie hat nur Vorteile. An einigen Stellen sind es riesige Vorteile, wenn es kein Facebook und kein Internet gebe, hätten wir in diesen nordafrikanischen Ländern keinen Wandel. Das ist für die Menschen in Afrika eine ganz, ganz wichtige Geschichte, dass sie über diese modernen Kommunikationswege miteinander Kontakt haben können, sich absprechen, Sachen vereinbaren können, dass sie nicht mehr von der Wahrheit abgeschottet bleiben können. Ich bin gespannt, wie lange China es schafft, das abzustellen. Dieser Weg ist eingeschlagen, und das ist wirklich großartig. Dass immer mehr Daten von jedem einzelnen überall zur Verfügung stehen, ist hingegen ein echtes Problem und man sollte höllisch aufpassen, wo und wie man Daten hinterlässt.

BAP gehörte ja in Deutschland mit zu den ersten Bands, die sich stark gegen Atomkraft gemacht haben. Warst du Mitte März auch bei einer Anti-Atomkraft-Demo?

Niedecken: Nein, wir hätten zwar sogar auf der Kölner Demonstration gespielt, aber das ließ sich leider so kurzfristig aus terminlichen Gründen nicht mehr machen. Und es ging ja ehrlich gesagt auch ohne uns. Man muss sich auch nicht immer so als Flaggschiff der Bewegung nach vorne dribbeln. Mal gucken wie das weitergeht. Ich finde sehr gut, dass da was in Bewegung gekommen ist ...

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