'Da habe ich schon mal einen Eindruck davon, wie ich später aussehe!'
‚Das soll Jim Carrey sein?’ ist die erste Frage, die man sich stellt wenn im neuen Disney-Weihnachtsabenteuer ‚A Christmas Carol’ der alte Geizhals Scrooge zum ersten Mal über die Leinwand schleicht und deftig gegen den allgemeinen Weihnachtswahn wettert. Ein faltiger, raffgieriger alter Sack, der mit spitzen Fingern sein Geld zählt und niemand etwas davon abgibt, nicht mal seinem Neffen Fred (Colin Firth). Des Rätsels Lösung: 3D-Tricktechnik.
Denn Robert Zemeckis hat seine Hauptdarsteller in knackenge Latexanzüge gesteckt, sie überall mit Sensoren und Kameras verdrahtet und ihre Bewegungen in Computerprogrammen so umgerechnet, dass er den Figuren genau die Optik verpassen konnte, die er sich wünschte. Im Falle von Jim Carrey also die tiefen Furchen auf der Stirn, die Hakennase und das vorstehende Kinn. Der Schauspieler, der mit dem ‚Grinch’ schon einmal einen Weihnachtshasser verkörpert hat, trägt’s mit Fassung: ‚Scrooge erinnert mich an meinen Vater. Da habe ich schon mal einen Eindruck davon, wie ich später aussehe.’
Digital Technik macht’s möglich – und noch mehr. Dem 3D-bebrillten Zuschauer rieselt in der Neu-Verfilmung von Charles Dickens’ Buchklassiker permanent Schnee bis fast auf den Schoß, und man spürt förmlich die Kälte auf den Straßen Londons im Jahre 1843 – so hatte Dickens seine beißende Sozialkritik auch beabsichtigt, meint Regisseur Robert Zemeckis, der seit ‚Zurück in die Zukunft’ oder ‚Roger Rabbit’ das Spiel mit virtuellen Welten liebt und übt.
Bei ‚A Christmas Carol’ funktioniert das ungleich besser als vor zwei Jahren bei seinem ‚Beowulf’ – was nicht nur an der Geschichte liegt. In seiner Story von der Läuterung Scrooges gelingt ihm einiges, was vor ein paar Jahren technisch noch nicht möglich gewesen wäre. Rasante Kamerafahrten nehmen den Zuschauer zusammen mit Scrooge und den an seiner Persönlichkeit arbeitenden Weihnachtsgeistern mit auf die Reise durch das winterliche Großbritannien – und im Sturzflug sogar mit hinein in Scrooges eigenes Grab. Das ist für kleine Kinder nicht unbedingt geeignet, für Erwachsene hingegen ein netter Effekt.
Jim Carrey hoch vier
Einige Effekte bleiben hinter solcherlei Höhenflügen leider zurück – wie der optisch etwas dünne Geist der Weihnachtsvergangenheit. Der wird übrigens ebenfalls von Jim Carrey gespielt – wie die anderen beiden Weihnachtsgeister auch. Und wo er einmal dabei war, hat der Comedian auch die jüngeren Egos Scrooges alle selbst übernommen – selbst das Grundschulkind – und damit Kollegen wie Gary Oldman, Bob Hoskins und Colin Firth mit ihren undankbareren Parts an die Wand gespielt.
Dieser Rollenspagat ist die großartigste Leistung des Films überhaupt. Was Carrey hier mit seiner Stimme macht, ist der helle Wahnsinn. Der gebürtige Kanadier hat sich für jede seiner Figuren einen anderen britischen Akzent antrainiert und ist in jeder Silbe so gestochen präzise, dass man an eine Nachsynchronisation glaubt. Aber, wie Robert Zemeckis beim Pressetermin versichert, das ist alles Originalton. Der Regisseur hat jede Szene so lange mit den Schauspielern geprobt und gedreht, bis er die perfekte Szene im Kasten hatte. Der Aufwand hat sich gelohnt.
Ob dieser Paradevorstellung Carreys übersieht man gern, dass die Nebenfiguren zum Teil nicht ganz so liebevoll animiert sind wie Scrooge selbst und dass seine Besserung ein wenig wie Kai aus der Kiste kommt. Wer also Lust auf eine ernsthafte Weihnachtsgeschichte ohne albernen Klamauk verspürt, die aber im modernen Gewand und mit reichlich Action daherkommt, ist hier genau richtig.
Von Mireilla Zirpins